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RE: Hold me thrill me kiss me kill me
in Fanfictions 24.12.2007 23:00von schäfchen • Besucher | 3.541 Beiträge
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„Du willst mich...“, wiederhole ich stumpfsinnig. Diesen Satz kann man auf so viele verschiedene Arten interpretieren, aber ich hab noch nicht mal eine einzige davon begriffen, als Bill schon weiterredet. „Ich war noch nicht fertig, Tom. Ich muss deine Entscheidung wohl akzeptieren... aber ich will dich... noch mal küssen, nur einmal... zum Abschied“, flüstert er. Zum Abschied? Jetzt bin ich noch verwirrter als eben und mein Herz setzt erst einen Schlag aus, um dann in doppelter Geschwindigkeit weiter zu hämmern. „Küssen?“ Ich hab ja schon immer gewusst, dass Bill mich eines Tages fertig machen wird.
Und jetzt hat er es fast geschafft.
„Weißt du eigentlich, wie niedlich du aussiehst, wenn du so zerstreut bist, Tom?“ Bill grinst schelmisch. Hat er überhaupt eine Ahnung, was er da anrichtet? „Ich bin nicht niedlich“, versuche ich mich zu wehren, aber ich klinge so überzeugend wie ein Kind, das behauptet, sein Lieblingsspielzeug plötzlich nicht mehr zu mögen.
„Doch, das bist du, Tom. Erst Recht, wenn du so ne beleidigte Schnute ziehst wie jetzt“, belehrt er mich und ich kann seinen warmen Atem schon auf meinen Lippen fühlen. Alles in mir schreit nach Flucht und zu gleichen Teilen danach, mich ihm einfach ein Stückchen entgegen zu lehnen und zu vergessen, wer ich bin.
Wir sind inzwischen nur noch Millimeter voneinander entfernt und noch immer zögere ich. Ich weiß nicht, ob ich es aushalte, wenn er mich jetzt küsst, ob ich dann nicht all meine Bedenken hinter mir lasse und mich ihm wieder hilflos ausliefere. Aber ich will es so sehr... „Es ist nur ein Kuss, Tom“, haucht Bill mir entgegen und ich spüre seine Hände, die fest meine Hüften umfassen.
Es ist nur ein Kuss... es ist eben nicht nur ein Kuss, es ist so viel mehr für mich, doch gleichzeitig weiß ich, dass ich schon verloren habe. Und wenn ich ehrlich bin, ist kein Wunsch im Moment größer, als ihn zu küssen. Langsam hebe ich den Blick und bleibe in Bills Augen hängen. Ich kann nicht festmachen, was er denkt, es ist absolut unmöglich. Er ist ein wahrer Meister im Verbergen von Emotionen, Gefühlen. Ich dagegen bin ein Meister im Verdrängen. Und ich halte ihn nicht auf, als er mir jetzt endlich meinen stillen Wunsch erfüllt.
Diesmal ist es kein hektisches übereinander Herfallen wie vorhin, als ich mich nicht mehr beherrschen konnte. Sanft, fast vorsichtig treffen seine Lippen auf meine und es haut mich so dermaßen um, dass ich die Augen schließen muss. Eine Ewigkeit stehen wir in diesem Zimmer, ich lasse zu, dass es immer intensiver wird, mich gnadenlos mitreißt, bis Bill sich schließlich leise seufzend von mir löst. Seine Hände halten mich aufrecht und mir wird erst jetzt klar, dass ich ihn unbewusst immer näher an meinen Körper gezogen habe, mittlerweile würde kein Blatt Papier mehr zwischen uns passen. Verwirrt sehe ich auf. Warum hat er aufgehört? „Geh jetzt, Tom“, fordert Bill mich leise auf. „Ich soll gehen?“ wiederhole ich ungläubig. Dass mir meine Stimme überhaupt noch gehorcht, grenzt an ein Wunder. Mein Puls spielt völlig verrückt. „Ja. Wenn du jetzt nicht gehst, dann lass ich dich heute gar nicht mehr gehen“, flüstert er, seine Augen glitzern in dem diffusen Licht, das der Mond in sein Zimmer schickt. Es macht mir ein bisschen Angst, dass er meinen momentanen Trancezustand offensichtlich nicht auszunutzen gedenkt und es holt mich auch ein Stück weit von meiner Wolke herunter, auf der ich bis vor ein paar Sekunden geschwebt habe.
Bill lässt mich los und sieht mich abwartend an. Wieder ist es meine Entscheidung, ob ich mich dieser Versuchung hingeben will, und Gott ja, er sieht so verlockend, so anziehend aus, eine Haarsträhne hängt verwegen in seine Stirn und sein Mund ist tiefrot von unserem Kuss. Ob ich auch so aussehe? Oder ganz anders?
„Warum machst du das?“ frage ich irgendwann atemlos. Ich will ihn verstehen. Ich will dieses Mysterium Namens Bill verstehen. „Du hast gesagt, dass du deine Entscheidung nicht geändert hast. Und ich hab dir wiederum gesagt, dass ich es akzeptiere“, erhalte ich als Antwort. Meine Kehle ist wie zugeschnürt und kein einziger Laut verlässt meine Lippen, obwohl ich ihm so viel sagen will. So viele Dinge sind noch unausgesprochen und hängen zwischen uns wie giftiger Nebel.
„Geh, Tom“, murmelt Bill ein letztes Mal und während ich mich tatsächlich wie automatisch umdrehe und sein Zimmer verlasse, in dem ich mich so verboten wohl fühle, muss ich mich zusammenreißen, um ihm meine Enttäuschung nicht ins Gesicht zu schreien. Es ist so ungerecht, dass ich der Schwache bin, dass es wieder allein meine Entscheidung ist und gerade fühlt es sich wie Zurückweisung an, obwohl es keine ist. Die Frustration über mich selbst kriecht in jede Zelle meines Körpers und es macht mich wahnsinnig, dass so gegenteilige Gefühle mein Denken beherrschen. Wieder tut es weh, es tut noch mehr weh als nach unserem letzten Sex, denn damals hat er mich mit Worten verletzt, die ich niemals hören wollte. Heute ist er zärtlich, lieb und trotzdem undurchschaubar. Es ist viel schlimmer als damals, gerade weil es nur ein Kuss war.
* * *
„Was war das gestern für ne merkwürdige Vorstellung von euch beiden?“ Zutiefst erschrocken fahre ich hoch. Ich bin noch nicht mal annährend bei Sinnen und die Stimme meiner Mutter ist die, die ich jetzt am wenigsten hören mag. „Mum, ich hab kaum geschlafen, und ich kann noch nicht denken“, versuche ich mich schwach zu verteidigen, rühre wie unbeteiligt in meiner Kaffeetasse und bete, dass sie mich in Ruhe lässt. „Warum sitzt du dann hier in der Küche? Irgendwas muss dich ja aus dem Bett getrieben haben“, schnauft sie und lässt sich auf den Stuhl mir gegenüber fallen. Verschlafen erwidere ich ihren forschenden Blick. Meine rasenden Gedanken haben mich nicht losgelassen und ich hätte es keine Minute länger allein in meinem Bett ausgehalten. Bill schläft offenbar noch und ich weiß nicht, wem ich dafür danken soll. „Vielleicht werd ich krank“, gebe ich zu Protokoll. „Du siehst auch nicht gut aus, Tom. Solche Augenringe hattest du noch nie. Meinst du nicht, ihr habt zu viele Termine?“ Besorgt legt sie den Kopf schief und ich würde ihr so gerne ihre Sorgen abnehmen, es ist unglaublich gemein, ihr nicht die Wahrheit sagen zu können. „Nein, ist schon gut. Wir haben es doch so gewollt“, seufze ich und kann nicht verhindern, dass es sich nach Überforderung anhört. Aber ich bin nicht wegen unseren Terminen überfordert, sondern meine Überforderung heißt schlicht und ergreifend Bill. Vier kleine niedliche Buchstaben, die mir alles bedeuten und mich an meine Grenzen und darüber hinaus treiben.
„Du wirkst aber so verwirrt Tom, als würdest du völlig neben dir stehen – ich mach mir wirklich Sorgen um dich“, redet meine Mutter weiter und ich kann ihrem Blick nicht länger standhalten. „Tom?“ hakt sie nach, greift quer über den Tisch nach meiner Hand und plötzlich bin ich ganz ruhig und gefasst. „Das musst du nicht, vertrau mir. Bill und ich haben uns gestritten, aber es ist schon wieder alles okay und ich glaub, wir sind uns nur auf die Nerven gefallen, weil wir kaum Freiraum für uns selbst hatten in der letzten Zeit, verstehst du?“ Meine Stimme ist klar, deutlich und fest – und es wirkt. Meine Mutter nickt und lächelt verständnisvoll. „Aber wenn etwas ist, dann kannst du jederzeit zu mir kommen, das weißt du hoffentlich?“ wiederholt sie, was ich sowieso schon immer wusste. Unweigerlich muss ich schmunzeln. „Natürlich, Mum“ beruhige ich sie. „Okay. Ich muss jetzt los, ich hab einen Arzttermin, den ich nicht verschieden konnte“, sagt sie und erhebt sich von ihrem Stuhl. Ich nicke nur stumm und bin froh, dass ich das hier und jetzt nicht ausdiskutieren muss. „Ist nicht schlimm. Wir sind ja nachher immer noch da“, lächle ich. Meine Mutter quittiert meine Bemühungen, lustig zu sein, mit einem leichten Kopfschütteln und fünf Minuten später höre ich die Haustür klappen.
Wieder bin ich allein mit meinen Gedanken und ich sehe dem Kaffee zu, wie er kalt und kälter wird. Ich bin so müde, aber ich weiß, dass es sinnlos ist, sich noch einmal ins Bett zu legen. Statt dessen schlurfe ich jetzt gemächlich ins Wohnzimmer und lasse mich dort auf die ausladende Couch fallen. Müde lehne ich meinen Kopf an und wie von selbst gleitet mein Blick verträumt aus dem Fenster in den Garten. Dort haben Bill und ich immer als Kinder gespielt und nichts hat damals zwischen uns gestanden. Wann hat die Veränderung begonnen? Ich kann es nicht mehr sagen. Wir können kein normales Leben mehr führen, vielleicht klammere ich mich deswegen so sehr an ihn. An den Menschen, der mich bisher immer besser verstanden hat als ich mich selbst. Und plötzlich ist alles anders geworden.
Ein Rumoren auf der Treppe lässt mich aus meinen Träumereien erwachen. Schlagartig kehrt die innere Anspannung zurück, denn es kann nur Bill sein, der aufgestanden ist. Und tatsächlich dauert es nicht lange, bis er sich bemerkbar macht. „Ist schon jemand wach?“ ruft er durch den Flur, aber ich bin nicht fähig, zu antworten. Schweigend höre ich zu, wie er in die Küche geht und dort hantiert und leise mit sich selbst redet. Verstehen kann ich nichts von seinem Gemurmel, aber ich sitze immer noch wie versteinert auf meinem Platz, als sich sein schwarzer Haarschopf irgendwann ins Wohnzimmer schiebt. Verwundert hält er inne. „Tom? Was machst du denn da?“ fragt er mich argwöhnisch. „Sitzen“, kommt es knapp aus meinem Mund.
Bill missachtet meine Bemerkung und setzt sich neben mich. Meine Anspannung droht zu explodieren. „Und wo ist Mum?“ will er als nächstes wissen. „Beim Arzt“, antworte ich genau so kurz angebunden wie eben. „Ich will heute auf jeden Fall noch mal mit Andi sprechen“, übergeht Bill meine Ironie in der Stimme erneut. „So, willst du das...“, gebe ich von mir, als würde mich das Ganze gar nichts angehen. „Ja, das will ich. Wir müssen ihm doch erklären, was Sache ist!“ Bill hört sich jetzt leicht genervt an. Und ich weiß nicht warum, aber er macht mich schon wieder aggressiv. Hat er schon vergessen, was letzte Nacht war? War es bedeutungslos für ihn?
„Vielleicht könnten wir zwei vorher erst mal klären, was Sache ist“, verlange ich in bestimmendem Tonfall. Bill reißt überrascht die Augen auf.
„Ich will jetzt von dir wissen, warum du das alles tust. Warum provozierst du mich? Was bezweckst du mit deinen ganzen Spielchen? Warum bist du eifersüchtig? Und warum versuchst du, mich eifersüchtig zu machen? Was sollte das gestern Abend? Ist dir eigentlich klar, dass ich die ganze Nacht nicht schlafen konnte?“ bombardiere ich ihn unbarmherzig mit allem, was mir auf der Seele brennt. Und es ist noch so viel mehr, was ich nicht in Worte fassen kann.
Bills Augen werden größer und größer, aber dann breitet sich ein kleines, listiges Grinsen auf seinem Mund aus. „Gott Tom, meinst du nicht, das sind zu viele Fragen auf einmal am frühen Morgen?“
„Bill!“ knurre ich wütend. Wenn er mich schon wieder nur in ein neues Spielchen zerren will, dann ist er für mich gestorben.
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RE: Hold me thrill me kiss me kill me
in Fanfictions 24.12.2007 23:02von schäfchen • Besucher | 3.541 Beiträge
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Bill wirkt schlagartig ernüchtert, mit anderen Worten, er sieht mich ausnahmsweise mal ernst an. Ich weiß nicht, was der Auslöser war, ob mein Tonfall schärfer ausgefallen ist als sonst, aber ich sehe ihn einmal tief durchatmen und dann zum Sprechen ansetzen. Jetzt werde ich selber wieder nervös, aber ich will endlich Antworten. Und ich finde, ich habe sie mir auch redlich verdient nach all dem Hin und Her.
„Es gibt doch gar nichts mehr zu klären“, murmelt er endlich verhalten. Ich beginne zu lachen. Erst ist es nur ein Glucksen, aber nach und nach artet es in einen ausgewachsenen Lachanfall aus. Ich kann es einfach nicht glauben, dass das alles ist, was er dazu zu sagen hat. „Tom?“ fragt Bill verwirrt und ich beruhige mich langsam aber sicher wieder ein bisschen. „Was ist so lustig?“ löchert er mich weiter, ich versuche mich zusammenzureißen, damit ich ihm antworten kann. Wieder gleitet mein Blick aus dem Fenster. Es hat angefangen zu regnen. Passt doch.
„Bill, könntest du mir einen Gefallen tun?“ Ich ziehe das jetzt durch, koste es, was es wolle. Aus den Augenwinkeln sehe ich ihn nicken. „Ich will, dass du nur ein einziges Mal ehrlich zu mir bist und jetzt mal ausnahmsweise keine Spielchen spielst, okay? Also. Ich warte“, sage ich herausfordernd. „Was willst du denn von mir hören?“ Bill wirft die Hände in die Luft und irgendwie wirkt er plötzlich verunsichert. Diesmal ist es keine Einbildung, ich bin mir sicher. „Die Wahrheit“, erwidere ich knapp und fest, lasse ihn nicht mehr aus den Augen und das Gefühl verstärkt sich immer mehr. Er IST verunsichert.
„Im Moment fühle ich mich, als hätte mir jemand mein Lieblingsmatchboxauto weggenommen“, jammert Bill. „Mehr ist es also nicht“, stelle ich fest, aber ich habe eher mit mir selbst gesprochen. „Wie, mehr?“ fragt Bill trotzdem. „Du hast mich grade mit einem Spielzeug verglichen!“ brause ich auf und er schaut ertappt auf den Fußboden. „Was hast du denn gedacht, Tom? Du bist mein Bruder. Mein Zwillingsbruder. Es hat mir Spaß gemacht, aber jetzt ist es vorbei und ich muss wohl damit leben“, nuschelt er, ohne mich dabei anzusehen. Seine Worte treffen mich nicht, denn ich habe die Lüge dahinter erkannt. Warum ist mir das nicht viel eher aufgefallen? Es ist purer Selbstschutz, was er hier betreibt. „Mehr hast du dazu nicht zu sagen? Und wenn ich nun nicht dein Bruder wäre?“ Ich kann mir die Frage nicht verkneifen und endlich sieht er mich wieder an. Entsetzen flackert kurz in seinen Augen auf, doch schon Sekundenbruchteile später hat er sich wieder unter Kontrolle. „Die Frage stellt sich nicht, Tom“, bekomme ich als Antwort.
„Du hast also keinerlei Gefühle für mich? Du bist nur zum Spaß eifersüchtig und versuchst mich auch nur zum Spaß eifersüchtig zu machen? Und jetzt ist der Spaß eben vorbei? Wen willst du eigentlich verarschen, Bill?“ Ich bin ganz ruhig. Mein Herz stolpert zwar unregelmäßig vor sich hin, aber nach außen bin ich die Ruhe selbst. Als hätten wir die Rollen getauscht. „Warum fängst du ausgerechnet jetzt damit an? Was soll das denn noch?“ will Bill wissen, seine Stimme zittert leicht. Aber ich werde jetzt nicht nachgeben. Auch wenn es sowieso nichts mehr bringt.
„Soll ich dir mal zeigen wie das geht? Du hast mir so viel gezeigt die letzten Monate, Bill, jetzt bin ich zur Abwechslung mal dran, meinst du nicht auch?“ Sich mächtig zu fühlen, beginnt mir zu gefallen, es ist ungewohnt, aber es hat was. Und auch wenn ich jetzt kurz davor bin, eine ganz große Dummheit zu begehen, ich kann nicht mehr zurück. Es ändert nichts mehr.
„Was meinst du damit?“ Bills Versuch, seiner Stimme einen festen Klang zu geben, ist nur von mäßigem Erfolg gekrönt und das macht den nächsten Schritt noch leichter für mich. Wahrscheinlich der größte Fehler meines Lebens, aber es spielt keine Rolle für mich in diesem Augenblick. „Ich mach es dir vor, Bill, dann musst du es nur noch nachmachen. Ich lege jetzt ein Geständnis ab. Vielleicht hätte ich schon viel früher mutig genug sein sollen, dann hättest du mich vielleicht nicht so sehr gequält, aber das kann ich nicht mehr rückgängig machen.“ Ich lege eine kunstvolle Pause ein, sehe fast andächtig zu, wie sich Bills Nasenflügel vor Anspannung blähen und irgendwie tut es mir jetzt schon gut, dieses Mal der Überlegene zu sein.
„Ich liebe dich.“
Point of no return. Das was ich gestern schon Andi gestanden habe, tragen nun kleine Schallwellen hinüber zu dem Wesen, dem ich es niemals sagen wollte. Bill.
Bill, der geschockt die Augen schließt und eine unheimliche Stille entstehen lässt. Vielleicht war es die falsche Entscheidung, aber die Erleichterung, die jetzt meinen Körper durchflutet, macht alle Zweifel unbedeutend.
Wir haben schon vor langen Monaten alles zerstört, nur noch Trümmer sind übrig von unserer früheren „Beziehung“ – was soll jetzt noch passieren?
Und ich muss gar nicht laut hören, was er denkt, denn es ist mir schon klar, seit er dieses Zimmer betreten hat. Doch es ändert nichts.
Langsam wende ich mich zum Gehen, ich habe das dringende Bedürfnis, mich in mein Bett zu legen und stundenlang die Wand anzustarren, damit ich begreife, was hier eben geschehen ist.
„Warte, bitte... warte Tom“, hält mich seine Stimme zurück. Irgendwie berührt es mich, wie er meinen Namen ausgesprochen hat. Ich halte inne und warte ab. Sehe, wie er sich um Worte bemüht und es kommt mir vor, als würde ich träumen. Aber von einer Sekunde auf die andere funktioniert unsere Zwillingsverbindung wieder und ich kann fühlen, wie sehr ich ihn in Aufruhr versetzt habe. „Warum sagst du mir das erst jetzt?“ flüstert Bill. „Du kennst die Antwort“, kommt es wie automatisch aus meinem Mund. „Glaubst du denn, für mich war das einfacher? Ich konnte damit umgehen, so lange alles nur ein Spiel war, so lange es Affären-Charakter hatte, so lange wir uns mit diesen beschissenen Wetten ablenken konnten und so lange es andere außer dir gab. Und außerdem hast du deine Gefühle verdammt gut versteckt, Tom. Meinst du, ich kann hellsehen?“ Er sieht so verzweifelt aus, dass ich ihn am liebsten in die Arme schließen würde, aber allein der Gedanke an die letzten qualvollen Monate verbieten mir diese Reaktion. „Hast du auch nur die leiseste Ahnung, wie verletzt ich war? Aber du dachtest, geh ich doch den einfachen Weg, mach ich meinen Bruder ein bisschen scharf und weil es noch tausend andere nebenher gibt, ist das ja alles halb so wild, ja? Nur damit es dir besser geht, damit du ein reines Gewissen hast und was mit mir ist, war dir völlig egal“,“ sprudelt es aus mir heraus, aber ich klinge merkwürdigerweise kein bisschen vorwurfsvoll. Im Gegensatz zu Bill bin ich immer noch ruhig. Eine merkwürdige Ruhe, aber immerhin Ruhe.
„Nein, du warst mir nie egal, Tom. Es tut mir leid“, wispert Bill. „Das muss es nicht – nicht mehr. Ich kann ja auch nicht hellsehen“, erwidere ich.
„Woher weißt du dann, dass es mir ebenso geht?“ Eine berechtigte Frage. „Du warst so verunsichert eben“, murmele ich schließlich langsam. „Natürlich war ich das – du hast es Andi erzählt, Tom. Und Mum hat auch schon Lunte gerochen. Wir können keine Beziehung führen. Wir sind Zwillinge... das... das geht einfach nicht. Die Band... die Leute... David... Mum...“ Bill rauft sich die Haare während seines Ausbruchs, und ich bekomme inzwischen das Gefühl, neben mir zu stehen und uns nur zuzuschauen als wäre ich völlig unbeteiligt an dem Ganzen. Das ist alles viel zu irreal, als dass ich es verstehen könnte.
„Ich weiß – und außerdem ist es sowieso zu spät“, gebe ich endlich mit einer Stimme von mir, die unmöglich meine eigene sein kann. „Zu spät?“ höre ich Bill wie aus weiter Entfernung fragen. „Ja. Selbst wenn du wolltest, Bill… du hast mich die ganze Zeit angelogen. Noch nie hat mir jemand so weh getan wie du. Und ich weiß nicht, ob ich das vergessen kann“, mache ich einen hilflosen Versuch, meine verwirrten Emotionen zu erklären. „Du hast es mir ebenso wenig gesagt, Tom“, wirft Bill ein und er wirkt gerade genau so verletzt wie ich. „Ich dachte, ich kann mich ablenken mit diesen Wetten, mit den ganzen anderen unbedeutenden Weibern und Kerlen… ich dachte, es geht wieder weg, wenn ich nur fest genug daran glaube“, redet er weiter und ich hätte niemals gedacht, dass ich solche Worte einmal aus seinem Mund hören werde.
Er tut mir leid. Aber trotzdem kann ich ihm nicht helfen.
„Ich geh wieder in mein Zimmer“, teile ich ihm mit und er macht keine weiteren Anstalten, mich aufzuhalten. So finde ich mich ein paar Minuten später in meinen so vertrauten vier Wänden wieder. Das Bedürfnis nach Flucht war zu übermächtig und ich musste ihm einfach nachgeben. Nachdenklich starre ich aus dem Fenster. Ich bin zu nichts fähig – ich kann weder Freue noch Trauer empfinden.
So oder so, egal, wie ich es drehe und wende... wir haben alles zerstört und ich bin einfach nur noch leer, wie eine ausgebrannte Hülle.
Und es fühlt sich nicht besser an, nur weil ich jetzt die Bestätigung habe, dass es Bill ebenso geht wie mir.
* * *

RE: Hold me thrill me kiss me kill me
in Fanfictions 24.12.2007 23:05von schäfchen • Besucher | 3.541 Beiträge
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„Du siehst immer noch kaputt aus, Tom“, reißt mich die Stimme meiner Mutter aus meinen Gedanken. Wir sitzen hier notgedrungen an einem Tisch, irgendwann musste ich den Schutz meines Zimmers wieder verlassen. Ich bringe nur ein müdes Lächeln zustande. Sie hat ja Recht, aber ich muss mich jetzt dringend zusammenreißen, damit sie nicht noch mehr Verdacht schöpft als ohnehin schon. „Und du hast auch schon mal entspannter ausgesehen“, wendet sie sich jetzt an Bill. Er sieht aus, als würde er gleich mit dem Kopf in seinen Teller fallen. Ich weiß gar nicht, wie ich das aushalte, hier beim Essen zu sitzen und es doch einigermaßen so aussehen zu lassen, als sei alles in bester Ordnung.
Bill zuckt kurz zusammen, hebt dann aber den Blick und sieht unsere Mutter fest an. „Ich hab bloß keinen Hunger, das ist alles“, redet er sich raus und am liebsten würde ich ihn am Arm packen und hier weg zerren. Warum müssen wir so verlogen gegenüber unserer Mutter sein? Der einzige Lichtblick im momentanen Dunkel ist Andi, zu dem ich in einer halben Stunde aufbrechen kann. „Ihr werdet mir eh nicht sagen, was euch bedrückt, hab ich Recht?“ Eine rein rhetorische Frage von Mum, denn sie redet sofort weiter, ohne auch nur den Hauch einer Antwort abzuwarten. „Und? Was habt ihr heute noch so vor?“ Ein forschender Blick in die Runde folgt und ich bin froh, dass ich gleich flüchten kann. „Ich verschwinde gleich zu Andi“, sage ich hastig. „Kommst du mit?“ Ich weiß schon jetzt, was Bill erwidern wird, aber irgendwie muss ich mich ja zumindest ansatzweise normal verhalten. Oder so, wie es von mir erwartet wird. Wie soll das bloß nächste Woche werden, wenn wir wieder mit der Band unterwegs sind? Ich mag gar nicht daran denken.
„Nee Tom, lass mal. Ich leg mich gleich wieder hin, ich hab Kopfschmerzen”, brabbelt Bill. Kann er bitte umgehend aufhören, so niedlich in seinem Essen rumzustochern? „Kopfschmerzen? Ihr macht mir auch langsam Kopfschmerzen“, nörgelt Mum und irgendwie hört es sich nicht an, als hätte sie einen Scherz gemacht. „Mum, könntest du bitte aufhören, dir unnötige Sorgen zu machen? Wir sind doch keine Kinder mehr“, fährt Bill aus der Haut. „Ja, eben“, kommt es prompt zurück und während ich noch überlege, was das nun wieder bedeuten soll, ist Bill schon aufgesprungen und hat den Raum verlassen. „Was ist bloß bei euch los? Ich blick nicht mehr durch“, geht sie dafür jetzt auf mich los. „Es ist gar nichts los, wie oft denn noch? Lass uns doch auch mal ein bisschen Ruhe, dann beruhigt sich das auch wieder“, antworte ich lauter als geplant. Und bevor ich noch mehr in Bedrängnis gerate, verkrümele ich mich schnellstens vom Tisch mit der Ausrede, dass Andi schon auf mich wartet.
Ich glaube, Mum ahnt nicht mal, wie gerne ich mich wie ein Kleinkind in ihre Arme werfen würde. Aber das geht nun mal nicht. Seufzend mache ich mich auf den Weg in mein Zimmer, um meine Sachen zusammen zu suchen.
* * *
„Hey“, begrüße ich meinen besten Freund schüchtern. Ich kann noch nicht so wirklich einschätzen, wie er mir jetzt gegenüber treten wird. Immerhin hab ich ihm gestern den wahrscheinlich größten Schock seines Lebens verpasst. Und den zweiten gleich hinterher. „Hey Tom. Setz dich doch“, meint Andi und deutet auf sein Bett. Ich gehorche stumm und würde am liebsten diese merkwürdige Spannung wegzaubern. Im Moment ist es egal, wo ich hinkomme, überall herrscht diese furchtbare Anspannung.
„Hast du Bill nicht mitgebracht?“ will er wissen, kaum dass er es sich mir gegenüber bequem gemacht hat. Mir bleibt nur Kraft, um den Kopf zu schütteln. Ich hätte auch gar nicht gewollt, dass Bill mitkommt. „Ist vielleicht besser so“, sinniert Andi. „Ja, vielleicht... Andi? Ich fühl mich unwohl“, rutscht mir unbedacht raus, aber es ist nun mal die Wahrheit. „Kann ich verstehen. Aber wenn du meinst, ich will jetzt nichts mehr mit dir, beziehungsweise mit euch, zu tun haben, dann muss ich dich leider enttäuschen“, sagt er mit einem kleinen Grinsen. Irgendwie bin ich jetzt grade unheimlich erleichtert.
„Wobei ich das immer noch nicht verstehe. Wie kann man sich denn in seinen eigenen Bruder verlieben?“ Andi beobachtet mich aufmerksam und ich rutsche unbehaglich hin und her. „Ich weiß es doch selbst nicht. Wir hängen halt ständig aufeinander... also nicht im zweideutigen Sinne... aber wir sehen uns eben jeden Tag, weißt du?“ bringe ich schließlich heraus. Es ist nur der Versuch einer Erklärung von etwas, das man nicht erklären kann.
Ob ich Andi sagen soll, dass ich gar nicht so allein bin mit meinen Gefühlen wie ich bisher dachte? Nein. Ich glaube, einen weiteren Schock innerhalb so kurzer Zeit verkraftet der Arme nicht. Außerdem macht er sich dann nur wieder Gedanken, die sowieso sinnlos sind. Und ich muss ihn ja nicht noch zusätzlich belasten. Es reicht vollkommen, wenn meine eigenen Nerven überstrapaziert sind. „Und ihr hattet wirklich... ich meine... ihr... ähm...“, stottert Andi herum und ich spüre förmlich, wie ich blass werde. Eigentlich möchte ich dieses Thema nicht wirklich ausweiten.
„... eine Affäre. Ja, Andi, die hatten wir. Die Betonung liegt auf hatten“, beende ich trotzdem seinen Satz. „Du hast mich damit echt geschockt, Tom“, gibt er unumwunden zu. „Verständlich“, kommentiere ich. „Und du bist dir sicher, dass Bill nicht... also...“, beginnt er wieder rumzudrucksen. „Nein. Können wir es jetzt dabei belassen?“ Diese Fragerei gefällt mir gar nicht, obwohl ich Andis Neugierde nachvollziehen kann. Und doch wird es nicht besser, wenn ich ihm jetzt plötzlich erzähle, dass Bill mich auch... „Was ist daran zum Grinsen, Tom?“ Mein offensichtlich freudiges Gesicht fällt wieder in sich zusammen. „Nichts“, sage ich schnell. Zu schnell. Bill hätte es sofort gemerkt. Andi runzelt lediglich die Stirn, bevor er die nächste Frage auf mich loslässt. „Und wie soll es jetzt weitergehen?“
Mir ist gleichzeitig nach Schreien, Lachen und Weinen zumute. „Wie soll es schon weitergehen? Nächste Woche sind wir wieder mit der Band unterwegs und der Alltag hat uns wieder“, erkläre ich nach einer kurzen Pause in möglichst neutralem Tonfall. Wem genau ich hier eigentlich was vormachen will, weiß ich selbst nicht zu sagen. „Und wenn Bill sich jetzt beispielsweise in jemand anders verliebt?“ Andi lässt nicht locker und wenn ich ehrlich bin, wäre ich an seiner Stelle, würde ich nicht anders handeln. „Dann ist es eben so.“ Was gleichgültig klingen sollte, fördert eher meine tiefste Verzweiflung zutage.
„Tom... wenn du vielleicht offen zu ihm bist, dann...“ fängt Andi wieder an, aber ich schneide ihm brüsk das Wort ab. „Was dann? Willst du mir ernsthaft eine Beziehung mit meinem Bruder vorschlagen oder was?“ rufe ich unbeherrscht. „Nein“, sagt Andi entsetzt, „... aber...“ „Es gibt kein Aber. Können wir jetzt endlich das Thema wechseln bitte?“ Ich flehe. Gott, ich flehe wirklich. Bill weiß doch schon längst Bescheid. Aber das kann ich Andi unmöglich auch noch aufladen.
Und trotzdem ist mir klar, dass sich die Gedanken an Bill niemals verjagen lassen werden, so sehr ich mich auch darum bemühe. „Soll ich mal mit ihm reden?“ Diese Frage bringt mich jetzt dazu, aufzuspringen und hilflos im Zimmer hin und her zu rennen. „Untersteh dich! Andi, das ist keine Kleinigkeit, über die wir hier sprechen, okay? Und es ist alles so schon schlimm genug, ich komm schon damit klar!“ rege ich mich auf. „Das seh ich“, erwidert Andi trocken. Seine Ironie in der Stimme hab ich mir bestimmt nur eingebildet.
„Andi, hallo? Geht’s dir noch gut im Oberstübchen? Was willst du denn eigentlich von mir?“ Ich kann mich nicht zusammenreißen, meine Stimme ist lauter, als notwendig. „Ich weiß nicht, Tom. Aber Bill sieht genau so wenig glücklich aus wie du. Und ich will euch doch glücklich sehen, verstehst du?“ versucht er mir zu erklären. Die Worte kommen bei mir an, aber ihren Sinn kann ich nicht begreifen. „Man kann halt nicht immer glücklich sein“, ist alles, was mir im Augenblick dazu einfällt. „Aber ihr habt euch doch sonst immer alles erzählt, euch blind verstanden... und ich kann mir nicht vorstellen, dass Bill einfach so aus Jux und Dollerei mit dir... äh... ja...also...“ Andi unterbricht seinen Wortschwall, um einer niedlichen Rotfärbung in seinem Gesicht Platz zu machen. Wenn es nicht so ernst wäre, würde ich vor Lachen am Boden liegen.
„Andi, ich will nicht mehr drüber reden okay?“ sage ich bestimmend. Er überlegt kurz, und nickt dann. Ich glaube, das letzte Wort ist hier noch nicht gefallen, aber zumindest vorerst gibt er sich damit zufrieden.
* * *
„Shit, wie spät isses denn eigentlich?“ Ich kann mich ja nicht mal mehr vernünftig artikulieren, also ist es bestimmt später als spät. „Isch weiß nich... Tom?“ lallt Andi und ich frage mich gerade, ob es eine gute Idee von uns war, uns jetzt abzuschießen, nur weil wir der Situation sonst nicht Herr geworden wären. Ich werde noch zum Alkoholiker, wenn das so weiter geht. „Hm..“, brumme ich unwillig. Ich hab absolut keinen Bock, aus meinem Delirium aufzuwachen, es war gerade alles so leicht und fröhlich, und mir ist erst jetzt bewusst geworden, dass ich ja auch irgendwann mal wieder nach Hause muss.
„Aaalso... Tom... entweder du bleibst ähm... hier... oder ich ruf ein Taxiii“, kichert Andi albern. Oh Gott. Ich bin so blöd. Ich stürze meinen besten Freund gleich mit in die Trunkenheit. Und es scheint ihm noch schlechter zu bekommen als mir. „Isch kann nischt hier bleiben“, nöle ich. Denn wenn ich hier bleibe, bin ich wieder in Erklärungsnöten bei Mum. Kann ich nicht brauchen im Moment. „Isch ruf mir selber ein... äh... Taxi“, stammele ich unbeholfen und wundere mich erst im Nachhinein, wie schnell ich mein Handy gezückt hab.
Kurze Zeit später stehen wir vor Andis Haustür. Aus einer Laune heraus falle ich ihm ungestüm um den Hals. „Du bist der beste Freund, den man sich wünschen kann“, flüstere ich, diesmal ganz ohne Lallen. Der Gedanke an zu Hause hat schlagartig mein Gehirn ernüchtert. Das muss es sein.
„Du auch Tom...“, fängt Andi an, aber er spricht den Satz nicht zu Ende. Muss er auch nicht, ich weiß auch so, was er mir sagen will.
* * *
Gott sei Dank sind keine Leute in der Nähe unserer Haustür in Sicht. Ein Fanauflauf wäre doch genau das, was ich jetzt bräuchte. Einmal tief durchatmend krame ich nach meinem Schlüssel. Drinnen ist alles dunkel und still. Was hab ich auch erwartet? Ich bin erwachsen und meine Mutter inzwischen dran gewöhnt, dass ich oft nicht nach Hause komme. Warum sollte sie auf mich warten? Ein bisschen enttäuscht es mich trotzdem insgeheim.
Langsam und vorsichtig und vor allem leise latsche ich die Treppen nach oben. Vor Bills Zimmertür stoppe ich wie automatisch. Alles ruhig. Er schläft bestimmt schon. Ich widerstehe dem Drang, ihn anzuschmachten, während er nichtsahnend im Bett liegt. Das tut uns beiden nicht gut.
Vor mich hin grübelnd bringe ich schnellstens mein Badprogramm hinter mich und meine Zimmertür verursacht ein merkwürdig lautes Geräusch in all der Stille, als ich sie hinter mir schließe. Dann liege ich endlich in meine Bettecke eingekuschelt. Ich fühle mich nicht mal mehr halb so betrunken wie vorhin noch. Andis Anwesenheit hat mir so gut getan und zumindest die letzten Stunden auch wunderbar abgelenkt. Jetzt kommt alles mit voller Wucht zurück und ich drehe mich Ewigkeiten hin und her, bis mich endlich der Schlaf übermannt.
* * *
Wieder träume ich seltsames Zeug. Plötzlich liegt jemand hinter mir, schlingt einen Arm um meinen Bauch und schnurrt mir wohlig in den Nacken. Es riecht nach Bill.
Und einzig und allein die Tatsache, dass ich träumen muss, lässt mich liegen bleiben und genießen. „Darf ich bleiben?“ wispert seine Stimme in die Nacht. „In meinen Träumen darfst du alles“, flüstere ich zurück. „Dann treffen wir uns nur noch in deinen Träumen“, murmelt es an meinem Hals. Ich seufze zustimmend im Schlaf, während mich die kleinen Kreise, die von zarten Fingern auf meiner Brust gemalt werden, wieder einlullen. Von mir aus könnte ich jede Nacht so träumen.
* * *

RE: Hold me thrill me kiss me kill me
in Fanfictions 24.12.2007 23:09von schäfchen • Besucher | 3.541 Beiträge
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Ein fieser kleiner Sonnenstrahl ist es, der mich am nächsten Morgen ungewöhnlich früh aus dem Schlaf kitzelt. Ich war ja auch so doof und hab die Rolläden nicht herunter gelassen. So doof, oder so betrunken. Kommt im Endeffekt aufs Selbe raus.
Auf jeden Fall bin ich jetzt wach, stöhne zuerst genervt, strecke mich dann aber erst mal genüsslich und denke an den wundervollen Traum von letzter Nacht. Warum ist mein reales Leben nicht so einfach, so unbeschwert, dafür aber um so komplizierter?
Gerade als mir auffällt, dass es hier drin immer noch intensiv nach Bill riecht, ertönt hinter mir ein leises Schnarchen. Innerhalb von Sekundenbruchteilen sitze ich senkrecht im Bett. Allerdings fahnde ich dann im Zeitlupentempo nach der Geräuschquelle, als könnte ich die Wahrheit, die ich in diesem Moment schon weiß, dadurch noch ein bisschen länger hinauszögern oder nicht mehr ganz so wahr erscheinen lassen.
„Oh mein Gott“, entfährt es mir dann ungehemmt. Also habe ich doch nicht geträumt. Oder vielleicht träume ich jetzt im Moment? Oder immer noch? Oder schon wieder? Oh Gott.
Neben mir liegt Bill und schläft, doch offensichtlich habe ich ihn durch meinen nicht gerade leisen Ausruf in seiner Ruhe gestört, denn er zieht erst die Nase kraus und dann einen Flunsch, bevor er sich grummelnd auf die andere Seite dreht und mir damit den Rücken zuwendet. Ich fass es einfach nicht.
„Was tust du hier?“ schnaufe ich entsetzt, und frage mich im gleichen Moment, warum ich mit meinem schlafenden Bruder kommuniziere. Jetzt drehe ich wahrscheinlich endgültig durch, ich kann mich bestimmt bald einweisen lassen.
Wieder höre ich Bill brummeln, dann dreht er sich zurück auf den Rücken und schmatzt leise im Schlaf. Etwas lauter als gut für mich ist, entweicht mir die Atemluft. Das ist jetzt wirklich fast zu viel für meine armen Nerven. Und das am frühen Morgen. Bill sieht das wohl ähnlich, denn er öffnet ganz langsam ein Auge und sieht mich völlig verpeilt an. Mein Herz beginnt zu rasen. „Wasch los?“ fragt er mich verschlafen und wäre die Situation eine andere, spätestens jetzt bei seinem orientierungslosen Anblick und der fast gänzlich fehlenden Artikulation würde ich hemmungslos über ihn herfallen.
Mein Gott, er sieht so extremst niedlich aus, und dass ich ihn praktisch nie so sehe, macht es nicht gerade einfacher, sich zurückzuhalten.
Stumm und wie gelähmt verfolge ich, wie Bill anscheinend nach und nach begreift, wo er sich befindet. Mühsam stemmt er sich hoch, bis er schließlich neben mir sitzt. „Was tust du hier?“ wiederhole ich meine Frage von eben, auch wenn er immer noch nicht wirklich wacher zu sein scheint. „Ich bin eingeschlafen“, erwidert er mit kratziger Stimme. So klingt er normalerweise nur nach dem Sex. Ein kleiner Schauer läuft in rasender Geschwindigkeit über meinen Rücken.
„In MEINEM Bett?“ versuche ich trotzdem wütend zu klingen, obwohl ich nicht mal weiß, ob ich wütend, erfreut oder einfach verwirrt sein soll. Ich weiß nur, dass mein Herz inzwischen Purzelbäume schlägt. Und daran ist ganz allein er schuld.
Bill antwortet nicht, lieber gähnt er ausgiebig hinter vorgehaltener Hand. Selbst das sieht irgendwie noch grazil an ihm aus. Keine Ahnung, wie er das anstellt oder ob es ihm überhaupt bewusst ist. „Ich will nicht, dass du in meinem Bett bist!“ rege ich mich auf, um mich selbst von meinen überschäumenden Emotionen abzulenken. Sonst kann ich für nichts mehr garantieren. „Heute Nacht hast du das aber etwas anders gesehen“, klärt Bill mich auf. Sein Blick ist durchdringend, sein Tonfall provozierend. Allerdings anders provozierend als früher. So provozierend, dass ich am liebsten drauf einsteigen würde. Doch ich werde einen Teufel tun. „Heute Nacht dachte ich ja auch, dass ich träume!“ wettere ich statt dessen drauflos.
Erneut erhalte ich keine Antwort, Bill fixiert mich einfach nur immer noch mit diesem undeutbarem Blick.
„Hab ich das letzte Mal dann auch nicht geträumt?“ fällt mir plötzlich ein, aber eigentlich muss ich diese Frage gar nicht stellen. Natürlich habe ich nicht geträumt. Ich bin so blöd, so naiv, so... „Soll ich lieber gehen?“ reißt Bill mich aus meinen Selbstvorwürfen. `Nein, bleib hier und küss mich`, ruft eine Stimme in meinem Kopf. „Ja“, sage ich laut. Scheiße. Hat er mir jetzt, listig wie er ist, gezeigt, wie schön es sein könnte oder was soll diese ganze Aktion? Aber das würde auch keinen wirklichen Sinn ergeben. Er sieht seltsam enttäuscht aus und streicht sich mit einer schnellen Handbewegung eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht. „Okay. Ich bin schon weg. Tut mir leid, Tom, aber ich hab dich vermisst...und ich wollte eigentlich nur ganz kurz bleiben“, murmelt er leise und ich schließe meine Augen und wünschte, ich würde wirklich träumen. Muss er so was sagen?
„Gott, sag das nicht“, bitte ich ihn. „Warum? Weil du nicht zugeben willst, dass es dir genau so geht, oder warum?“ entrüstet er sich schnaubend, während er aufsteht. Er trägt nur T-Shirt und Boxershorts. Ich hätte meine Augen nicht wieder aufmachen sollen. „Bill, lass diesen Quatsch und verschwinde“, fordere ich, aber meine Stimme zittert und es klingt nicht halb so fordernd, wie ich wollte. Verdammter Mist.
„Weißt du was? Du machst mich grad echt sauer, Tom“, blafft er mich plötzlich aus heiterem Himmel an, die Hände in die Hüften gestemmt und mich mit mittlerweile bösem Blick fixierend. „Wie bitte?“ Ich muss mich irgendwie verhört haben oder so. „Du machst mich total sauer“, wiederholt Bill im gleichen Tonfall, nur sein Blick ist noch eine Spur wütender als eben. „DU kommst nachts in mein Bett geschlichen und ICH mach dich sauer?“ finde ich immer noch verblüfft meine Sprache wieder. „Aber du hast es genau so genossen wie ich und jetzt schickst du mich weg“, macht er seiner Empörung Luft. Das reicht jetzt aber so langsam. Er macht mich gerade ebenfalls etwas aggressiv.
„Das steht doch gar nicht zur Debatte, Bill. Und außerdem hatten wir das doch alles schon... oder hast du deine Meinung etwa geändert?“ frage ich scharf, diesmal sitzt mein Tonfall so, wie ich ihn wollte. „Nein. Aber... ach vergiss es einfach. Ich geh jetzt. Entschuldige den Überfall, wird nicht wieder vorkommen!“ Bill wirft erst resignierend die Hände in die Luft, dann einen letzten Blick auf mich und geht dann schnurstracks auf die Tür zu.
„Warte!“ halte ich ihn in einem Anfall von Entschlossenheit auf. Verwundert bleibt er stehen und mustert dann skeptisch, wie ich aus dem Bett sprinte und viel zu nah vor ihm stehen bleibe. Warum ich das tue, ist mir selber schleierhaft, ich handele einfach ohne nachzudenken.
„Bill, wir müssen uns irgendwie mal einig werden, wie das in Zukunft laufen soll“, fange ich an, nach den richtigen Worten zu suchen. Oder doch eher Ausreden zu erfinden? Oder ist es ganz einfach nur die neueste Methode, ihn länger als nötig in meinem Zimmer festzuhalten? Jedenfalls bin ich mir seiner Nähe mehr als bewusst. „So, müssen wir das?“ Bill zieht eine Augenbraue nach oben. „Ja, verdammt. Oder willst du ewig so weitermachen?“ stelle ich die nächste sinnlose Frage. „Ich kann aber nicht von heute auf morgen so tun, als sei nie was gewesen“, kommt es von Bill zurück. „Und dass du es Andi erzählt hast, gefällt mir auch immer noch nicht“, schiebt er dann gleich hinterher. „Das war mir in dem Moment ziemlich egal, ob dir das gefällt. Um ehrlich zu sein, es war mir scheißegal“, antworte ich schnippisch.
„Hör mal Tom, ich mag mich nicht mit dir streiten“, lenkt mein immer noch wundervoll zerzauster Zwilling ein. Wenn jeder Streit so endet wie der letzte, hätte ich irgendwie gar nichts dagegen einzuwenden... Ich sollte meine letzten paar Gehirnzellen auch noch töten. „Tom? Lässt du mich jetzt endlich raus?“ holt Bill mich zurück in die Realität und ich bemerke erst jetzt, dass ich ihm den Weg nach draußen versperre, so dicht habe ich ihn an die Tür gedrängt.
„Und wenn ich nicht will?“ sprudelt es wie von selbst aus meinem Mund. Seit wann bin ich eigentlich der Provokative? Das passt so gar nicht zu mir. Doch Bill sieht das offensichtlich ein bisschen anders. Mit klopfendem Herzen fliegt mein Blick zwischen seinen Augen und seinen Lippen hin und her. Ein wissendes Grinsen breitet sich auf seinem Mund aus, während gleichzeitig seine Augen eine Nuance dunkler zu werden scheinen. Und noch eine. Und noch eine. Völlig fasziniert von diesem Schauspiel warte ich auf eine Reaktion.
„Dann weiß ich nicht, ob ich mich noch länger beherrschen kann“, raunt er mir nach einer gefühlten Ewigkeit entgegen.

RE: Hold me thrill me kiss me kill me
in Fanfictions 24.12.2007 23:12von schäfchen • Besucher | 3.541 Beiträge
20.
Bills rauchige Stimme und die Bedeutung seiner Worte löst eine Art Kettenreaktion in mir aus. Auf einmal wird mir alles egal. Es ist egal, wo wir sind, es ist egal, ob es falsch ist, was wir tun, es ist auch völlig egal, wer wir sind.
„Wer hat gesagt, dass du dich beherrschen sollst?“ schieße ich meine nächste Frage auf ihn ab, immer noch völlig gefangen genommen von seinem Anblick. Bill grinst noch breiter. Ob es ihm gerade ähnlich geht wie mir? „Was willst du mir denn damit sagen, Tom?“ fragt er mich mit unschuldigem Augenaufschlag. „Ich will damit sagen, dass es mir grad egal ist, ob ich nachher bereue, was ich im Begriff bin zu tun“, nuschele ich mit belegter Stimme, während ich seinem Gesicht immer näher komme. „Und was genau bist du im Begriff zu tun?“ Ich muss schon zugeben, dieses Lolita-Spielchen, gepaart mit seinem hungrigen Blick lässt mich nicht wirklich kalt. Scheiß doch auf Beherrschung, ist der letzte Gedanke, der durch meinen Kopf schießt, bevor ich die verbliebenen Millimeter überbrücke und Bill sanft auf die Lippen küsse.
Er seufzt, umarmt mich fest und kommt mir ohne zu zögern entgegen. Unsere Lippen berühren sich immer wieder, öffnen sich, und Bills Zunge schlängelt sich hindurch. Unterdrückt stöhne ich auf, kralle meine linke Hand in seine seidige Haare. Der Kuss wird immer wilder und leidenschaftlicher, und vor allem Bill immer stürmischer und hungriger, bis meine Knie vor Aufregung anfangen zu zittern. Von Sanftheit ist nicht mehr viel zu spüren.
Bill keucht in den Kuss hinein, greift mit einer Hand an meinen Hintern und fängt an, sich langsam, aber unglaublich intensiv an mir zu reiben. Jetzt bin ich es, der leise in den Kuss stöhnt.
Gott, ich will ihn so sehr...
Plötzlich unterbricht Bill den Kuss und sieht mich lustvoll an. „Kannst du leiser sein als sonst?“ murmelt er mit kratziger Stimme, die auf der Stelle alles in mir zum Vibrieren bringt. Ich kann nicht mehr warten, und ich will mir vor allem jetzt nicht die Kontrolle entreißen lassen.
Wer weiß schon, wann ich das nächste Mal bereit bin, so was wie jetzt und hier ohne Reue zu genießen?
„Falsche Frage, Bill“, erwidere ich grinsend, lasse ihm keine Zeit mehr, seinem Unverständnis Ausdruck zu verleihen und sinke aufreizend langsam vor ihm in die Knie, ohne ihn dabei aus den Augen zu lassen. Sein Anblick ist göttlich, rote Wangen, ein einladend halb offen stehender Mund und fast schwarze Augen, die mich anblitzen. Er hat nie schöner ausgesehen als jetzt in diesem Moment.
Ich kann sehen, dass er etwas sagen will, aber er kommt nicht mehr dazu. „Biiiiiilll! Telefooooon!“ schreit Mum in ohrenbetäubender Lautstärke durchs ganze Haus und wir beide erstarren mitten in der Bewegung. Ein schlechter Film. Das muss ein schlechter Film sein, und wir spielen die Hauptrollen. Während ich immer noch wie gelähmt in meiner Position verharre, hat Bill sich schon wieder halbwegs im Griff, brüllt ein lautstarkes „Momeeeeent!“ zurück und zieht mich mit einem schnellen Griff wieder zurück auf die Füße. Will er jetzt allen ernstes ans Telefon gehen? Aber was soll er auch sonst machen... wenn er nicht reagiert, steht Mum hier gleich auf der Matte.
„Nicht weglaufen“, nuschelt er, schmatzt mir noch einen kleinen Kuss auf den Mund und verschwindet dann fast lautlos aus meinem Zimmer.
Ich begreife erst nach und nach, was hier eben beinahe passiert wäre. Was hat mich nur schon wieder geritten? Meine Erregung war eben schon schlagartig verpufft, aber jetzt macht sie Platz für ein Gemisch aus Enttäuschung und schlechtem Gewissen. Wie konnte ich mich nur so gehen lassen? Und wer verdammt noch mal wagt es eigentlich, ausgerechnet JETZT hier anzurufen? Wie widersprüchlich meine Gedanken sind, ist mir überhaupt nicht bewusst.
Ein paar Minuten stehe ich etwas noch belämmert in der Gegend rum, dann kommt endlich wieder Bewegung in meinen Körper. `Nicht weglaufen`, hallt Bills verführerische Stimme in meinem Kopf nach. Nicht weglaufen? Das kann er nie und nimmer ernst gemeint haben. Wie ferngesteuert suche ich mir Klamotten aus meinem Kleiderschrank zusammen und mache anschließend genau das: Weglaufen.
Ins rettende Badezimmer, unter die rettende Dusche. Kein Mensch ist auf dem Flur zu sehen, weder unsere Mutter, noch Bill. Aber allein die Tatsache, dass sie wach ist, hat mich ernüchtert wie ein Eimer eiskaltes Wasser. Ich kann mich immer noch nicht entscheiden, ob ich froh oder wütend über die Störung sein soll.
* * *
Ich dusche eine Ewigkeit. Den Duschstrahl hab ich so hart eingestellt, dass meine Haut von all den erbarmungslos auf mich herabprasselnden Wassertropfen schon ganz taub geworden ist. Aber das empfinde ich gerade eher als angenehm, denn es überdeckt die ganzen anderen Emotionen, hält meine rasenden Gedanken ein bisschen im Zaum und lässt mich etwas zur Ruhe kommen. Das Wasser stelle ich erst ab, als ich mich beinahe darunter aufgelöst hab. Ich kann kaum noch atmen, der heiße Wasserdampf hat den Spiegel beschlagen und trotzdem lasse ich mich nicht dazu hinreißen, das Fenster zu öffnen. Am liebsten würde ich mich für immer und ewig hier in diesem kleinen Raum einsperren.
Ein lautes Klopfen an der Tür lässt mich, inzwischen angezogen und mir seit ungefähr zehn Minuten die Zähne putzend, zusammenfahren. „Sag mal, bist du ins Klo gefallen?“ ruft meine Mutter. Genervt spucke ich den Schaum ins Waschbecken und sehe endlich ein, dass ich mich hier nicht länger verstecken kann. "Nee, ich komm schon", brumme ich die Tür an, während gleichzeitig mein Herz anfängt zu rasen. Ob Bill immer noch telefoniert? Wohl kaum. Ich hab stundenlang das Bad blockiert. Aber was macht er dann? Hat er genau so ein schlechtes Gewissen wie ich? "Tooohom!" Meine Mutter scheint es eilig zu haben, sie klingt jedenfalls mittlerweile etwas gereizt. "Ja doch!" muffele ich sie an, als ich mich endlich entschließen kann, die verdammte Tür aufzureißen. "Mein Gott, hier kann man ja nicht mal Luft holen!" schimpft sie hinter mir her, aber ich beachte es gar nicht weiter und lasse sie einfach stehen. Ihr stechender Blick in meinem Rücken verfolgt mich, bis die Badezimmertür lautstark wieder ins Schloss fällt.
Mein Weg führt mich nicht in mein Zimmer, sondern die Treppe hinunter direkt in die Küche. Hier ist es unverfänglich. Hoffe ich zumindest. Und ich atme auf, als ich den Raum betrete. Es ist niemand hier drin. Einzig und allein der Kühlschrank brummt vor sich hin. Gedankenverloren gieße ich mir eine Tasse Kaffee ein und starre dann blicklos aus dem Fenster. „Magst du nichts essen?“ Erschrocken fahre ich herum und schüttele dann den Kopf. Meine Mutter runzelt die Stirn. „Tom...“, „Lass gut sein, Mum. Ich hab einfach keinen Hunger“, falle ich ihr ins Wort. Ich hab jetzt keinen Nerv für sinnlose Diskussionen und ich sehe ihr an, dass sie genau darauf aus ist.
„Wo ist denn Bill?“ lenke ich statt dessen schnell ab, dennoch nicht sicher, ob ich die Antwort hören will. „Keine Ahnung, ich denke, der wird wieder oben sein“, vermutet meine Mutter und macht mich mit dieser Aussage schon wieder nervös. Ich muss mit ihm reden.
„Wer war denn am Telefon?“ So viele Fragen am frühen Morgen hab ich glaub ich in meinem ganzen Leben noch nicht gestellt. Und das alles nur, damit ich einer Konfrontation mit meinem Zwilling aus dem Weg gehen kann. „Ein Mädchen... warte mal, ich glaub... Johanna, ja, Johanna, so hieß sie“, sagt meine Mutter. Johanna. Der Name verursacht einen schmerzhaften Stich in meinem Herzen, aber ich bin zu stolz, um mir das anmerken zu lassen.
„Aha“, mache ich möglichst teilnahmslos. „Tom, ist alles in Ordnung mit dir?“ Ich nicke stumm. „Na gut. Ich muss jetzt einkaufen, ich werd euch eine Stunde allein lassen und heute Abend würde ich gern mit euch essen gehen“, redet Mum weiter. „Essen gehen?“ Argwöhnisch hebe ich eine Augenbraue. „Ja, immerhin seid ihr übermorgen schon wieder unterwegs“, erklärt sie und es klingt ein Hauch von Wehmut mit.
Ja, stimmt. Übermorgen geht es schon wieder los, das hatte ich vor lauter Aufregung fast vergessen. „Okay, geh du nur, ich hau mich ein bisschen vor die Glotze“, sage ich leichthin.
Ein paar Minuten später bin ich wieder allein mit meiner Kaffeetasse, die ich inzwischen geleert habe. Aber ich bin nicht allein im Haus, und diese Tatsache lässt mich so langsam immer unruhiger werden. Außerdem geistert schon wieder der Name Johanna durch meinen Kopf. Ich werde jetzt mit ihm reden. Entschlossen knalle ich meine Tasse auf den Tisch und spurte die Treppe nach oben. Bills Zimmertür steht sperrangelweit offen, aber von ihm selbst keine Spur. Scheiße. Will er Versteck spielen oder was soll das? Genervt schnaubend wandere ich weiter zu meinem eigenen Zimmer. Ich steh nicht wirklich drauf, ihn zu suchen. Aber das muss ich auch gar nicht, denn Bill liegt lang ausgestreckt auf meinem Bett, immer noch nur in T-Shirt und Boxershorts.
„Ich hab doch gesagt, du sollst nicht weglaufen“, werde ich begrüßt und schon wieder hat er diesen lasziven Tonfall drauf, der mich ohne Verzögerung in Erregung versetzt. Nur ist sie diesmal gemischt mit einem anderen Gefühl.
„Was wollte sie?“ frage ich schneidend. „Wer?“ fragt er unschuldig, so unschuldig, wie er nun mal gar nicht ist. „Bill verdammt, geh rüber in dein Zimmer, wenn du nicht mit mir reden willst, okay? Ich hab keinen Bock auf den Scheiß!“ raste ich aus. „Vorhin hast du mir aber besser gefallen“, sagt er gespielt beleidigt. „Warum bist du angezogen, Tom?“ schiebt er aber gleich hinterher, bevor ich in einen erneuten Wutanfall ausbrechen kann. „Was soll ich denn machen, wenn du lieber stundenlang telefonierst?“ nöle ich wie ein Kindergartenkind. Mir wird erst klar, dass ich mich damit selber ins Aus geschossen hab, als die Worte schon so ungeplant aus meinem Mund gesprudelt sind. „Ahhh, jetzt kommen wir der Sache langsam näher. Eifersüchtig?“ grinst Bill und jetzt ist er wieder ganz der Alte. Was ist nur in ihn gefahren? Warum führe ich dieses Gespräch überhaupt? Wir waren uns doch einig. Und es geht mich auch gar nichts an, was er mit Johanna oder sonst wem treibt. Trotzdem bekomme ich Magenschmerzen bei dem Gedanken daran.
In mir ist alles in Aufruhr und während ich noch überlege, ob ich einfach den Rückzug antreten soll oder nicht, springt Bill auf die Füße und bleibt nur Zentimeter vor mir stehen. „Tom, ich hab ihr gesagt, dass ich im Moment unabkömmlich bin“, klärt er mich auf, sein Atem steift dabei meine Wangen und es fällt mir von Sekunde zu Sekunde schwerer, einen klaren Gedanken zu fassen. „Das ist mir doch egal, du kannst machen was du willst“, erwidere ich, bemüht, meine kochenden Emotionen unter Kontrolle zu halten. „Es ist dir alles andere als egal. Und soll ich dir mal was sagen Tom? Wir sind hier ganz allein“, raunt Bill, inzwischen berühren seine Lippen beim Sprechen die meinen. Unweigerlich stellen sich meine Nackenhaare auf und ich muss zurückdenken an die Situation vorhin.
„Ich weiß. Aber...“, fange ich trotzdem an zu protestieren, einen Versuch ist es ja wert. „Nein Tom. Wir werden jetzt nicht reden. Das einzige, was ich gleich von dir hören will, ist wie du meinen Namen stöhnst“, fährt er mir über den Mund, ehe er selbigen mit seinen eigenen verschließt. Währenddessen kämpfe ich krampfhaft gegen den drohenden Kontrollverlust an, den seine sündigen Worte in mir auslösen.
Und ich hab den Kampf eigentlich schon längst verloren.
* * *

RE: Hold me thrill me kiss me kill me
in Fanfictions 28.12.2007 12:23von schäfchen • Besucher | 3.541 Beiträge
Jetzt hast du noch mehr zu lesen Erna
21.
„Gott... Tom... hm... hör... verdammt, Tom... hör auf!“ Bills ohnehin schon fester Griff in meine Haare verstärkt sich noch mehr und fast ein bisschen erschrocken lasse ich seine Erregung aus meinem Mund gleiten, um ihn dann von unten herauf anzusehen. Was hat er denn auf einmal? Eben noch konnte es nicht schnell genug gehen und ich hätte auch nichts dagegen einzuwenden, ihn noch ein bisschen länger zu schmecken... Ich habe so lange darauf verzichten müssen und es hatte doch gerade erst begonnen, so richtig Spaß zu machen...
Er schafft es schließlich mit einiger Mühe, mich zurück auf die Beine zu ziehen und gerade will ich etwas sagen, als er mir zuvorkommt.
"Ich will dich, Tom..." raunt er mir verführerisch entgegen. Ein unkontrolliertes Zittern durchläuft meinen Körper, während ich tatenlos zusehe, wie Bill sich rückwärts mit geschmeidigen Bewegungen von mir entfernt und sich auf mein Bett sinken lässt. "Tom", lockt er mich wieder und endlich erwache ich aus meiner Starre, folge seiner Bitte und streife noch im Gehen mein letztes Kleidungsstück ab. "Warum wolltest du, dass ich aufhöre, hm?" frage ich ihn grinsend, während die Matratze unter meinem Gewicht nachgibt. "Weil ich dich spüren will, Tom," erhalte ich als Antwort. Bill zieht mich über sich und ehe ich mich vergewissern kann, ob ich ihn gerade richtig verstanden habe, verbrennt sein heißer Mund meinen Hals, lässt mich seine Zunge verrückt werden. Seine Hände schieben sich ungeduldig in meine Haare, er saugt sich an meinem Hals fest, beißt sanft zu und leckt entschuldigend darüber.
"Bill... hör auf!" Ganz plötzlich schaltet sich mein Verstand wieder ein und ich ziehe ihn energisch von mir weg. "Warum denn?" fragt er unschuldig und beugt sich wieder vor, um sein Werk zu vollenden. Er nimmt meinen Einwand gar nicht ernst. "Hör auf!" fauche ich erneut, setze mich auf und rutsche so weit weg von ihm, dass er mich schließlich irritiert ansieht. "Was soll das?" untermauert er sein Unverständnis, streicht sich mit einer so unwiderstehlichen Geste eine Haarsträhne aus der Stirn, dass ich fast wieder schwach zu werden drohe. Ich versuche krampfhaft, mich zusammenzureißen, bevor ich ihm antworte. "Ich will das nicht, Bill. Nicht so."
Halb wütend, halb fasziniert beobachte ich sein folgendes Mienenspiel. Zu Unglaube mischt sich langsam Enttäuschung und am Ende funkelt er mich aus gefährlich verengten Augen an. "Du willst das nicht? Nicht so?" wiederholt er leise meine Worte und ich nicke stumm. Natürlich war er gerade dabei, mir meinen größten unausgesprochenen Wunschtraum zu erfüllen, aber ich glaube, seine Hintergedanken dabei erkannt zu haben und meine Erregung ist inzwischen wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen. "Eben hast du das noch ganz anders gesehen, Tom. Und außerdem will ich..." "Ich weiß ganz genau, was du willst, Bill", unterbreche ich ihn unwirsch. Ich kann es nicht hören, das hier führt doch alles zu nichts, wir drehen uns im Kreis und hinterher wird es mir noch schlechter gehen.
"Was will ich denn?" reißt mich Bill aus meinen Gedanken. Sein Tonfall ist mehr als provozierend. Mein Blick springt automatisch zurück zu ihm und ich sehe, wie meine Zurückweisung ihn verletzt hat. Und trotzdem - alles erscheint mir auf einmal wie eine Farce, eine riesengroße Lüge und ich überdenke meine nächsten Worte nicht, bevor ich sie ausspreche. "Was du willst Bill? Das kann ich dir sagen. Alles was du willst, ist ein emotionales Schlachtfeld in mir zu hinterlassen, damit du mich danach wieder voll und ganz in deinen Händen hast - so wie früher" schleudere ich ihm entgegen und fast tut mir der Anblick seiner entgleisenden Gesichtszüge leid.
Ich weiß selber nicht, was auf einmal in mich gefahren ist.
"Wenn du das wirklich denkst, sollte ich besser wieder rüber gehen", sagt er nach endlosen Sekunden seltsam gefasst, springt aus dem Bett und sucht in schnellen hektischen Bewegungen seine Sachen zusammen. Ich kann nichts mehr sagen, meine Kehle ist wie zugeschnürt und meine Gedanken beginnen in sich in meinem Kopf zu überschlagen. Habe ich ihm vielleicht doch Unrecht getan? Immerhin hat er mit den gleichen Gefühlen zu kämpfen wie ich und dann sind meine Gedanken eigentlich völlig unlogisch. Oder?
War vielleicht sogar sein "Geständnis" eine Lüge?
Mittlerweile ist Bill wieder in T-Shirt und Boxershorts gehüllt und nur sein zerzauster Haarschopf weist darauf hin, dass wir uns eben nicht nur unterhalten haben. An meiner Zimmertür zögert er kurz, als würde er darauf hoffen, dass ich ihn zurückhalte. Ich kann nicht. Ich kann mich nicht mal bewegen. Und ich kann ihn auch nicht mehr länger ansehen. Mit einem Schnauben reißt er endlich doch die Tür auf und lässt sie geräuschvoll hinter sich ins Schloss fallen.
Merkwürdig betäubt bleibe ich in meinem Bett liegen und starre gedankenverloren an die Decke. Nur kurze Zeit später dröhnt ohrenbetäubende Musik aus dem Zimmer nebenan. Eine typische Reaktion meines Bruders, das hat er früher schon getan, wenn er sich mit Mum oder mir gezofft hat. Ein kleines Grinsen huscht über mein Gesicht, dann werde ich schlagartig wieder ernst. Eigentlich müsste ich jetzt rübergehen und das Ganze ausdiskutieren, eigentlich bin ich das ihm und mir schuldig. Und eigentlich auch nicht.
* * *
Ein Klopfen an der Tür reißt mich nach unbestimmter Zeit aus meinem trancheartigen Zustand. "TOM!" ruft meine Mutter von draußen, sie klingt aufgebracht und anscheinend hat sie mich nicht zum ersten Mal gerufen, denn sie kommt jetzt einfach ungefragt ins Zimmer gestürmt. "Kannst du mir bitte mal erklären, was mit Bill los ist?" redet sie sofort weiter. Ich zucke mit den Achseln, ignoriere den Krach von drüben und gehe auch das Risiko ein, dass meine Mum jeden Augenblick explodieren wird. "Er hat abgeschlossen und solchen Lärm produziert er nur, wenn er Streit mit jemandem hat, das brauche ich dir wohl nicht erklären oder? Also Tom, was ist hier... und warum bist du nackt?" Entsetzt blicke ich meiner Mutter in die Augen, jetzt hat sie endlich meine volle Aufmerksamkeit. "Was?" frage ich intelligent, bevor ich an mir herunterblicke. Berechtigte Frage, immerhin war ich geduscht und angezogen, bevor sie das Haus verlassen hat. Ähm.
"Mir war heiß" rechtfertige ich mich sehr glaubhaft und ziehe die Bettdecke enger an meinen Körper, obwohl es dafür reichtlich spät ist. "Aha. Anscheinend seid ihr alle beide durchgedreht. Ich sag dir eins Tom, wenn du nicht innerhalb von fünf Minuten für Ruhe sorgst, dann vergesse ich mich!" keift sie mich an und verlässt dann ebenso türenschlagend wie vorhin Bill mein Reich.
Scheiße.
Mühevoll rappele ich mich hoch und steige zurück in meine Klamotten. Mum meint das ernst, und ich weiß, dass heute sowieso noch ein Gespräch ansteht, dass sie Erklärungen für das hier haben will. Am Ende wird sie uns noch verbieten, übermorgen wieder auf Achse zu gehen. Verdammt noch mal.
Mit klopfendem Herzen mache ich mich auf den Weg zu Bill. Irgendwie muss ich ihn zur Vernunft bringen, irgendwie müssen wir uns wenigstens annährend normal verhalten und irgendwie muss er das doch auch einsehen...
Kaum habe ich die wenigen Schritte bis zu seinem Zimmer überbrückt, verstummt drinnen die Musik. Gibt es etwa da oben doch eine höhere Macht, die es ausnahmsweise einmal gut mit mir meint? Theoretisch könnte ich jetzt getrost den Rückzug antreten, denn Mum hat ja jetzt, was sie will: Ruhe. Praktisch stehe ich immer noch etwas verloren vor Bills Tür und lausche angestrengt nach drinnen. Was er jetzt wohl treibt?
"Ja, das können wir machen. Ja... warte mal kurz, ich muss nachsehen", höre ich ihn gedämpft sagen, offensichtlich telefoniert er. Während ich noch überlege mit wem, erzählt er schon weiter, raschelt dabei leise mit Papier. "Wir sind in vier Tagen in Köln, ich würde sagen, das trifft sich gut... ja. Okay, ja ich freu mich auch. Bye", beendet er sein Gespräch und ich weiß, dass er dümmlich grinst. Was bitte ist das denn jetzt?
Frustriert schnaubend trotte ich die Treppe nach unten, auch wenn ich lieber sein Zimmer stürmen und ihn durchschütteln würde. Aber das würde Mum bestimmt vollends auf die Palme bringen.
"Habt ihr euch wieder beruhigt?" werde ich von eben dieser begrüßt, als ich die Küche betrete. Ein genervtes Augenrollen unterdrückend, nicke ich stumm. Ich hab mich keineswegs beruhigt, aber diese Tatsache würde sie wiederum beunruhigen, also...
"Tom, was ist los bei euch? Ihr habt doch irgendwas, ihr seid schon die ganze Zeit so merkwürdig, ich bin doch nicht blöd", kommt unweigerlich das, was ich befürchtet hatte. Nein, blöd ist sie wirklich nicht. Warum bin ich nicht wieder in mein Zimmer gegangen? "Bitte Mum, ich hab ein bisschen Streit mit Bill, aber das geht nur ihn und mich was an, okay? Vielleicht brauchen wir einfach mal Urlaub voneinander", erwidere ich betont ruhig. "Urlaub voneinander? So etwas in der Art hab ich dich noch nie sagen hören". Meine Mutter beobachtet stirnrunzelnd jede meiner Reaktionen und ich komme mir vor wie in einem Röntgengerät.
"Können wir das später besprechen? Ich hab Kopfschmerzen", jammere ich leidend. Bevor sie antworten kann, erklingt plötzlich Gepolter auf der Treppe. Bill kommt fröhlich pfeifend in die Küche und ich frage mich allen Ernstes, was er für Drogen genommen haben könnte. "Hi Mum" küsst er unserer Mutter auf die Wange, die ihn jetzt ebenfalls leicht entgeistert ansieht. "Gehts dir gut?" fragt sie sofort nach. "Mir gehts super", grinst Bill, vermeidet es aber, mich anzusehen. Sprachlos verfolge ich dieses kleine Schauspiel. Mein Zwilling hätte vielleicht lieber zum Fernsehen gehen sollen.
"Aber du hast dich doch mit Tom gestritten", wirft Mum jetzt wieder ein. "Was? Wer erzählt denn so einen Quatsch? Wir haben uns doch nicht gestritten, nicht wahr, Bruderherz?" Endlich sieht er mich beifallheischend an. Ich kann es nicht glauben. "Äh...", ist alles, was ich hervorbringe. "Das ist mir jetzt auch alles völlig egal. Ich geh jetzt in die Badewanne. Und heute Abend beim Essen werden wir das mal in Ruhe diskutieren, Jungs, eher lass ich euch hier nicht weg", mischt sich unsere Mutter ein und lässt mich nach einem letzten Kopfschütteln mit Bill in der Küche zurück.
Das kann ja heiter werden...

RE: Hold me thrill me kiss me kill me
in Fanfictions 29.12.2007 03:07von Lowy • Besucher | 28.932 Beiträge
oh man, Tooooooom *Tom für seine Dusseligkeit gerade gern durchschütteln würde* xD
und die Mutter tut mir langsam leid... die Arme, die nichts zu wissen bekommt und nur spürt, dass irgendwie gar nichts in Ordnung ist
Warum Bill jetzt so gute Laune hat, macht mich neugierig
hach... schön, dass du weitergeschrieben hast

RE: Hold me thrill me kiss me kill me
in Fanfictions 02.01.2008 17:30von schäfchen • Besucher | 3.541 Beiträge
22.
Bill und ich starren uns an wie zwei Kampfhähne und kaum ist unsere Mutter außer Hörweite, setze ich zum Sprechen an, aber Bill hebt schnell die Hand. „Lass mich bloß in Ruhe, verstanden?“ zischt er mir böse entgegen, reißt dann den Kühlschrank auf und wühlt demonstrativ langsam darin herum. Auf einmal ist nichts mehr von seiner „guten Laune“ übriggeblieben, doch ich hab nicht die Absicht, mich davon beeindrucken zu lassen, das hat er einfach schon zu oft geschafft. „Du klingst wie eins meiner Groupies, nachdem ich verkündet hab, dass es mit der Hochzeit nächste Woche nichts wird“, gehe ich deshalb zum Angriff über und sehe mit Genugtuung, wie er innehält und sich dann langsam zu mir umdreht.
„Willst du mich etwa als zickig bezeichnen oder wie soll ich das verstehen?“ fragt er mit unverhohlener Abscheu in der Stimme, stemmt die Hände in die Hüften und sieht mit dieser Geste jetzt tatsächlich aus wie eine kleine Diva. „Nicht doch“, sage ich grinsend und frage mich gleichzeitig, wie ich es eigentlich fertig bringe, überhaupt zu grinsen. „Du benimmst dich nur wie ne Diva – ach nein, halt warte... wie ein Divo“, setze ich nach einer kurzen Pause obendrauf. Damit habe ich die Grenze wahrscheinlich überschritten, mal ganz davon abgesehen, dass wir uns beide absolut kindisch benehmen.
Aber ich kann im Moment nicht mehr Lüge von Wahrheit unterscheiden und es hilft mir, den eigenen Schmerz zu überdecken, wenn ich ihn meinerseits verletze.
Bills Reaktion lässt nicht lange auf sich warten. Er schießt einen tödlichen Blick auf mich ab, und rauscht dann schnaubend und hocherhobenen Hauptes aus der Küche. Mit Sicherheit wird er jetzt Pläne schmieden, es mir möglichst effizient heimzuzahlen. Mein Spaß an der Sache verpufft in dem Augenblick, als er den Raum verlassen hat und auch mein spöttisches Grinsen erstirbt urplötzlich auf meinem Gesicht.
* * *
„Bitte sehr“, reißt mich der Kellner aus meinen Gedanken und stellt mir meine Nudeln vor die Nase. Ich hab zwar gar keinen Hunger, nuschele aber trotzdem ein hoffentlich nicht all zu unfreundliches „Danke“, gepaart mit einem minimalen Lächeln. Mein Blick begegnet dem meiner Mutter, die mir gegenüber sitzt. Es wird gleich ein Donnerwetter geben, ich weiß es. Die Stimmung ist geladen, den ganzen Tag schon, und jetzt erst recht, da wir alle zusammen an einem Tisch sitzen, Bill ausgerechnet neben meiner Mutter, so dass ich nur den Blick heben muss, um ihn so auffällig aufgebrezelt vor mir zu sehen wie schon lange nicht mehr. Die ganzen restlichen Stunden hat er sich in seinem Zimmer verschanzt und als wir dann losgefahren sind, hat es mir sprichwörtlich die Sprache verschlagen. „Hast du mal wieder keinen Hunger, Tom?“ Die Stimme meiner Mutter hat deutlich an Schärfe gewonnen und ich bemerke erst jetzt, dass ich lustlos in meinem Essen herumstochere.
Im Gegensatz zu Bill, der sich einen Löffel nach dem anderen in den Mund schiebt. Genervt sehe ich wieder auf meinen Teller und lege die Gabel beiseite. „Nicht wirklich“, lasse ich mich endlich zu einer Antwort herab.
„Dann hast du ja jetzt auch den Mund frei, um mir endlich zu erklären, was hier gespielt wird“, sagt sie immer noch im gleichen Tonfall. „Hier wird gar nichts gespielt“, erwidere ich betont unschuldig.
„Gut. Dann geh ich mal David anrufen und ihm Bescheid sagen, dass er euch morgen Abend nicht abholen muss“, erklärt Mum hoheitsvoll und rückt mit ihrem Stuhl ein Stück zurück, um aufstehen zu können. „Was?“ rufen Bill und ich wie aus einem Mund. „Verarschen kann ich mich alleine“, regt sie sich auf, bleibt aber immer noch sitzen. „Aber es ist doch gar nichts passiert“, schaltet sich nun endlich auch mal Bill ein, allerdings befürchte ich, dass er es damit nur noch schlimmer macht. „Nichts passiert? Ihr schweigt euch den ganzen Tag an, ich sehe euch weder tuscheln noch lachen noch sonst irgendwas gemeinsam machen, ihr geht sogar getrennt zu Andi. Wenn ihr das „nichts passiert“ nennt, müsst ihr mich wirklich für ziemlich naiv halten!“ Entsetzt verfolge ich den Ausbruch meiner Mutter, sie bekommt wirklich weitaus mehr mit, als ich ihr zugetraut hätte. Auch Bill sieht das offensichtlich ein, denn er starrt sie ebenso entgeistert an wie ich. „Aber wir haben doch...“, beginnt er schließlich zu stammeln, wird aber sofort wieder unterbrochen. „Es ist mir scheißegal, was für Konzerte und Interviews ihr habt, das wird alles abgesagt!“ donnert Mum weiter. Um Gottes Willen, in welchen Alptraum bin ich hier nur reingeraten? „Weißt du, was das kosten wird?“ erdreistet sich Bill zu fragen und ich schließe ergeben die Augen. Als ob sie das interessiert. „Das interessiert mich nicht die Bohne, so lass ich euch nicht weg, ich würde ja jede Nacht wach liegen und mir Gedanken machen, ob ihr euch gegenseitig umbringt!“ Sag ich ja...
„Das ist aber jetzt echt übertrieben. Wir sind doch keine Kinder mehr! Tom, sag doch auch mal was“, fordert mich Bill auf, wirft mir einen flehenden Blick unter seinen dramatisch schwarz geschminkten Augen zu und wirkt dabei dennoch leicht überfordert. Ich zucke zusammen, bringe aber keinen Ton über die Lippen. „Wenn ihr keine Kinder mehr seid, dann benehmt euch auch entsprechend“, giftet Mum weiter und steht jetzt endgültig auf. Bill hält sie mit einer schnellen Bewegung am Arm fest, wahrscheinlich hat er begriffen, dass er mit mir im Augenblick nicht rechnen kann. Ich hätte niemals gedacht, dass das solche Konsequenzen nach sich ziehen könnte und ich bin viel zu beschäftigt damit, zu realisieren, dass ich Mum unterschätzt habe.
„Setz dich bitte wieder hin, ich erklär`s dir“, dringt Bills Stimme an mein Ohr und lenkt meine Aufmerksam zurück auf ihn selbst. Auf DIE Erklärung bin ich jetzt ja mal gespannt. Mum anscheinend auch, denn sie lässt sich schnaubend wieder auf ihren Stuhl sinken und sieht uns abwechselnd wütend an. Bill probt den Welpenblick und sie lässt sich tatsächlich davon bezirzen. „Also gut, du hast eine Minute“, stöhnt sie, aber es klingt nicht mal mehr halb so gereizt wie eben noch. Wie schafft er das nur immer? Bill hat eine unfassbare Gabe, die Leute nach seiner Pfeife tanzen zu lassen, egal ob jung oder alt, und die meisten merken es nicht mal. Ich wünschte, ich könnte das auch.
„Also... du hast Recht. Tom und ich verstehen uns nicht besonders gut in letzter Zeit. Aber wir müssen doch auch nicht immer aufeinander hängen“, beginnt Bill zu reden und ich verfluche mal wieder meine Angewohnheit, mir immer alles bildlich vorstellen zu müssen. Was genau meint er mit „aufeinander hängen“?
„Und weiter?“ reißt meine Mutter mich aus der entstehenden Fantasie und ich bin ihr gerade unglaublich dankbar dafür. „Wir haben uns halt gestritten. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir nicht professionell genug sind, um unser Ding durchzuziehen“, sagt Bill und wirft mir einen kurzen Blick zu. Ich nicke eifrig dazu. „Und warum habt ihr euch gestritten? So hab ich euch noch nie erlebt, also kann es ja keine Lappalie sein“, forscht Mum unbeirrt weiter. Sie ist offensichtlich nicht gewillt, sich mit Halbwahrheiten abspeisen zu lassen und irgendwie kann ich es ihr ja nicht mal verdenken.
Jetzt ist es Bill, der genervt schnaubt, sich dann aber doch zusammennimmt. „Es geht um ein Mädchen“, lügt er dreist und ignoriert mein empörtes nach Luft schnappen gekonnt. „Aha“, macht unsere Mutter bedeutungsschwer, als hätte sie so was schon geahnt. „Aber wie gesagt, wir beruhigen uns auch wieder und ich find es absolut unfair, dass du uns deswegen zu Hause festhalten willst. Meinst du, das macht es besser oder einfacher?“ „Genau. Bill hat Recht“, stimme ich ihm zu. Die Vorstellung, noch länger allein mit ihm zu sein, kann ich nicht ertragen. Dann doch lieber wieder unterwegs sein und wenigstens ein bisschen Ablenkung haben. „Ist es diese Johanna?“ will Mum unvermittelt wissen. Mein Entsetzenslaut ist anscheinend Bestätigung genug, denn sie lehnt sich mit einem „Hab ich mir doch gedacht“, in ihrem Stuhl zurück. Na toll.
„Mama, wir wollen nicht weiter drüber reden, okay? Uns geht’s gut und es wird uns noch besser gehen, wenn wir wieder ein bisschen Ablenkung haben, du musst dir wirklich keine Sorgen machen“, spricht Bill meine Gedanken aus. Na ja, nicht ganz, aber doch in etwa. Ist ja auch egal.
„Ich mach mir immer Sorgen“, kommt prompt die Antwort, die weder ich noch Bill hören wollen, da zumindest bin ich mir sicher, auch wenn ich sonst wirklich nicht einschätzen kann, was in seinem Kopf vor sich geht. Außerdem wurde ich gerade nicht unbedingt sanft an Johanna erinnert, was mich die Hände unter der Tischdecke zu Fäusten ballen lässt. Köln. Er hat bestimmt mit Johanna telefoniert. Natürlich. Vielleicht ist es doch besser, Mum sperrt uns zu Hause ein...
„Das musst du aber nicht, stimmt`s Tom?“ Bill wedelt mit der Hand vor meinem Gesicht herum und sieht mich auffordernd an. „Äh ja...“, murmele ich unbeholfen. Bills Blick wird wütend und ich sehe ertappt zurück zu Mum. Die wendet prompt wieder ihren Röntgenblick an, abwechselnd bei Bill und mir, und als sie mich zum vierten Mal durchleuchtet, hab ich das Gefühl, sie könne auf den Grund meiner Seele blicken und springt jeden Moment auf, weil sie zwei so verlogene Söhne hat. „Okay. Aber ihr ruft mich an, wenn es Probleme gibt“, sagt sie statt dessen und mir fällt die Kinnlade auf den Boden. „Klar“, versichert Bill selig grinsend.
Zwei Minuten später verabschiedet sich unsere Mutter auf die Toilette, Bill grinst immer noch selig vor sich hin und ich hab eigentlich noch gar nicht richtig begriffen, wie er das wieder so mühelos geschafft hat.
„Sag: Danke schön, Bill“, verlangt er von mir, als wir allein sind. „Du spinnst wohl“, gifte ich zurück. „Immerhin haben wir es mir zu verdanken, dass wir morgen wieder raus können, also sag: Danke schön“, wiederholt er süffisant grinsend. „Es wäre vielleicht gar nicht so schlecht, wenn wir zu Hause bleiben müssten“, stelle ich resignierend fest und weigere mich zu glauben, dass mich grade rasende Eifersucht überfällt. Ich hab mir bestimmt nur den Magen verdorben. „Hast du den Arsch offen?“ motzt Bill, das Grinsen ist wie weggewischt. „Jetzt wirst du obszön, Brüderchen“, setze ich noch einen oben drauf und genieße seinen für eine Sekunde verwirrten Blick. Dann hat er begriffen und will gerade zu einer Entgegnung ansetzen, als Mum wiederkommt. „Liegt ihr euch schon wieder in den Haaren?“ fragt sie skeptisch. „Quatsch“, wischt Bill ihre Bedenken einfach beiseite und hat wieder einmal Erfolg damit. Ich kann es einfach nicht fassen.
* * *
Ziemlich spät an diesem Abend sitze ich nachdenklich auf meinem Fensterbrett, den Telefonhörer noch in der Hand. Morgen werde ich noch einmal kurz bei Andi vorbeischauen und dann geht es schon wieder los. Einerseits bin ich froh, denn dann sind die anderen dabei und ich laufe durch den Stress nicht Gefahr, allzu viel über unsere verfahrene Situation nachzudenken. Andererseits hat auch diese Tatsache Bill nie davon abgehalten, mich durcheinander zu bringen.


RE: Hold me thrill me kiss me kill me
in Fanfictions 09.01.2008 21:27von schäfchen • Besucher | 3.541 Beiträge
Jetzt hab ich fast vergessen, dass ich weitergeschrieben hab^^
aber es ist nicht viel...
23.
„Ich muss gehen“, stelle ich erschrocken nach einem Blick auf die Uhr fest. Andi und ich haben uns festgequatscht, fast wie in alten Zeiten, an die ich des öfteren wehmütig zurückdenke.
Nur über ein Thema haben wir nicht gesprochen, irgendwie merkt Andi wohl intuitiv, dass mich das im Moment total überfordern würde. „Schon?“ holt er mich in die Wirklichkeit zurück und verfolgt meinen Blick auf die Uhr. „Ja, sorry, aber wir werden in zwei Stunden abgeholt und ich muss noch packen“, fällt mir siedendheiß ein. Mit gemischten Gefühlen stehe ich auf, eigentlich würde ich gern noch bleiben, nicht zurück nach Hause gehen... aber ich habe keine andere Wahl.
„Okay, da kann man nichts machen – die Band geht vor.“ Andi sagt es mit einem Augenzwinkern, aber trotzdem steckt eine kleine Portion Sarkasmus in seinen Worten. „Ich hab dich auch lieb“, schieße ich im gleichen Tonfall zurück. „Mensch Tom, ich mein es ja nicht böse... aber...“ „Ist schon gut. Ich würde auch gern mehr Zeit hier verbringen... und manchmal hätte ich auch gern etwas weniger Stress“, unterbreche ich ihn schnell. Andi nickt und steht dann ebenfalls auf. „Ich hab ne Idee! Nächstes Mal nehmen wir dich einfach mit in den Urlaub“, schlage ich grinsend vor, aber unweigerlich muss ich dabei an Bill denken und werde wieder ernst. „Hast du dich mit Bill mal ausgesprochen?“ übergeht Andi meinen Einwurf und sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Stumm schüttele ich den Kopf. „Ihr müsst das aber irgendwie auf die Reihe kriegen, Tom. Sonst leidet irgendwann die Band darunter“, predigt er weiter. „Ich weiß“, erwidere ich lahm und bin gleichzeitig froh, das Thema jetzt nicht weiter vertiefen zu müssen.
Nach einer relativ kurzen, hektischen Verabschiedung und dem Versprechen, mich möglichst bald bei Andi zu melden, bin ich auf dem Weg zurück nach Hause und bekomme allein bei dem Gedanken schon wieder Magenschmerzen.
* * *
„Du bist aber spät“, werde ich schon im Flur begrüßt. „Gott, Mum“, stöhne ich genervt, verdrehe reichlich übertrieben die Augen und drücke mich dann einfach an ihr vorbei. Ich sehe gar nicht ein, mich jetzt in irgendeiner Form zu rechtfertigen. „Bill ist schon am packen“, ruft sie hinter mir her. „Ich auch“, verkünde ich hoheitsvoll, und setze meinen Weg nach oben im gleichen Tempo fort. Zumindest in Gedanken hab ich schon alle meine Sachen ganz brav und ordentlich in meine Koffer verstaut. Außerdem brauche ich nicht mal halb so viele Klamotten wie mein werter Herr Zwilling, also geht’s auch schneller. So weit die Theorie.
Und ich bin ja wirklich viel von Bill gewohnt, aber der Anblick, der sich mir bietet, als ich an seiner sperrangelweit offenstehenden Zimmertür vorbeilaufe, lässt mich wie angewurzelt stehen bleiben. „Ach du Scheiße“, rutscht es mir unbedacht raus. Bill, im absoluten, vollendeten Chaos versunken, dreht sich erschrocken zu mir um und wirft die zwei T-Shirts, die er in der Hand hält, auch noch auf den vorhandenen Berg aus Hosen, Shirts, Schmuck, und tausend verschiedenen Tiegeln und Töpfchen zu seinen Füßen. Ich korrigiere in Gedanken: JETZT ist das Chaos perfekt.
„Musst du mich so erschrecken?“ blafft er mich an, bevor er angestrengt in seinem Kleiderhaufen zu wühlen beginnt. „Ich muss mich hier konzentrieren“, keift er weiter, während ich immer noch wie paralysiert im Flur stehe und ihn beobachte. „Holla die Waldfee, das glaub ich allerdings auch. Ziehst du um?“, bemerke ich spitz, woraufhin mir Bill wieder seine volle Aufmerksamkeit schenkt. „Willst du jetzt den Rest des Tages blöd da rumstehen und dumme Kommentare abgeben?“ fragt er gereizt und ich kann ihm ansehen, dass nicht mehr viel fehlt, bis er mir an den Hals springt. Oder mir eines seiner Tiegelchen an den Kopf wirft. Am Ende geht er noch mit seiner Mascara auf mich los, aber das ist es mir wert. Irgendwie bekomme ich gerade echt Lust, ihn noch mehr zu ärgern.
„Wenn ich dir irgendwie helfen kann...“, sage ich, allerdings kann ich mir einen gewissen spöttischen Unterton nicht verkneifen. „Ja Tom, du kannst mir helfen“, schnaubt Bill mit inzwischen gefährlich verengten Augenbrauen, „indem du verschwindest!“ „Pfff, hat unsere Diva mal wieder eine ihrer Launen?“ Mit dieser letzten Bemerkung steuere ich hocherhobenen Hauptes mein eigenes Zimmer an. Und ich muss nicht lange auf Bill warten. Keine zwei Sekunden später steht er wie ein Racheengel in meinen vier Wänden und knallt die Tür so wuchtig hinter sich zu, dass es sicherlich auch noch die Nachbarn gehört haben. „Meinst du, das wiegt Mum in Sicherheit, wenn du so einen Lärm veranstaltest?“ will ich unbeeindruckt wissen. So kenne ich mich gar nicht, aber seine Wut lässt mich gerade auf sonderbare Weise kalt.
„Tom!“ knurrt er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Seine Augen sprühen Funken. Unter normalen Umständen würde ich jetzt Angst kriegen, nachgeben, mich entschuldigen, so was in der Art. Aber ich befinde mich noch immer im Ausnahmezustand. „Ja?“ frage ich deshalb betont ruhig, was Bill anscheinend noch mehr in Rage bringt. Ich sehe, wie er das, was er eigentlich sagen will, runterschluckt und statt dessen einen Moment lang überlegt. „Ich wollte nur noch mal was klarstellen, bevor wir nachher fahren. Für mich ist diese ganze Sache zwischen uns jetzt erledigt. Jeder macht sein Ding und fertig. Und wir sind nichts weiter als Geschwister“, sagt er dann langsam. Seine Worte treffen mich, aber das werde ich mir unter keinen Umständen anmerken lassen. „Okay, das seh ich auch so“, ist alles, was ich mit einigermaßen fester Stimme herausbringe.
Ich weiß nicht, womit er gerechnet hat, aber damit jedenfalls nicht. Für eine Sekunde zieht er ein halb überraschtes, halb enttäuschtes Gesicht, hat sich aber erstaunlich schnell wieder im Griff. „Dann bis gleich“, verabschiedet er sich schnell, und schon bin ich wieder allein. Ich ignoriere das stechende Gefühl in meiner Brust, lasse mir keine Zeit zum nachdenken und beschäftige mich erst mal ausgiebig mit meinen Koffern. Gefühlte Ewigkeiten später lasse ich die wortreiche Verabschiedung unserer Mutter über mich ergehen und bin wirklich froh, dass sie nichts mehr zu dem Radau von vorhin gesagt hat. Und dass sie uns überhaupt fahren lässt. Denn das bedeutet Ablenkung. Und die kann ich brauchen. In jeglicher Form.
* * *
Die Freude über unser Wiedersehen ist bei Georg und Gustav ziemlich schnell in tierische Genervtheit umgeschlagen und das liegt nicht zuletzt daran, dass Bill und ich keine Gelegenheit auslassen, um uns kindisch anzupflaumen. Wenn das so weitergeht, sehe ich schwarz.
„Eigentlich wollte ich ja vorschlagen, dass wir zur Feier des Tages heute Abend einen drauf machen, aber ich weiß nicht, ob ich euch so lange ertragen kann“, mokiert sich Georg und reißt mich damit aus meinen düsteren Gedanken. „Was?“ Ich tue absichtlich so, als hätte ich ihn nicht verstanden, um ihn ein bisschen zu triezen. Oder um die Wut auf meinen Zwilling umzulenken. Ach, was weiß ich.
„Tom, ganz ehrlich, ich hab da keinen Bock mehr drauf. Ich dachte, ihr wolltet euch zu Hause aussprechen“, redet er aber unbeirrt weiter. Idiot.
„Haben wir doch. Alles bestens“, widerspreche ich, mache im Gegensatz dazu aber ein Gesicht wie 7 Tage Regenwetter. „Na klar doch, Tom, das glaub ich dir aufs Wort... Was meinst du denn, Gustav?“ schreit Georg durch den Bus. „Ich halt mich da raus“, kommt es in gleicher Lautstärke zurück. Typisch. Nur keine Konflikte, alles eitel Sonnenschein, typisch Gustav eben. Georg schnaubt genervt und ich frage mich zum wiederholten Mal, wo Bill schon wieder abgeblieben ist. Nach unserem letzten Gezanke ist er einfach wortlos verschwunden. „Ich werde mir das jedenfalls nicht mehr länger angucken“, droht Georg nun wieder. „Und was soll das heißen?“ frage ich achselzuckend. Irgendwie kann mich heute nichts mehr schocken, Georg mit seinen leeren Versprechungen am allerwenigsten.
„Da lass ich mir schon was einfallen, Tom, verlass dich drauf. Und das eine sage ich dir...“ nervt er mich weiter und ich stopfe mir schnell meine Kopfhörer in die Ohren, bevor er mir auch das andere sagen kann.

Nur keine Konflikte, alles eitel Sonnenschein, typisch Gustav eben
haha, tom is selber doch auch nicht besser, der geht doch auch allem aus dem weg^^
er soll ma endlich klartext mit bill reden !!!! ^^
schäfchen ich hab manchmal probleme mit deiner wörtlichen rede, hab ich das schon mal gesagt? wenn du einen absatz machen würdest könnte man besser sehen wer was sagt
hach, hier kann ich endlich normal lesen^^
schönes kapitel, auch wenn ja nicht soviel passiert
am schönsten fand ich wei tom zu andy „Ich hab dich auch lieb“ sagt, hach herrlich

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