#61

RE: 2009 - Interviews und Berichte

in News - Pics - Interviews - Twincest ... 02.10.2009 12:59
von Gosu • Besucher | 2.584 Beiträge

Jeder sucht für sich allein

Von Michael Pilz 2. Oktober 2009, 04:00 Uhr

Die ehemalige Jugendband Tokio Hotel und ihr weises, todtrauriges Album "Humanoid"


Vor einem Monat wurden die Gebrüder Kaulitz 20 Jahre alt. Die Zwillinge kamen noch in der DDR zur Welt, hinter der Mauer. Sie wuchsen bei Magdeburg heran, in Landschaften, die sich beharrlich weigerten, zu blühen. Als die Brüder 20 wurden, konnte man es auf dem Boulevard kaum fassen. Dort wird ihre Rockband immer noch wie eine Kinderei behandelt. Tokio Hotel gilt als Streich von Minderjährigen, als Vorwand, um an Drogen zu gelangen, Sex zu haben und bizarr herum zu laufen. "Tokio-Bill macht jetzt auf Punker", unterrichtet "Bild". Hingen die Haare je an Tokio-Bill herab?

Ja, kurz, zwischen der zweiten und der dritten Platte, trug er sie wie einen Tschador. Auch im neuen Video "Automatisch" rast Bill Kaulitz flach frisiert im Auto durch die Wüste, während zwei Maschinenwesen miteinander ringen und vergeblich einen Kuss versuchen. "Wenn du lachst, lachst du nicht! Wenn du weinst, weinst du nicht! Wenn du fühlst, fühlst du nichts!" Der Sänger klingt zutiefst verzweifelt, und die Deutschen debattieren seine Haare. Hans-Olaf Henkel, ebenfalls in "Bild": "Der Haarschnitt! Ich bin fest überzeugt, dass die Pilzkopf-Frisur der Beatles entscheidend zu ihrem Ruhm beigetragen hat. Das ist wie bei Tokio Hotel heute." Vielleicht hat Hans-Olaf Henkel sogar Recht.

Erinnert sich noch jemand an die Beatles? Nicht an ihre Schüttelschöpfe, sondern an ihr Alter damals: Als sie Anfang 20 waren, gaben sie bereits gescheite Antworten. Im Beisein seiner Königin ermunterte John Lennon die Konzertbesucher auf den billigen Plätzen zum Applaus - der Rest möge mit den Juwelen rasseln. Niemand hielt die Beatles in den Sechzigern für unreif. Andererseits galt Pop als Vorrecht junger Leute. Mit den Beatles durfte man getrost erwachsen werden. Auch aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung, ihrer zunehmend bewussten Zeitgenossenschaft und ihrer immer anspruchsvolleren Musik.

Durch die Frisur zu künstlerischem Weltruhm: Solche Wege waren früher kürzer, und mit 20 war man älter als mit 20 heute. Immerhin hatte Bill Kaulitz, als er anfing, unfassbares Glück. Er scheiterte als 13-Jähriger bei "Starsearch", einer Selektionssendung. Die Sieger wurden bisher stets als Freaks entsorgt oder vergessen. Kaulitz kehrte heim zu seiner Schülerband, die damals noch unter dem Namen Devilish und im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs auftrat. Dabei waren bereits der Trommler Gustav Schäfer, heute 21, Georg Listing am Bass, heute 22, und als Gitarrist der Kaulitz-Zwilling Tom.

2003 fielen sie Peter Hoffmann auf im Förderverein Gröninger Bad. Der Produzent hatte verdienten Veteranen zum Comeback verholfen, Falco oder Marianne Rosenberg. Die Lollipops betreute Hoffmann ebenfalls: Zwei Schulmädchen krakeelten Stimmungslieder; sobald sie die Pubertät ereilte, wurden sie durch Jüngere ersetzt. In Tokio Hotel fand sich etwas Dauerhaftes, zwischen Lollipops und Rosenberg. Hoffmann: "Als ich die Jungs sah, dachte ich nur: Zwick mich einer." Er betreute sie auf seinem Lüneburger Heidehof und brachte ihnen schonend bei, was Popgeschäft bedeutet. In der Praxis löste Bertelsmann schon unterzeichnete Verträge wieder auf, und Universal ging mit "Bravo" ein Joint-Venture ein.

Vier Jahre und zwei Platten später, nach Konzertreisen inmitten kindlichen Gebrülls und spießigen Verwünschungen, sind Tokio Hotel wieder da. Sie sind weltweit erfolgreicher als jede andere deutsche Band, wurden mit Preisen überhäuft und bei den Aufnahmen in Hollywood von neugierigen Stars besucht. "Ich habe mich immer älter gefühlt", erklärt Bill Kaulitz. "Aber ich glaube auch, ich werde nie erwachsen." So beschreibt er bündig das Versprechen, das der Pop ursprünglich allen 20-Jährigen gab und heute nicht mehr halten will. Der Pop kam nach den Beatles in die Jahre. Als der Pop erwachsen wurde, schuf die Industrie den Markt für Kinder. Angesichts der Mühsal, der sich unzählige Britneys unterziehen, um auf den Erwachsenenmarkt zu wechseln, wird der Graben immer breiter zwischen beiden Märkten.

Tokio Hotel sehen das vergleichsweise gelassen. Weder zetteln sie empörende Skandale an noch kleiden sie sich unauffällig, um gesetzt zu wirken. So muss sich der Boulevard damit behelfen, Bills Frisur zu rezensieren, um ihn klein zu halten, jung und drollig. Die Musik spricht eine andere Sprache: "Haben schon lang nichts mehr gefühlt, so weit runter, abgekühlt. Die ganzen Sterne fehlen. Im schwarzen Sonnensystem. Ich fall durch die Nacht", ruft Kaulitz in den Raum. Die Stimme wird verfremdet durch die Software Auto-Tune. Die ihn umgebende Welt ist finster. Wiederholt plant man die Flucht ins Licht, in Songs wie "Komm" und "Lass uns laufen". Aber: "Jeder sucht für sich allein", heißt es in "Menschen suchen Menschen".

Mit "Humanoid" spiegelt die Band sowohl die eigene Rolle als auch die eher trüben Aussichten der Menschheit. Liebende zoomen sich sehnsüchtig heran. Die Zukunft liegt im Jenseits, und die Gegenwart erscheint als düstere Science Fiction. Es gibt Anleihen beim Futuristen-Blues von Depeche Mode wie bei der herkömmlichen Rockmusik. Seit 20 Jahren, sagt Bill Kaulitz, sei er fremd auf Erden. Erst in der Provinz von Sachsen-Anhalt und erst recht im deutschen Popbetrieb, wo ältere Männer über Haare reden statt über fantastische Musik.

Tokio Hotel: Humanoid (Stunner)

Quelle: http://www.welt.de/die-welt/kultur/artic...ich-allein.html

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#62

RE: 2009 - Interviews und Berichte

in News - Pics - Interviews - Twincest ... 02.10.2009 13:02
von Gosu • Besucher | 2.584 Beiträge

Tokio Hotel
Was taugt das neue Album?


In den letzten Tagen konnte man viel über Tokio Hotel lessen. Dass Bill Probleme mit Mädchen hat, dass sie schon mal Drogen probiert haben. Nur über die Musik wurde kaum ein Wort verloren. Das ändert sich jetzt. Heute erscheint das von den Fans lang ersehnte neue Album "Humanoid" – der KURIER hat schon mal reingehört.

Der erste Höreindruck: Das Album kann man sich auch anhören, wenn man keine Zahnspange und kein Clerasil mehr benötigt. Bill Kaulitz und sein Bruder Tom (beide 20) sind keine Teenies mehr – und auch die Musik wird langsam erwachsen. Die rockige Single "Automatisch" wies schon den Weg.

Die zwölf neuen Songs haben genug Wucht, genug harte Gitarren, um nicht kitschig zu wirken. Bisweilen fast opernhaft arrangiert ("Kampf der Liebe"). Doch dabei bleiben sich Tokio Hotel treu. Wie bei der Debüt-Single "Durch den Monsun" setzen die vier Magdeburger auch diesmal auf schwärmerische Melodien und eingängige Gitarrenriffs, die sich im Ohr festsetzen.

Und die kleinen Mädchen werden natürlich auch bedient. Die werden auf die Cyber-Romantik des neuen Albums abfahren, auf Lieder, in denen der androgyne Bill die die Suche nach Liebe, seine Unsicherheit im Umgang damit ("Geisterfahrer") besingt.

Wer Tokio Hotel in 4D sehen und hören will: Im Media Markt (im Alexa) wird die Band als Hologramm auf die Bühne projiziert. Ab 19 Uhr singen TH 30 Minuten lang die neuen Lieder.

Quelle: http://www.berlinonline.de/berliner-kuri...lin/279061.html

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#63

RE: 2009 - Interviews und Berichte

in News - Pics - Interviews - Twincest ... 03.10.2009 18:12
von Lowy • Besucher | 28.932 Beiträge

Zitat
Im Beisein seiner Königin ermunterte John Lennon die Konzertbesucher auf den billigen Plätzen zum Applaus - der Rest möge mit den Juwelen rasseln.



wie geil


Vielen Dank für die Berichte, Gosu. Der von "Die Welt" gefällt mir besonders... die Beschreibung, wie man versucht, die Jungs klein zu halten.

Ich hätte da eine Bitte... und zwar... bei deinem Scan... da ist ein Satz, den ich nicht wirklich zusammenbekomme auf der Spalte, die nicht ganz drauf ist... ganz oben... da sagt Bill: Beim Thema Sound kommt natürlich viel von Tom... und dann der Satz danach über die Keyboardsounds... kannst du mir den bitte mal ganz aufschreiben?





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#64

RE: 2009 - Interviews und Berichte

in News - Pics - Interviews - Twincest ... 03.10.2009 23:59
von Gosu • Besucher | 2.584 Beiträge

Natürlich, Kim, mach ich.

Ich hab den Artikel gestern auch im I-Net gelesen, mal sehen, ob ich den nochmal wiederfinde.^^



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#65

RE: 2009 - Interviews und Berichte

in News - Pics - Interviews - Twincest ... 04.10.2009 00:10
von Gosu • Besucher | 2.584 Beiträge

Hab ihn!

Die Rückkehr der respektabel rockenden Kunst-Menschen

Tokio Hotel als seelenlos kommerzielle Teenie-Band abzutun ist ebenso beliebt wie billig: Nimmt man die ganze Boulevard-Hysterie um das Magdeburger Quartett einmal beiseite, stehen auf der Habenseite nicht nur hochenergetische Rock-Shows mit hohem Unterhaltungswert, sondern auch zahlreiche moderne Ohrwürmer, deren Verfallsdatum längst nicht so gering ist wie viele oft boshafte Kritiker gern unterstellen. Ab morgen nun will die Band erneut ihre Qualität unter Beweis stellen – mit der dritten CD “Humanoid”. Tim Hofmann unterhielt sich mit Gitarrist Tom und Sänger Bill Kaulitz.

Freie Presse: Im Vorfeld des neuen Albums ist bisher wenig über die Musik, aber viel über euer Aussehen geredet worden. Euer Schlagzeuger hat eine neue Frisur – ist das so wichtig?

Bill Kaulitz: Das war bei uns ja schon immer so, und Aussehen war in der Branche auch schon immer ein Thema. Pilzköpfe bei den Beatles, Makeup bei David Bowie, Spandexhosen bei Kiss – und heute eben Georgs Scheitel. Die Geschichte wiederholt sich.

Freie Presse: Die erste Single “Automatisch” klingt vergleichsweise zurückgenommen und effektbeladen. Habt ihr das Rocken etwas über?

Bill: Auf Humanoid sind auch wieder Songs, die sich sehr auf Gitarren konzentrieren. Insgesamt haben wir aber viele neue Sounds ausprobieret und auch mit Synthesizern und Keyboards produziert. Wir sind jetzt keine Elektro-DJs geworden, aber das Album hat insgesamt schon einen sehr frischen Sound.

Freie Presse: Bisher habt ihr kaum Stimmverfremdungseffekte verwendet und euch auf Bills natürliche Stimme verlassen. Nun kommt der mittlerweile im modernen Pop doch arg überstrapazierte Autotune-Effekt à la Cher zum Einsatz. Warum?

Tom: Wir mischen jetzt unsere Platte auch in Stereo, also mit Beatles-Effekt. Nee, eigentlich wollten wir das nicht erwähnen, aber den Chor haben Lil Wayne, Kanye West, Cher und Akon für uns eingehustet, die stehen eben drauf.

Freie Presse: Der neue Albumtitel “Humanoid” klingt wie eine ironische Anspielung darauf, dass ihr immer noch Menschen seid, obwohl ihr oft nur als Kunstfiguren wahrgenommen oder von Fans stark idealisiert werdet. Ist der Titel so gemeint?

Bill: Den Begriff “Humanoid” hatten wir nicht von Anfang an. Unsere Songs haben sich einfach in diese Richtung entwickelt, und dann war der Name plötzlich da – alles passte dann perfekt zusammen. Inspiriert sind wir insgesamt immer noch von allem, was wirklich in unserem Leben passiert. Viele Tracks von “Humanoid” erzählen Geschichten und Gefühle seit dem letzten Album. Aber es stimmt schon, “Humanoid”, das ist auch ein kleines Stück von dem, wie Menschen uns manchmal wahrnehmen.

Freie Presse: Welches Lob eines Musiker-Kollegen hat euch bisher am meisten bedeutet?

Tom: Früher war uns immer die Meinung unseres Stiefvaters am Wichtigsten, der ja selbst auch Gitarre spielt. Heute sind Komplimente oft sehr nett – aber nichts, worauf man sich etwas einbilden sollte.

Freie Presse: Welches Gitarrenriff der Rockgeschichte hättet ihr am liebsten selbst geschrieben?

Tom: Also, während einer Pause zum Dreh von “Automatic” habe ich mit Georg “Hells Bells” von AC/DC gespielt – das ist auf jeden Fall tierisch!

Freie Presse: Wie viel kompositorischer Input der Bandmitglieder steckt in den neuen Stücken, und woher kommt die Inspiration?

Tom: Bill rennt ständig mit tausenden zerknüllten Zetteln in den Taschen rum und notiert sich bei jeder Gelegenheit Ideen und Zeilen für neue Songs. Manchmal ist dann erst der Text da, manchmal die Melodie. Wir schreiben Songs oft im Team, ein Rezept gibt’s da aber nicht.

Bill: Beim Thema Sound kommt natürlich viel von Tom. Ist jetzt auch bei den Keyboard-Sounds so. Tom spielt eigentlich am besten.

Tom: Bei “Humanoid” haben wir uns auch länger mit Synthesizern und Keyboards beschäftigt. Gustav zum Beispiel hat jetzt neben seinem Rock-Set auch elektronische Drums. Was tierisch ist – die kann ich dann bei den Proben einfach leiser drehen!

Freie Presse: Ihr seid mittlerweile auch international sehr erfolgreich. In welchem Land werdet ihr am meisten auf Image, Aussehen und Yellow-Press-Klatsch reduziert, und in welchem steht die Musik am meisten im Vordergrund?

Bill: Das ist weniger vom Land abhängig als von Interviewpartner. Wir haben immer beides. Manchmal geht es um Songs, Texte und Konzerte, und manchmal ums Aussehen und so was. Ist aber beides für uns okay. Wenn ich so rumrenne, erwarte ich ja nicht, dass mich niemand darauf anspricht!

Freie Presse: Ihr beide habt nie ein Hehl daraus gemacht, dass ihr die Schule lieber von außen als von innen seht und die Bühne bevorzugt. Wie fühlt man sich, wenn man dann für seinen Realschul-Abschluss mit einer Sonder-Auszeichnung wie dem “Jugendpreis Fernlernen 2009″ gelobt wird?

Tom: Ja, Schule war und ist für uns der absolute Horror. Wir hatten nur Stress. Die Lehrer haben uns gehasst und das auch nicht verborgen. Das beruhte aber auf Gegenseitigkeit! Den Abschluss haben wir nur gemacht, weil uns die Behörden gezwungen haben. Wir haben uns aber gedacht: ‘Okay, wenn wir das jetzt schon machen müssen, dann wenigstens gut.’ Da sind wir einfach Perfektionisten.

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#66

RE: 2009 - Interviews und Berichte

in News - Pics - Interviews - Twincest ... 04.10.2009 00:37
von Lowy • Besucher | 28.932 Beiträge

Danke schön





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#67

RE: 2009 - Interviews und Berichte

in News - Pics - Interviews - Twincest ... 06.10.2009 00:07
von scooter • Besucher | 1.132 Beiträge

hab grad keine Ahnung, wo ich das posten soll........ Bin ich blind - oder gibts hier keine Abteilung für Interviews und Zeitungsartikel?

http://www.spiegel.de/kultur/musik/0...652791,00.html

Popgruppe Tokio Hotel
Wir haben uns oft wie Aliens gefühlt


Tokio Hotel waren noch immer nicht in Tokio, aber ein Jahr lang auf Rückzug aus der Öffentlichkeit. Im SPIEGEL-ONLINE-Interview sprechen Bill und Tom Kaulitz über ihr Popstar-Leben, das neue Album und das Problem, wenn man plötzlich die Nase von sich selbst voll hat.

SPIEGEL ONLINE: Einige der neuen Songs auf Ihrem neuen Album "Humanoid" handeln wieder von einer unbestimmten Sehnsucht, diesem Gefühl der inneren Zerrissenheit, zwischen zwei Welten zu leben. Glauben Sie, dass auch ältere Menschen sich mit diesen Themen noch identifizieren können?

Bill Kaulitz: Zwischen den Welten haben wir schon als Kinder gelebt. Da wo wir aufgewachsen sind, haben wir uns oft wie Aliens gefühlt, tun wir heute auch noch oft. Das Gefühl hat uns immer begleitet. Vom Privatleben, wovon nicht so wirklich viel übrig ist, bis hin zum Bandalltag. Mein Leben ist voll von Mauern und ich bin zerfressen von Sehnsucht in alle möglichen Richtungen. Aber ich glaube, eine unbestimmte Sehnsucht tragen viele Menschen in sich, das hat mit Alter nichts zu tun.

SPIEGEL ONLINE: Was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass man selbst ein paar gescheiterte Beziehungen in seinem Leben gehabt haben sollte, um über zerbrochene Liebe singen zu können?

Bill Kaulitz : Das sollen die Leute mir ruhig weiter vorwerfen. Oder meinen Sie, ich soll jetzt mal so'n paar richtig herzzerreißende Trennungsgeschichten aus meiner Vergangenheit erzählen, damit das endlich aus der Welt ist?

SPIEGEL ONLINE: Nur zu.

Bill Kaulitz : Vergessen Sie's!

SPIEGEL ONLINE: Bill, Sie sind 2006 bei einer Sendung auf ProSieben zum "nervigsten Deutschen" gewählt worden. Schmerzt Sie so etwas?

Bill Kaulitz: Nö, ich kannte diese Sendung nicht, aber ich bin nachher natürlich darauf angesprochen worden. Aber da wurden mir doch schon ganz andere Sachen an den Kopf geworfen. Unabhängig davon muss ich sagen, dass ich im letzten Jahr unsere eigenen Fressen selbst nicht mehr sehen konnte. Wir haben dann auch versucht, uns ein Jahr lang aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen und uns dann mit unseren Produzenten im Studio einzuschließen und hinterm Mischpult zu verschanzen.

SPIEGEL ONLINE: Ihre neue CD "Humanoid" klingt noch etwas opulenter, erwachsener und besser produziert als die beiden ersten Platten. Wieviel haben Sie selbst, wieviel hat das Produzenten-Team zum Album beigesteuert?

Tom Kaulitz: Beim Songwriting hat sich nicht viel geändert, wir haben die Songs wieder zusammen mit unseren Produzenten geschrieben. Wir haben diesmal nur mehr experimentiert und uns mehr Zeit gelassen. Meistens waren es Textideen von Bill, auf die wir dann zusammen alles aufgebaut haben.

Bill Kaulitz: Wir haben uns viel mehr und sehr detailverliebt in die Produktion eingebracht. Wir haben bei diesem Album zum ersten Mal co-produziert.

SPIEGEL ONLINE: Gibt es etwas, das Ihnen im Nachhinein an "Schrei" und "Zimmer 483" nicht mehr gefällt?

Bill Kaulitz: Also richtig albern finde ich ja, wenn man beim zweiten oder dritten Album sagt: "Das vorher waren ja noch nicht wirklich wir, aber jetzt auf diesem Album haben wir uns endlich gefunden, jetzt stecken wir da wirklich drin."

Tom Kaulitz: Und das dann auch noch als Begründung nehmen, das neue Album nach sich selbst zu benennen. Nein, wir mögen unsere alten Alben. Und wir wollen uns von ihnen auch nicht distanzieren. Wenn wir das Gefühl hätten, dass wir das müssten, dann hätten wir ein Problem.

Bill Kaulitz: Wir haben uns bei "Humanoid" nicht vorgenommen, irgendetwas an der Art, Platten aufzunehmen, zu ändern. Dass wir Sachen anders machen, haben wir erst nach und nach beim Produzieren gemerkt. Das Einzige, was wir uns vorgenommen hatten, war, das Album nicht abzugeben, bevor wir es selbst lieben, egal wie viel Zeitdruck uns die Plattenfirma macht.

Tom Kaulitz: Und das haben wir dann auch durchgezogen. Das gab ganz schön Stress hinter den Kulissen wegen des Timings der Albumabgabe.

SPIEGEL ONLINE: Allein schon durch Ihren Bandnamen wecken Sie Assoziationen zum J-Pop, zu Visual Kei und fernöstlichem Glam. Wahren Sie inzwischen schon einmal in Tokio und vielleicht sogar im Viertel Harajuku, wo sich die Cosplayer und Gothic-Freaks treffen?

Tom Kaulitz: Wir waren leider immer noch nicht in Tokio! Aber wir lieben die Stadt, auch ohne dort gewesen zu sein. Als Kids haben wir immer davon geträumt, eines Tages in Tokio zu sein. Irgendwie will man sich den Traum aber auch nicht erfüllen. Dann ist er ja ausgeträumt, und das will ich mir lieber noch aufheben. Für mich ist es immer wichtig, Ziele und Wünsche vor mir zu sehen.

Bill Kaulitz: Außerdem ist die Stadt ja vielleicht gar nicht so geil wie wir glauben. Und dann: wieder ein Traum zerstört.

Das Interview führte Jan Wigger.

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#68

RE: 2009 - Interviews und Berichte

in News - Pics - Interviews - Twincest ... 07.10.2009 19:28
von Lowy • Besucher | 28.932 Beiträge

Zitat von scooter
hab grad keine Ahnung, wo ich das posten soll........ Bin ich blind - oder gibts hier keine Abteilung für Interviews und Zeitungsartikel?



Du bist nur blind^^ ... hab das Interview jetzt an die richtige Stelle geschoben



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#69

RE: 2009 - Interviews und Berichte

in News - Pics - Interviews - Twincest ... 09.10.2009 17:32
von Gosu • Besucher | 2.584 Beiträge

Erstaunlich vielfältig

Von Tom Bullmann

Ein Jahr haben sich die vier Magdeburger rar gemacht, die seit 2005 als Tokio Hotel die Welt erobern. Jetzt hat die Band ihr drittes Studioalbum veröffentlicht, auf dem sie sich erstaunlich vielfältig zeigt.

Man hört dem Album an, dass es über einen langen Zeitraum gereift ist und dass die vier Musiker wieder erfahrene Produzenten an ihrer Seite hatten, die den Songs den nötigen Druck verpassten. Harte Riffs, die aus der Nu-Metal-Ecke stammen, treffen auf bombastische Pop-Sequenzen, 80er-Jahre-New-Wave-Sound wird wiederentdeckt, und manchmal hören sich die Songs an, als würden Tokio Hotel mit ihren hymnischen Melodien in die Fußstapfen der Münchener Freiheit schlüpfen.

Solche Vergleiche interessieren die Tokio-Hotel-Fans in Italien, Israel, Frankreich oder den USA natürlich herzlich wenig. Überall dort, wo Bill und Tom Kaulitz, die schillernden Zwillinge, auftauchen und junge Mädels verzückt zum Kreischen bringen, sind ihr Aussehen und die emotionale Wirkung der Songs wichtiger. Für diese internationale Zielgruppe wurde das Album „Humanoid“ zeitgleich als englische Version auf den Markt gebracht.

Damit auch alle die frohe Kunde erfahren, dass Tokio Hotel wieder da sind, traten sie erst mal bei Thomas Gottschalk auf. Der freute sich, den „Piraten und die Diva“, wie Tom und Bill gern genannt werden, auf seinem „Wetten, dass…?!“-Sofa begrüßen zu können.

Darüber hinaus wurden aber auch andere, spektakuläre Marketingideen umgesetzt. So ist die Band zurzeit „virtuell“ auf Tour, um ihr humanoides Album zu promoten: Mit neuartiger, laserbasierter 3-D-Technik treten sie in zwölf europäischen Städten als Holografien auf die Bühnen ausgesuchter Elektromärkte und spielen ihre neuen Songs. Das dürfte für die Fans eine ganz besondere Erfahrung sein, außerdem ermöglicht die Technologie den Bandmitgliedern, ökonomischer mit ihrer Zeit umzugehen.

Der internationale Erfolg hatte den vier Youngstern, die bereits mit 15 Jahren massiv ins Rampenlicht traten, nicht nur bezüglich des Stressfaktors zu schaffen gemacht. Er führte darüber hinaus auch zu Attacken von Stalkernund ominösen französischen Mädchen, die sie vermummt verfolgten und bedrohten.

Quelle: http://www.neue-oz.de/information/noz_pr...n/23687397.html

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#70

RE: 2009 - Interviews und Berichte

in News - Pics - Interviews - Twincest ... 09.11.2009 14:27
von Lowy • Besucher | 28.932 Beiträge

Tokio Hotel

Zwillinge im Interview: "Viele haben ein vorgefertigtes Bild von uns"

23.10.2009, 17:24, Text: Kerstin Grether, Sandra Grether, Foto: Katja Ruge

Zwillinge sind eine Herausforderung. Weil so gleichstark, proto-verwegen und Verwechslungsgefahr droht. Seit Jahren begeistern und polarisieren auf der Doppelidentität nunmehr Tokio Hotel. Kerstin und Sandra Grether, die Intro-eigene Zwillingsmacht, trafen die beiden in Hamburg und erklären das Phänomen, die Musik und den ganzen Rest.

Was wohl Außerirdische sagten, wenn sie von einem neugierigen Planeten "Ach, guck mal" auf die Erde geschickt würden, um das Phänomen Tokio Hotel zu beschreiben? Gut möglich, dass sie in den ersten beiden Alben jener "beliebtesten und unbeliebtesten Band Deutschlands" (FAZ) viel Schönes entdecken könnten.

Denn seit Nenas epochalem Frühwerk ist es keiner anderen deutschsprachigen Band mehr gelungen, so alltags-rebellischen Fantasy-Rock für eine junge, vornehmlich weibliche Zielgruppe zu produzieren. Noch dazu in einem originellen Stilmix, der durchaus auch ästhetisch mehr Ansprüche an sich selbst stellt als bloßes Funktionieren.

What It Feels Like For A Girl, Boy
Vor allem aber wären jene Außerirdischen wohl äußerst verblüfft darüber, dass ein Lederjacke zu Lidstrich und Langhaar-Dreadlocks tragender Pop-Sänger plötzlich wieder Himmel und Hölle in Bewegung setzt und polarisieren kann - nur weil es ihm Spaß macht, auch seine weiblichen Attribute zu betonen.


Die Außerirdischen würden sich womöglich an die Anfänge dessen erinnern, was wir Pop-Kultur nennen: an die Dekade nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Amerikaner das Wort "Teenager" als Marketingbegriff erfanden und die Presse den Massenhysterie auslösenden Frank Sinatra ständig anpöbelte, weil er keine Uniform trug und nicht im traditionellen Sinne maskulin wirkte. Denn jetzt mal angenommen, auf dem fernen Planeten gäbe es Fernsehen, Medien und Popkulturgeschichte: Würde unseren Außerirdischen dann nicht auffallen, dass die Verwischung von Geschlechtergrenzen doch jahrzehntelang zu den leichteren Übungen im Feld der Pop-Kultur gehörte? Vom bleichen, bisexuellen Bowie bis zu Green Days' Billie Joe Armstrong: Der "Crush With Eyeliner" (R.E.M.) hat beim männlichen Publikum stets für höchste Credibility-Werte gesorgt und in den künstlichen angloamerikanischen Galaxien des Pop schon lange keinen mehr aufgeregt. Bis zu Tokio Hotels mutigem Ritt durch den Monsun der deutschen Authentizitätshölle.

"Viele Leute haben ja ein Bild von uns und reagieren dann ganz automatisch. Vor allem in Begegnungen, die den ganzen Tag automatisch ablaufen." (Bill Kaulitz)

Da gefriert unseren Außerirdischen bei ganzem Leib und mechanischer Seele mal kurz das Blut in den Adern. Sie stellen sich vor: zwei schillernde, coole Fabelwesen auf einem ostdeutschen Kleinstadtschulhof, circa 2005, im tolerant-mobbenden Aggropocherwunderland, in diesen sumpfigen Nullerjahren der großen Koalitionen, mit all den Erwachsenen drum herum, die Authentizität und Vernunft rufen, um den ganzen eigenen Wahnsinn nicht zu fühlen ...

Und was kann man einem 15-jährigen Mädchen, das mit Internet-Pornografie und Frauen-verhöhnenden Rap-Nummern in den Charts aufgewachsen ist - in einer Zeit also, in der "Hure" zu einem anderen Wort für Frau werden konnte -, dann anderes wünschen als diesen romantischen, gitarrenriffigen, sexy Schrei nach Selbstbestimmung, in den Tokio Hotel ihre Erfahrungen mit alltäglichen Widersprüchen auf Provinzschulhöfen bereits mit eingeschrieben haben? Ja, Individualismus ist ein hohes Gut im Universum Tokio Hotel. Ist das, womit das verschieden gestylte Zwillings-Gespann das Format "Teenager-Band" gesprengt und neu erfunden hat. Ist das, was die zumeist weiblichen Fans wirklich interessiert: Wie macht man das - einen eigenen Weg gehen?

Denn man hätte es sich angesichts der enormen Polarisierungskräfte der vier Emoboys ja schon denken können: Die Fans von Tokio Hotel sind keinesfalls nur kreischende Honks. Sie können ihr Fantum und die Band oft kritisch und humorvoll reflektieren, wie man schnell bemerkt, wenn man sich durch die Fan-Foren klickt. Was all die höhnischen und erschreckend homophoben Stimmen in der Öffentlichkeit - wie immer in Fällen von Teen Scream - nicht davon abhält, den Mädchen ständig zu unterstellen, sie wären auf einen gigantischen Schwindel hereingefallen. Die Rebellion gegen solch öde Besserwisserei, gegen diesen ganzen stumpfsinnigen, sexualneidischen, männlichen Anti-Pop-Reflex ist aber längst Teil des Fan-Codes! Und schärft, wie bei jeder intensiv gelebten Subkultur, die sich gegen massive Widerstände behaupten muss, alle fünf Sinne für ein eigenständiges und kreatives Dasein (und den sechsten fürs Vorausahnen von Gefahren noch dazu).

Aber so, wie der Rock'n'Roll tausend Tode stirbt, so macht die Zukunft tausend Anfänge: Es ist sicher kein Zufall, dass Tokio Hotel jetzt in ihrer glücklich-abgründigen Science-Fiction-Hymne "The Dark Side Of The Sun" (deutsche Version: "Sonnensystem") Frank Sinatras "My Way"-Evergreen zitieren, während sie ihre eigenen glorreichen Wege nachzeichnen: "Hello! The end is near, hello, we're still standing here - the future's just begun, on the dark side of the sun."


Humanoid
"Humanoid", also maximal menschenähnlich, nennt sich das dritte Album, auf dem die Band es wagt, den bekannten TH-Sound auf erwachsene und verspielte Weise zu verändern. Es enthält jede Menge perfekter Pop-Songs im Goth-Rock-Gewand: hübsch und kränk, komplex und zum Mitsingen, bedeutungsleer und voller Bedeutungen, und all das zur selben Zeit. Was sicherlich auch ein Einfluss von renommierten internationalen Songwritern wie Guy Chambers (of Robbie-Williams-Fame), Desmond Child oder The Matrix ist, mit denen TH und ihr Songwriter-Team für ein paar Songs kollaboriert haben. Der gitarrengetriebene Hit "Automatisch" klagt mit Electro-Beats und hochfliegendem Gesang mimetisch das Maschine-Werden eines Gegenübers an und feiert zugleich wie in Trance sein All-out-of-love-Sein. Und das bereits erwähnte Glam-Rock-Manifest "The Dark Side Of The Sun", das sich auf Terry Pratchetts gleichnamigen Roman bezieht, toppt selbst Klassiker des Glam Rock, weil das größenwahnsinnige panische Szenario, das darin entworfen wird - dieser niedliche und krasse Tokio-Riot -, ja bereits in vollem Gange ist: "On the TV, in your place, on the radio oh. It's a riot, it's a riot, they say no, oh." Das "radio-hysteria" verkündende Lied verfügt über die Fähigkeiten des sogenannten perfekten Pop-Songs, das Außergewöhnliche aus dem Gewöhnlichen zu destillieren. Und gibt eine würdige Antwort auf dieses Style-konservative Rock-Jahrzehnt, das seine Superstars ständig sucht und verflucht - und dann nicht anders kann, als sie für ihre Individualität entweder zu lieben oder lieber doch zu hassen.


Es sind die Song gewordene Kombination aus Spontaneität und Strategie und der hohe Grad an selfmade Stilisierung, die Bill und Tom Kaulitz zu weltweiten Superstars in der boulevardisierten Pop-Manege machen. Das Ideal dieser Dekade besteht ja darin, extreme Emotionen kunstvoll kanalisieren zu können, eine Stimme zu haben, die zählt. Bill Kaulitz' Stimme und seine berüchtigten anrührenden Blicke haben dabei nichts von der eitlen Kälte, mit der David Bowie oder HIM-Sänger Ville Vallo einst ihre Kriegsbemalung trugen. Er bestürzt und beflügelt durch Herzlichkeit und Humor. Und macht Fans in aller Welt süchtig nach seiner und Toms medialer Präsenz auf Abertausenden Dokumenten im Netz. Zumal Zwillinge seit jeher als starke Projektionsfläche für die Wünsche der Gesellschaft benutzt werden. Die Umwelt sieht in ihnen etwas Besonderes, behandelt sie dadurch als Außenseiter und bekämpft gleichzeitig die Symptome dieses besonderen Status'.

Twin Power
Mensch, wir sind ganz schön aufgeregt vor dem Interview, wir treffen ja nicht jeden Tag eineiige extravagante Zwillinge, die wie wir aus einem Dorf vom Ende der Welt kommen, kaffeesüchtig und sonnenscheu sind und die darauf stehen, einen Aufstand zu initiieren.
Das sagt das Forum:

Dann tauchen Tom und Bill plötzlich vor uns auf, wirklich wie sehr große dunkle Engel, in viel Schwarz gekleidet, mit auffälligen Weiß-Kontrasten. Wie mimetisch mit ihren zwischen Licht und Dunkel changierenden Liedern. Die Boys wirken sehr nett, sind zu Scherzen aufgelegt und auch etwas nervös an diesem frühen Interviewtag. Sie strahlen extrem viel Energie aus, sodass sich schnell ein lebhaftes Gespräch entwickelt. Drummer Gustav und Bassist Georg sind nicht dabei - ist ja auch ein Zwillingstreffen.

Was bedeutet "Humanoid" für euch?
B: Der Song hat wahnsinnig viele verschiedene Melodien und Einflüsse. Und genau das bedeutet "humanoid" für uns: ein Gefühl von Hin- und- Hergerissen-Sein und Nicht-wissen-wo-man-hingehört. Wir haben uns von den typischen Songstrukturen freigemacht und das Lied wie eine Geschichte aufgebaut: mit Höhen und Tiefen.

Wie kam es überhaupt zum neuen Sound?
T: Wir wollten einfach mal ein paar andere Sachen ausprobieren. Dafür hatten wir die besten technischen Möglichkeiten. Unser Ziel war es, fette Songs zu haben und soundweltmäßig etwas Neues reinzukriegen.
B: Es war echt so viel Detailarbeit. Wir haben die letzten Tage fast nicht geschlafen und bis zum Schluss daran herumgeschraubt. Tom und ich haben bei dem Album ja auch ko-produziert!

Wie hat man sich bei euch den Prozess des Songwritings vorzustellen?
T: Früher sind 90 Prozent unserer Songs auf der Akustikgitarre entstanden, und man hat dann zusammenhängend im Studio geschaut, wie man sie umsetzt. Diesmal war es so, dass wir im Studio direkt komponiert und recordet haben.
B: Unsere Produzenten haben uns beispielsweise etwas vorgespielt und gesagt: so und so in die Richtung. Dann hat Tom dazu eine Gitarre gespielt, oder ich habe etwas dazu gesungen. Es war ganz unterschiedlich, wie die Songs entstanden sind.


Der Song "Automatisch" klingt so, als wolltet ihr die Projektionen zurückgeben, die manche Leute auf euch als Star-Typen oder als Band haben: dass ihr "gemacht" seid, wie 'ne Maschine funktioniert usw.
B: Super, dass das jemand erkennt! Genau so ist das Lied gemeint. Viele Leute haben ja ein Bild von uns und reagieren dann ganz automatisch. Vor allem in Begegnungen, die den ganzen Tag automatisch ablaufen. Man kriegt ja ganz wenig Echtheit aus Leuten raus, wenn man sie trifft.

Tokio Hotel müssen ja den Anforderungen eines erfolgreichen internationalen Acts gerecht werden. Eurer Auffassung einer Pop-Inszenierung kommt das offensichtlich entgegen ...
B: Klamotten, Songtexte, Musik: Das gehört für mich alles zusammen. Es geht ja insgesamt um ein Gefühl, das man transportieren will. Ich mach auch total gern selbst Fotos und hab Bock auf den ganzen Modekram. Man kann sich auf diese Weise immer so viele kleine Träume erfüllen.

[zu Bill] Wir hatten die Theorie, dass du in seine Frisur-Richtung gegangen bist, weil er nicht in deine gehen wollte.
T: [lacht] Sagen wir mal so: Ich war mein ganzes Leben so 'ne Art Vorbild für Bill.
B: Als ich mich für die Dreadlocks entschieden hab, hab ich überhaupt nicht an seine gedacht - weil ich seine furchtbar fand! Das waren ja so Naturdinger. Und ich wollte ganz andere haben.

Gab es in eurem Leben als Zwillinge mal eine Phase, in der ihr nicht aufgefallen seid?
B: Wenn man alleine unterwegs war, dann war das nicht so ein großes Thema. Aber wenn man zusammen auftaucht, dann unterhalten sich natürlich alle über einen. Auch, weil wir beide so verschieden aussehen.
T: Das war schon früher so.
B: Es gibt ja nichts Schöneres, als eineiige Zwillinge zu sein. Ich kann mir das gar nicht anders vorstellen. Tom und ich, wir sind so eins, wir sind so seelenverwandt. Ich kann nicht einen Tag ohne ihn auskommen!

Neben all der Begeisterung, die das auslöst, gibt es sicher auch viele Leute, die Angst vor dieser starken Einheit haben.
T: Das ist uns oft begegnet, auf jeden Fall! In der siebten Klasse wurden wir aus genau dem Grund strafversetzt. Die Lehrer haben gesagt, unsere Meinung sei ihnen zu stark.
B: [lacht] Wenn Tom und ich eine Meinung haben, dann kommt man daran nicht vorbei. Das ist schon hart. Auch für die Leute im Team.

Euer zwillingsbedingtes Zusammenhalten entspricht offenbar nicht den Normen einer Konkurrenzgesellschaft.
B: Ja, das ist schon was Besonderes.
T: Alle Leute haben immer gedacht: Wie krass sind die Typen unterwegs, dass die, wenn die so unterschiedlich gekleidet sind, überhaupt miteinander sprechen.
B: So nach dem Motto: Wieso rennt einer, der offensichtlich HipHop hört, mit so 'nem Typen rum, der angemalte Augen hat?

Damit lebt ihr ja die Vision einer wirklich toleranten Gesellschaft. Weil, es wär ja toll, wenn sich so HipHop-Typen und so feminine Typen verstehen würden.
B: Verstehen würden, ja, genau!
T: Ich glaube, Leute könnten sich unglaublich gut ergänzen, wenn sie sich mehr zusammentun würden. Dadurch, dass jeder Gott sei Dank auch unterschiedliche Meinungen hat, ergänzt man sich unheimlich gut.

Schon schockierend, dass euch die Lehrer gedisst haben. Die hätten euch doch vor dem Mob beschützen müssen!
B: Ja, genau, stattdessen hat der Lehrer, als wir strafversetzt wurden, den Schülern sogar gesagt, sie sollen Tom in seiner neuen Klasse ausgrenzen.
T: Das kam neulich erst raus! Mein bester Freund ging in die Klasse, und der hat mir das erzählt.
B: Wir haben das aber nicht zugelassen.
T: Wir haben immer polarisiert. Das war eine gute Vorbereitung für heute.
Für diesen Mut lieben euch ja auch die Fans. Und es ist toll, dass ihr die Mädchen dazu inspiriert, selbst richtig kreativ zu sein.
B: Überall, wo wir sind, drücken sie uns ihre Songtexte und Demos und Zeichnungen in die Hand. Das ist echt cool.

Die Außerirdischen funken zu ihrem Planeten: Einst haben Tokio Hotel die Schulhöfe durcheinandergebracht; "Humanoid" aber könnte auch die erwachsenen Zweifler überzeugen, die bislang nur die blanken Posterboys in ihnen gesehen haben. Tokio Hotel sind zu gut fürs bloß Guilty-pleasure-Sein. Eine der letzten Wahrheiten, die diesem Jahrzehnt noch abzuringen ist.


Quelle

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#71

RE: 2009 - Interviews und Berichte

in News - Pics - Interviews - Twincest ... 09.11.2009 16:10
von Lowy • Besucher | 28.932 Beiträge
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#72

RE: 2009 - Interviews und Berichte

in News - Pics - Interviews - Twincest ... 02.12.2009 12:48
von Gosu • Besucher | 2.584 Beiträge

Aus der Bravo Nr. 50/09

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#73

RE: 2009 - Interviews und Berichte

in News - Pics - Interviews - Twincest ... 02.12.2009 12:54
von Erna

Irgendwie ist Bill mir ja echt sympatisch (irgendwo ein h fehlt^^)

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#74

RE: 2009 - Interviews und Berichte

in News - Pics - Interviews - Twincest ... 02.12.2009 13:00
von Lowy • Besucher | 28.932 Beiträge

Das ist wieder so ein Bericht, wo man Bill nur noch in die Arme nehmen und trösten will *find*

"Alien sucht Liebe" ...

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#75

RE: 2009 - Interviews und Berichte

in News - Pics - Interviews - Twincest ... 02.12.2009 13:03
von Erna

absolut

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