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Es hat mal wieder eine Weile gedauert, aber nun hab ich es doch endlich geschafft, Deine Geschichte mal weiterzulesen.
Zu kapitel 32 fällt mir nur eins ein: MEHR! *sabber*
Und dann muß ich mich Lowy und Erna anschließen: Der arme Tropf war gut!
Und Gustavs Ausbruch erst...
Soso... Nun lernen wir Johanna also doch noch kennen... Da bin ich ja mal gespannt...

RE: Hold me thrill me kiss me kill me
in Fanfictions 31.03.2008 18:58von schäfchen • Besucher | 3.541 Beiträge
Danke ihr Lieben, und ja, Johanna musste ich natürlich noch mal einbauen xD
es werden jetzt übrigens noch 2 Kapitel nach diesem hier *informier*
35.
Mein inneres Bedürfnis nach Flucht duelliert sich hingebungsvoll mit meinem Hang zum Masochismus, so dass ich einige Sekunden bewegungslos in meiner Position verharre und nicht weiß, was ich als Nächstes tun soll. Die eingetretene Stille um mich herum veranlasst mich schließlich dazu, wenigstens die Augen wieder zu öffnen.
Bill steht immer noch neben mir, hat aber die Tür fest im Griff, so dass Johanna gezwungen ist, draußen stehen zu bleiben. Wobei ich allerdings nicht davon ausgehe, dass sie sich das lange gefallen lassen wird.
„Willst du mich nicht reinlassen?“, fragt sie auch schon prompt, ihr Tonfall unterscheidet sich kaum von Bills, wenn er provozieren will. Am liebsten würde ich ihr an die Gurgel gehen. Aber Bill gibt zu meinem Erstaunen mit einem entnervten Schnauben die Tür frei und jetzt würde ich statt dessen lieber ihm an den Hals springen.
„Was hast du hier zu suchen?“, will mein Bruder wissen. Gott, kann er unfreundlich klingen... Und ich weiß ganz genau, wie er jetzt aussieht, obwohl er neben mir steht und ich sein Gesicht nicht sehen kann.
„Blöde Frage, Bill. Warum hast du dich nicht mehr gemeldet? Wir wollten uns doch sehen, wenn ihr in Köln seid“, erwidert Johanna sichtlich irritiert, während sie geräuschvoll die Tür hinter sich schließt. Kokett wirft sie ihre langen braunen Haare über die Schulter und mustert mich dabei mit einem kurzen abschätzigen Blick. Mehr bin ich ihr anscheinend nicht wert, denn schon hat Bill wieder ihre volle Aufmerksamkeit.
„So, wollten wir das... Ich kann mich leider gar nicht daran erinnern, Johanna. Wie bist du überhaupt hier reingekommen?“ Bill macht mir langsam Angst. Er wirkt in keinster Weise erfreut, dass Johanna hier ist, und irgendwie hab ich damit nicht gerechnet.
„Ach komm schon, Bill... du kennst mich doch. Ich hab schon meine Möglichkeiten. Wenn ich dich sehen will, dann seh ich dich auch“, grinst Johanna überheblich, was meinem Zwilling nur ein weiteres Schnauben entlockt.
„Vielleicht will ICH DICH aber nicht sehen... hast du darüber vielleicht mal nachgedacht?“, meint er dann, und sein süffisanter Unterton ist nicht zu überhören. Ich stehe immer noch stocksteif daneben und es ist ein Genuss für mich, Johannas Gesicht zu beobachten, wie es sich nach und nach verdüstert.
„Schick ihn weg“, nickt sie schließlich böse in meine Richtung, „ich will mit dir alleine reden“. Ich reiße empört den Mund auf, um ihr all die netten Dinge an den Kopf zu werfen, die mir gerade auf der Zunge liegen, aber Bill scheint das zu merken und legt mir sanft die Hand auf den Arm. Okay. Vielleicht ist es wirklich besser, wenn ich mich nicht auf Johannas Niveau begebe. Hab ich doch gar nicht nötig. Mühsam unterdrücke ich den Drang, ihr zu sagen, wie abscheulich sie ist und atme lieber einmal tief durch.
„Ich werde Tom ganz bestimmt nicht wegschicken, Johanna. Und im Übrigen wäre ich dir überaus dankbar, wenn du nicht so tun würdest, als sei er gar nicht anwesend“, blafft Bill Johanna an meiner Stelle an und ihre Augen weiten sich ungläubig. Wie zwei Kampfhähne stehen sich die beiden gegenüber, während ich immer noch nicht glauben kann, was Bill da eben von sich gegeben hat. Noch nie hat er so mit ihr gesprochen.
„Sag mal Bill, was wird hier eigentlich gespielt? Hast du deine Tage? Oder hast du einfach nur lange keinen guten Sex mehr gehabt? Das kann man ändern, weißt du...“, bricht Johanna nach etlichen Sekunden endlich das Schweigen, und man kann ihr ansehen, dass sie ganz und gar nicht zufrieden ist mit Bills Reaktion. Wahrscheinlich hat sie auch nicht damit gerechnet. Ach, was denke ich. Ganz sicher hat sie nicht damit gerechnet. Wie sollte sie auch? Ich kann mich an andere Treffen erinnern, da haben die beiden keine fünf Worte miteinander gewechselt, und sind dann, sich gegenseitig befummelnd, so schnell wie möglich irgendwo hin verschwunden. Und wo sich früher eine Woge Eifersucht in mir breit gemacht hat, werde ich jetzt von Genugtuung erfüllt.
Ich spüre, wie sich Bill neben mir versteift und sich dann ein Stück nach vorne beugt. Gott, will er sie jetzt küssen oder was? Das Hochgefühl, das mich durchflutet hat, fällt wie ein Kartenhaus in sich zusammen, während ich aber trotzdem nicht wegsehen kann. Es ist wie ein innerer Zwang. Inzwischen ist Bill nah genug, damit er Johanna ins Ohr flüstern kann.
Nein, ich will es nicht hören, ich will wegsehen, ich will weglaufen, aber ich starre nur wie paralysiert auf diese Szene.
„Weißt du Schätzchen, ich glaube, mein Terminkalender lässt die nächsten Tage kein Treffen mit dir zu. Ich bin total verplant. Und außerdem kannst du dir sicher sein, dass ich ganz bestimmt nicht dich anrufe, wenn ich guten Sex brauche“, höre ich Bill sagen, sein netter Plauderton steht in krassem Gegensatz zu seinen Worten, und als er sich jetzt zurückbeugt, ziert ein gemeines Grinsen sein Gesicht. Ich weiß nicht, was ich fühlen soll. Früher war ich immer derjenige, der sich solche Dinge anhören musste, und jetzt stehe ich sprachlos daneben und kann nicht fassen, mit welcher Selbstsicherheit Bill neben mir steht und angriffslustig sein Kinn vorstreckt.
Johanna scheint es ähnlich zu gehen wie mir, ich kann förmlich sehen, wie es in ihrem Kopf fieberhaft arbeitet. Letztendlich entscheidet sie sich für eine frauentypische Reaktion.
„Arschloch!“, schreit sie hysterisch und so schrill, dass ich glaube, mein Trommelfell platzt gleich. Ich bin ja einiges gewöhnt, was Kreischerei angeht, aber das hier übertrifft wirklich alles. Während ich mir gepeinigt die Ohren zuhalte, holt Johanna aus und verpasst Bill eine dermaßen heftige Ohrfeige, dass sein Kopf herumfliegt wie bei einer Puppe, und ich für eine Sekunde sein geschocktes Gesicht sehen kann.
„Glaub ja nicht, du kannst wieder angekrochen kommen, sobald du deinen Fehler eingesehen hast“, wettert Johanna in gleicher Lautstärke weiter, ihr schönes ebenmäßiges Gesicht ist mittlerweile verzerrt zu einer wutentbrannten Maske. Armes Ding.
„Hättest du jetzt die Güte zu verschwinden? Für heute hast du mich wirklich genug genervt“, zischt Bill gefährlich leise, als er sich wieder gefangen hat. Es ist einfach unglaublich, dass er es selbst jetzt noch schafft, völlig unbeeindruckt zu wirken, fast so, als würde ihn das Ganze gar nichts angehen. Er lässt sich nicht einmal anmerken, ob er Schmerzen hat.
Johanna wirft ihm einen letzten tödlichen Blick zu, bevor sie sich ohne ein weiteres Wort umdreht, die Tür aufreißt und eilig in den Flur läuft.
„Schönen Tag noch“, ruft Bill freundlich hinter ihr her, knallt dann allerdings die Tür so laut zu, dass es wahrscheinlich das gesamte Hotel gehört hat.
Fassungslos starre ich meinen Bruder an. Das habe ich bestimmt gerade nur geträumt. Ein dummer Tagtraum, um mich abzulenken.
„Aua“, bemerkt Bill reichlich verspätet und hält sich mit schmerzlich verdrehten Augen seine linke Wange. Deutlich kann ich Johannas Handabdruck darauf erkennen. Die Frau sollte Boxerin werden.
Aber anscheinend habe ich doch nicht geträumt, sonst könnte man jetzt nicht Johannas einzelne Finger auf Bills Haut bewundern. Fast gleicht es einem Kunstwerk.
„Blödes Miststück“, flucht Bill jetzt lautstark weiter, was mich nun endgültig auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Er hat sie tatsächlich weggeschickt. Und das nicht gerade nett.
„Die wird sich garantiert nie wieder bei dir melden“, finde ich endlich meine Stimme wieder. Bill sieht mich an, als hätte ich ihm gerade eröffnet, dass er nur noch drei Monate zu leben hat.
„Soll sie ja auch nicht! Verdammte Scheiße, tut das weh!“, echauffiert sich Bill, tritt einmal aufgebracht gegen die Tür, und verschwindet dann laut fluchend im Bad. Ach du meine Güte. Jetzt darf ich seine schlechte Laune ausbaden.
Auf leisen Sohlen schleiche ich mich hinterher und finde meinen Bruder über das Waschbecken gebeugt, sich immer wieder kaltes Wasser ins Gesicht schaufelnd. Die Flüche, die dabei seinen Mund verlassen, würde ich niemals wagen, laut auszusprechen.
„Bill...“, spreche ich ihn an und halte ihm ein Handtuch entgegen, das er tatsächlich dankbar annimmt. Schweigend stellt er den Wasserhahn ab, trocknet sein Gesicht notdürftig und begutachtet dann seine feuerrote Wange im Spiegel.
„Das ist voll geschwollen“, beschwert er sich leise nuschelnd. Ganz plötzlich überfällt mich der Wunsch, ihm nah sein zu wollen.
„Bis heute Abend ist es wieder gut“, versuche ich ihn zu beruhigen, ziehe vorsichtig seine Hand von seiner vermaledeiten Wange und lege statt dessen meine eigene auf die Stelle, um zärtlich darüber zu streichen. Bill sieht mich erst wütend an, aber dann wird sein Gesichtsausdruck weich. Und genau so weich werden augenblicklich meine Knie. Ich kann sehen, dass er etwas sagen will, aber er schluckt es hinunter.
„Danke, dass du sie weggeschickt hast“, ergreife ich wieder das Wort. Innerhalb von Sekunden verfinstert sich Bills Miene erneut, der weiche Ausdruck verschwindet und ich weiß im ersten Augenblick nicht, ob er sich jetzt über Johanna oder mich ärgert.
„Hast du etwa daran gezweifelt?“, will er wissen, sieht mir forschend in die Augen und der merkwürdige Unterton in seiner Stimme lässt mich alarmiert aufhorchen. Es beginnt schon wieder schief zu laufen, wir reden schon wieder aneinander vorbei. Zumindest sind wir auf dem besten Weg dorthin.
„Nein, ich hab nicht daran gezweifelt“, beeile ich mich zu sagen, aber es hört sich nicht mal in meinen Ohren glaubwürdig an.
Bill wischt meine Hand beiseite, als wäre sie ein lästiges Insekt.
„Tom, du vertraust mir nicht. Was hast du denn gedacht, was ich mit Johanna mache? Sie ins Bett zerren, während du daneben stehst?“, wird er wieder etwas lauter und ich senke ertappt den Blick. Immerhin hat er mir so einen ähnlichen Satz noch vor ein paar Tagen an den Kopf geworfen. Doch seitdem ist viel passiert und ich müsste es eigentlich besser wissen. Aber noch fällt mir diese Denkweise einfach schwer.
Bill schiebt seinen Zeigefinger unter mein Kinn und zwingt mich erbarmungslos, ihn wieder anzusehen.
„Warum vertraust du mir nicht, Tom?“
Die Frage schwebt wie eine schwarze Wolke über unseren Köpfen und ich habe keine wirklich Antwort darauf. Irgendwie vertraue ich ihm ja. Und irgendwie auch nicht.
„Ich vertrau dir ja. Johanna ist eben ein rotes Tuch für mich und ich war total überfahren, als sie auf einmal vor der Tür stand. Ich musste an früher denken... und ich konnte nicht einschätzen, wie du reagierst...“, versuche ich meine wirren Gedanken in einigermaßen einleuchtende Worte zu verpacken.
Mich würde mein Gefasel nicht wirklich überzeugen, aber Bill scheint zu verstehen, was ich ihm sagen will.
„Okay Tom. Ich sag`s dir jetzt noch einmal in aller Deutlichkeit, damit du es nie mehr vergisst. Ich hab gar nicht mehr vorgehabt, Johanna über den Weg zu laufen. Ich konnte ja schlecht wissen, dass sie sich so dreist hier reinschleicht. Aber ich werd sie nie wieder anfassen!“
„Das wirst du auch kaum schaffen, bei der Verabschiedung eben“, lächle ich schief, aber Bill knufft mir nur liebevoll in die Seite. Da hab ich wohl gerade noch mal die Kurve gekriegt. Bei seinen momentanen Stimmungsschwankungen ist das eigentlich kaum zu glauben.
„Ich hab sogar ihre Handynummer gelöscht“, murmelt Bill und zieht mich in eine Umarmung, die ich sofort erwidere. Ich muss grinsen und weiß, dass ich dabei absolut dämlich aussehe. Gott sei Dank sieht keiner mein Gesicht, nicht einmal Bill.
„Und jetzt schlittern wir gleich ins nächste Chaos. Tom, wir müssen langsam mal zu Georg“, nuschelt Bill mir irgendwann in den Nacken und das grenzdebile Grinsen erstirbt auf meinem Gesicht.
Georg. Den hatte ich fast vergessen.
* * *

RE: Hold me thrill me kiss me kill me
in Fanfictions 01.04.2008 15:17von Lowy • Besucher | 28.932 Beiträge
Mein inneres Bedürfnis nach Flucht duelliert sich hingebungsvoll mit meinem Hang zum Masochismus, so dass ich einige Sekunden bewegungslos in meiner Position verharre
gleich der erste Satz des Kapitels ist so geil ...
schäfchen... Formulierungen sind echt, echt dein Ding ... herrlich
ich hoffe, du hast ein für mich befriedigendes Ende im Kopf^^ *Enden ja immer so ne Sache sind*^^
astreines Kapitel

RE: Hold me thrill me kiss me kill me
in Fanfictions 01.04.2008 17:35von schäfchen • Besucher | 3.541 Beiträge
Keine Ahnung, ob es dich befriedigt... mich befriedigt es auf jeden Fall *lachflash
Formulierungen sind mein Ding... tihihi, irgendwie scheint das zu stimmen, denn wenn auf der Arbeit mal jemand einen privaten Brief geschrieben haben will, wen fragt er dann? tihihi, ich muss lachen jetzt
danke euch *drück und umarm und herz*


RE: Hold me thrill me kiss me kill me
in Fanfictions 05.05.2008 18:11von schäfchen • Besucher | 3.541 Beiträge
So, heute ohne großes TamTam, ich poste einfach mal weiter^^
36.
Bill schnauft leise neben mir und erst jetzt kehre ich in die Realität zurück. Wir stehen vor Georgs Zimmertür. Wenn mich jemand fragen würde, wie wir hierher gelangt sind, ich wüsste keine Antwort darauf. Ich habe mich wie so oft einfach mitschleifen lassen und ich kann immer noch nicht begreifen, warum ausgerechnet Bill, der so wütend wegen Georg war, jetzt bei mir ist. Und auch nach einem schnellen Seitenblick löst sich mein Bruder nicht in Luft auf, auch wenn er zugegebenermaßen ein klein wenig angespannt wirkt. Dankbar und gleichzeitig ermutigend, so hoffe ich zumindest, drücke ich kurz seine Hand.
„Na dann los“, murmelt Bill, als sei er plötzlich aus einem Traum gerissen worden, und klopft an die Tür. Sehr begeistert sieht er immer noch nicht aus und ich wünsche mir im Stillen, dass er nicht wieder einen seiner Diven-Ausbrüche bekommt, wenn Georg nicht so reagiert wie er sich das vorstellt. Das wäre der Alptraum schlechthin.
Erst mal passiert jedoch gar nichts, und ich will schon, ungeduldig werdend, ein zweites Mal klopfen, aber dann rumpelt es im Zimmer und schließlich hört man Georg leise fluchen. Na super, der hat bestimmt absolut gute Laune und das sind ja dann beste Voraussetzungen für so ein Gespräch. Mit jedem Schritt, den ich nun von drinnen vernehmen kann, schlägt mein Herz schneller und ich wage es nicht, Bill anzusehen.
„Ihr seid ja sogar einigermaßen pünktlich“, begrüßt Georg uns mit nicht zu überhörendem ironischen Unterton. Ich könnte jetzt anbringen, dass meine Wenigkeit immer pünktlich ist, und dass es nur an meinem werten Zwilling liegt, dass wir des Öfteren in der Zeit hinterherhinken, weil er sich mal wieder nicht von einer seiner Schminkorgien losreißen kann. Aber ich lasse es bleiben. Damit ist wohl im Moment niemandem geholfen.
„Als wäre das ein Weltwunder“, kontert Bill mit dem gleichen ironischen Tonfall und betritt dann als erster das Zimmer, als Georg endlich die Tür freigibt. Georg erspart sich eine Antwort, begnügt sich mit einem Augenrollen, und ich schlurfe sprachlos wie immer hinterdrein. Da sind wir nun. In der Höhle des Löwen. Ich weiß weder, was ich mit meinen Händen anfangen, noch wo ich mich hinsetzen soll. Soll ich mich überhaupt hinsetzen? Ich werfe einen unsicheren Blick auf Bill und wieder einmal bin ich über seine Fähigkeit, sich seine innere Unruhe nicht anmerken zu lassen, überrascht. Hat er eben noch angespannt gewirkt, so ist davon nichts mehr übrig geblieben. Zumindest rein äußerlich gesehen. Seine Bewegungen sind grazil und fließend wie immer und ich muss mich zwingen wegzusehen, als er sich einfach ungefragt aufs Bett sinken lässt.
„Und was willst du jetzt von uns?“, beginnt er das Gespräch und bedenkt Georg mit einem abschätzigen Blick, so als sei es unter seiner Würde, dass er hierher zitiert worden ist. Oh Mann, ich ahne jetzt schon Schlimmes. Und Schlimmeres.
„Die Wahrheit“, erwidert Georg einfach, wirkt dabei gänzlich unbeeindruckt von Bills Getue und ich wünsche mir, ich hätte die Courage, mich endlich in diese Debatte einzuschalten.
„Die Wahrheit also, da wäre ich von alleine ja nie drauf gekommen. Nett, dass du mir auf die Sprünge geholfen hast“, verzieht Bill spöttisch die Mundwinkel. Innerhalb von Sekunden verdunkeln sich Georgs Augen und er will schon zu einer harschen Entgegnung ansetzen, als ich schließlich doch noch den Mund auf bekomme.
„Lass, Bill. wir sind nicht hier, um uns zu streiten“, sprudelt es aus meinem Mund und ich bin selbst erstaunt, wie viel Festigkeit meine Stimme noch besitzt. Auf meine Äußerung hin treffen mich zwei Blicke gleichzeitig. Der eine erstaunt, verblüfft und ein bisschen zustimmend, der andere enthält so viele Emotionen auf einmal, dass ich den Blickkontakt abbrechen muss. Jetzt erst wird mir so richtig klar, dass es für Bill mindestens genau so schwer sein muss, hier zu sitzen, wie für mich.
„Tom hat Recht. Ich will mich nicht mit euch streiten, aber ich will mich auch nicht länger verarschen lassen“, stimmt Georg mir zu. Für einen langen Augenblick kehrt Stille ein.
„Niemand verarscht dich“, erklärt Bill, jetzt endlich in normalem Tonfall. Georg fängt an zu lachen, ein kurzes, schrilles und unechtes Lachen, das mir unangenehm in den Ohren widerhallt. Dann reibt er sich einmal kurz über die Augen, bevor er wieder zum Sprechen ansetzt.
„Okay ihr beiden, dann versucht mir mal die folgende Situation plausibel zu machen: Zwei eurer allerbesten Freunde, die noch dazu Zwillinge sind, verstehen sich blendend. Sie gehen liebevoll miteinander um, sie verstehen sich blind und so manch einer ist verdammt neidisch, dass sie sich oft nur ansehen müssen, um zu wissen, was der andere denkt. Doch dann verändert sich das alles ziemlich plötzlich. Sie fangen an, sich wegen jeder Kleinigkeit zu streiten, machen irrsinnige Wetten wegen irgendwelchen Tussis und der eine reagiert eifersüchtig auf den anderen – und sagt mir nicht, ihr seid nicht eifersüchtig, ich bin nicht blind. Zu allem Überfluss verprügeln sie sich dann eines Tages auch noch gegenseitig und danach herrscht erst mal Funkstille. Doch dann... ist es auf einmal okay, dass sie in einem Zimmer wohnen müssen, obwohl es vorher ordentlich Remmidemmi deswegen gab, es ist plötzlich merkwürdig ruhig geworden um denjenigen, der jeden Abend jemand anderen aufgerissen hat, Gustav scheint mehr zu wissen als ich, und es werden merkwürdige Dinge ausgeplaudert, wenn man zu tief ins Glas geschaut hat. Und jetzt sagt mir noch mal, ihr verarscht mich nicht“, rattert Georg herunter. Er hat durcheinander und wirr geredet, zumindest für mein Empfinden, aber ich weiß trotzdem auf Anhieb, was er uns damit sagen will.
Mein Blick huscht kurz zu Bill und wir sind uns innerhalb von Sekundenbruchteilen einig, es bedarf nicht einmal Worte dazu.
„Pass auf, es ist nicht plausibel, Georg, und es ist nicht logisch. Aber wir wollten dich ganz bestimmt nicht verarschen. Vielleicht ist es einfach ganz normal, dass man, wenn man es denn endlich mal selbst verstanden hat, nicht freudestrahlend durch die Welt rennt und jedem erklärt, dass man...“, fange ich an, doch dann verlässt mich der Mut. Ich kann es einfach nicht aussprechen, Georg hat inzwischen ungläubig die Augen aufgerissen, was mich extremst verunsichert. Ich kann nicht einschätzen, ob er wirklich ahnt, was ich ihm gerade begreiflich machen will, und ich hab das Gefühl, ich rede genau so durcheinander wie er eben. Und vor allem rede ich mich um Kopf und Kragen.
„... dass man seinen Bruder liebt“, kommt Bill mir zu Hilfe und beendet meinen Satz für mich.
Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Und ich weiß auch nicht, ob ich Bill jetzt dafür schlagen oder ihn küssen soll.
Jetzt ist es also raus. Jetzt ist es gesagt und es gibt kein Zurück mehr. Für eine gefühlte Ewigkeit herrscht Schweigen, das nur durch meine eigenen hektischen Atemzüge und das Blut, dass ich unglaublich laut in meinen Ohren rauschen höre, unterbrochen wird. Ich beginne schon zu zweifeln, ob das wirklich eine gute Entscheidung war, als Georg endlich den Mund öffnet.
„Ich... ihr... also... ist das euer Ernst?“, fragt er, sieht erst mich und dann Bill an, aber ich bin nicht fähig, zu reagieren. Es war die falsche Entscheidung, dieses Gefühl befällt mich genau in diesem Moment mit aller Macht und am liebsten würde ich alles ungeschehen machen. Doch wir sind hier leider nicht bei „Wünsch dir was“, und wir werden Georgs Statement jetzt aussitzen müssen.
„Ich kann nur für mich sprechen – aber ja, es ist mein voller Ernst“, erwidert Bill, selbstsicher wie eh und je, aber er sieht mich nicht an, während er spricht. Unverwandt starrt er Georg in die Augen, als würde seine Beherrschung anfangen zu bröckeln, wenn er den Blick auch nur eine Sekunde von ihm lässt.
Georg wiederum sagt gar nichts mehr. Ein paar Mal klappt er den Mund auf und zu wie ein Fisch auf dem Trockenen, aber ich kann es beim besten Willen nicht lustig finden. Dafür finde ich endlich meine Sprache wieder.
„Mir ist es auch ernst, und ich wollte dich einfach nicht länger anlügen“, sage ich leise.
„Du wolltest mich nicht länger anlügen? Mann Scheiße... die ganze Zeit tischt ihr mir Märchen auf, und jetzt kommt ihr mit so einer Story? Ich weiß echt nicht, was ich sagen soll... ausgerechnet Bill macht jetzt einen auf „Ich liebe meinen Bruder?“ Ich glaub`s einfach nicht“, schreit Georg auf einmal los, und nicht nur ich zucke erschrocken zusammen, auch Bill ist sichtlich entsetzt über diesen plötzlichen Wutausbruch. Aber er braucht nur Sekunden, um sich wieder zu fangen, er ist und bleibt eben Bill, und er hat sich eigentlich immer im Griff.
„Komm mal wieder runter. Wir haben es Gustav gesagt und du sollst ja nicht der einzige sein, der im Dunklen tappt und sich über unser merkwürdiges Verhalten wundert.“ Bill unterstreicht diesen Satz mit ein paar unterstützenden Gesten und ich bewundere ihn wieder einmal für seine Ruhe, die er an den Tag legt. Und ich bin froh, dass er jetzt nicht ebenfalls ausflippt, das würde alles nur noch schlimmer machen, da bin ich mir sicher.
„Tse, komm mal wieder runter... ihr seid echt ein paar Spaßvögel... deshalb also diese ganzen beschissenen Wetten? Deshalb hat Bill keinen Bock mehr auf Johanna? Und deshalb dieses ganze Hin und Her von wegen, heute sprech ich mal mit meinem Bruder, und morgen verprügel ich ihn dann zur Abwechslung? Versteh ich das richtig?“ Georg ist immer noch wütend, aber wenigstens schreit er nicht mehr wie ein wildes Tier durch die Gegend. Das beruhigt mich schon mal ungemein, auch wenn mich seine Worte wiederum beunruhigen. Ich dreh gleich durch.
Während ich betreten den überaus interessanten Fußboden studiere, sehe ich Bill aus den Augenwinkeln nicken. Anscheinend weiß selbst er nicht mehr, was er sagen soll. Gustav hatte anscheinend doch nicht so Unrecht mit seinen Befürchtungen und hat sich offensichtlich nicht umsonst die Haare wegen uns gerauft. Oh mann.
„Wir lassen dich jetzt erst mal allein, okay?“, ergreift Bill schließlich doch noch das Wort, gerade, als die Stille unerträglich zu werden droht. Ich werfe ihm einen dankbaren Blick zu, den er mit einem warmen Lächeln erwidert.
„Gute Idee“, findet Georg und schneller als ich gucken kann oder es überhaupt registriere, stehen wir wieder draußen auf dem Flur. Das soll es jetzt gewesen sein? Ich weiß nicht genau, was ich erwartet hatte, aber schon wieder überfällt mich das Gefühl, dass es die falsche Entscheidung war, Georg einzuweihen. In was auch immer. Selbst da bin ich mir gerade alles andere als sicher.
„Hältst du das für klug, jetzt einfach zu gehen?“, frage ich Bill, als der nach ein paar schnellen Schritten Richtung unseres Zimmer damit beschäftigt ist, seine Chipcard aus seiner zu engen Jeans zu fischen.
„Tom. Du wolltest es ihm sagen. Und ich hatte den Eindruck, als bräuchte er jetzt erst mal ein bisschen Zeit, um den Schock zu verarbeiten. Und außerdem wäre ich jetzt ganz schnell unsachlich geworden, ich glaub, das ist nicht gerade förderlich“, antwortet er, und bei den letzten paar Worten schleicht sich ein kleines Grinsen in sein Gesicht.
„Wie kannst du das lustig finden?“, raufe ich mir die Haare, während ich Bill ins Zimmer folge und die Tür lautstark hinter mir ins Schloss fallen lasse.
„Ich finde das nicht lustig“, widerspricht er kopfschüttelnd, aber das Grinsen weicht dabei nicht von seinem Gesicht.
„Und was wird jetzt? Ich meine...“, schnaufe ich, aber Bill unterbricht mich sofort mit einer unwirschen Handbewegung, und ich verstumme.
„Mann Tom, ich bin nicht so blauäugig wie du. Meinst du, ich hab mir nicht vorher schon ein paar Gedanken gemacht? Georg ist die Band genau so wichtig wie uns und er wird sich gut überlegen, was er jetzt mit seiner Information anfängt. Und außerdem... Andi hat es verkraftet, Gustav hat sich irgendwie damit arrangiert und auch Georg wird es überleben“, redet Bill ohne Punkt und Komma, aber ich kann mich immer noch nicht wirklich auf seine Beruhigungsversuche einlassen. Ich glaube einfach nicht, dass das jetzt schon alles war. Und Georg ist eben nicht Gustav. Oder Andi. Oder sonst wer. Scheiße.
„Aber...“, wende ich erneut ein, doch Bill lässt mich schon wieder nicht ausreden.
„Tom, hör bitte auf jetzt. Zweifeln ist wenn schon mein Part, und hier wird jetzt nicht mehr gezweifelt, dafür ist es langsam zu spät, findest du nicht?“
„Ich weiß gar nichts mehr“, gebe ich theatralisch von mir und lasse mich noch etwas theatralischer einfach aufs Bett plumpsen. Irgendwie wird mir das alles gerade zu viel. Müde vergrabe ich mein Gesicht im Kissen und wünsche mir ein anderes Leben, ein Leben, dass es einfacher macht, dass... aber ich wäre nicht glücklich, und das weiß ich auch. Ein langgezogenes, lautstarkes Seufzen verlässt meinen Mund und gleichzeitig spüre ich, wie sich die Matratze neben mir senkt.
„Dafür weiß ich aber was, Tom...“, flüstert Bill mir ins Ohr und obwohl ich nicht will, jagt ein heißer Schauer über meinen Rücken.
„Möchtest du es auch wissen?“, fragt er mich weiter und ich kann nichts anderes tun, als stumm in mein Kissen zu nicken. Natürlich will ich es wissen.
Bill streicht mir eine verirrte Dreadlock aus der Stirn, aber er kann mich mit dieser Aktion nicht dazu bewegen, ihn anzusehen. Ich bin verwirrt. Und irritiert. Und neugierig bin ich auch.
„Ich weiß, dass ich jetzt gerade in genau dem richtigen Moment am genau richtigen Ort mit genau dem richtigen Menschen bin“, säuselt er und schafft es damit, mir ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, auch wenn er es nicht sehen kann. So poetisch kenne ich ihn gar nicht, aber jetzt gerade fühlt es sich gut an. Es fühlt sich richtig an. Und ich bin ihm dankbar dafür, egal was noch kommt.
* * *

RE: Hold me thrill me kiss me kill me
in Fanfictions 05.05.2008 21:44von Gosu • Besucher | 2.584 Beiträge
Ich finde Geogs Zusammenfassung der Ereignisse so genial ...Remmidemmi ist auch ein schönes Wort - können wir in den Wörter-Thread aufnehmen.^^
Von mir aus muss es kein furioses Finale geben...was soll denn noch kommen? Sie lieben sich und haben es den wichtigsten Personen gestanden...jetzt wird alles gut #jap..das soll jetzt nicht so rüberkommen, dass jetzt schon Schluss sein sollte, nein nein, ich will nur keine bösartigen Wendungen zum Schluß.^^
Du machst das schon #pat



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