#136

RE: ~ Zurück zum Nullpunkt ~

in Fanfictions 12.12.2008 22:38
von Erna

schon recht^^
aber kranker Kopf...heißt ja nicht gleich überhaupt irgendwelche Ideen, nüch xD

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#137

RE: ~ Zurück zum Nullpunkt ~

in Fanfictions 12.12.2008 23:03
von Gosu • Besucher | 2.584 Beiträge

Ich habs heute erst gelesen....durch den Forenumzug hatte ich die FF's kurzzeitig aus den Augen verloren.^^

Meine Güte, das liest sich ja spannender als jeder Krimi und James Bond ist auch ein Scheißdreck dagegen! Ich hab mir alle Fingernägel abgeknabbert!

Lange kann ich jetzt aber nicht auf das nächste Kapitel warten, das weisst du schon, oder?

Sonst werde ich

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#138

RE: ~ Zurück zum Nullpunkt ~

in Fanfictions 12.12.2008 23:13
von Lowy • Besucher | 28.932 Beiträge

Zitat von Gosu

Lange kann ich jetzt aber nicht auf das nächste Kapitel warten, das weisst du schon, oder?



Eigentlich hab ich auch nicht vor das nächste Kapitel auf sich warten zu lassen...
aber realistisch sieht es so aus, dass ich noch nicht viel daran geschrieben hab.
Ich hab ja dieses Kapitel schon fast doppelt so lang gemacht wie meine anderen Kapitel,
damit sich die Auflösung nicht so lang hinzieht... aber irgendwie ist dann da doch so viel
zu schreiben ... und dann kam der Forenumzug... und Stephans Krankheit...
und irgendwie komm ich zu gar nichts... also nicht wirklich zur Schreibruhe... bald ist auch
noch Weihnachten und... ach, das kennst du ja bestimmt xD
Ich werde trotzdem versuchen so gut wie möglich "dranzubleiben" und so schnell es für
mich nur geht das nächste Kapitel abliefern.

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#139

RE: ~ Zurück zum Nullpunkt ~

in Fanfictions 13.12.2008 20:02
von scooter • Besucher | 1.132 Beiträge

Boahhh..... auch ich wäre dir echt dankbar, wenn es nicht Monate dauern würde, bis die aus diesem Kerker wieder weg sind........

Irgendwie verpasse ich hier im Moment so viel...... Was ist mit Stefans Krankheit ???

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#140

RE: ~ Zurück zum Nullpunkt ~

in Fanfictions 13.12.2008 20:12
von Lowy • Besucher | 28.932 Beiträge

Da brauch ich EIN MAL für ein Kapitel ein paar Monate... und schon wird es mir ewig vorgehalten... tzz

Charlotte... Stephan hat ne Lungenentzündung... aber es geht ihm schon wieder viel zu gut^^

Wie geht`s dir eigentlich?

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#141

RE: ~ Zurück zum Nullpunkt ~

in Fanfictions 13.12.2008 20:14
von Erna

Zitat von BILLowy
aber es geht ihm schon wieder viel zu gut^^

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#142

RE: ~ Zurück zum Nullpunkt ~

in Fanfictions 13.12.2008 20:32
von scooter • Besucher | 1.132 Beiträge

Zitat von BILLowy
Da brauch ich EIN MAL für ein Kapitel ein paar Monate... und schon wird es mir ewig vorgehalten... tzz

Charlotte... Stephan hat ne Lungenentzündung... aber es geht ihm schon wieder viel zu gut^^

Wie geht`s dir eigentlich?




Ach du liebe Scheisse........ Ich hatte mal eine ganz Schlimme mit etwa 12...... und war 6 Wochen lang im Bett. Komischerweise kann ich mich daran noch sehr gut erinnern - vorallem an die erste Zeit. Das hat genau am Heiligabend begonnen. Ich hatte tagelang sehr hohes Fieber und habe praktisch nur geschlafen oder vor mich hin gedämmert - irgendwie war ich in einem "schwebenden" Zustand.... Alle bemühten sich um mich, der Arzt kam 2 x täglich - und mich hat das nicht im geringsten gekratzt........

Sag Stefan mal Gute Besserung aus der Schweiz !!!!! Und Krankenschwester Kim kriegt auch noch einen dicken Kuss von mir.......

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#143

RE: ~ Zurück zum Nullpunkt ~

in Fanfictions 13.12.2008 20:40
von Lowy • Besucher | 28.932 Beiträge

Krankenschwester Kim kämpft selbst noch damit, sich von ihrer eigenen Lungenentzündung zu erholen^^
Ich hab es ohne Antibiotika hinter mich gebracht... im Gegensatz zu Stephan... deshalb gehts ihm schon wieder ganz gut. Er war auch früh genug beim Arzt.

Den Kuss von dir nehm ich natürlich gern noch mit

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#144

RE: ~ Zurück zum Nullpunkt ~

in Fanfictions 23.12.2008 21:37
von Lowy • Besucher | 28.932 Beiträge

~ 20. Kapitel ... Teil 1 ~


„Damit kommst du nicht durch, Bill.“

Die Stimme dieses Scheißkerls klang fest und abgebrüht und er hielt auffordernd seinen Blick, doch Bill sah das fast unmerkliche Flackern in dessen Augen und spürte den zu schnellen Puls unter seinen Fingern. Sein anfänglicher Schock und die Angst, diesen Unmenschen zu sehen, war mit Beginn seiner Handlung in kontrollierten Hass umgeschlagen. „Irrtum, Arschloch. Ich komme damit durch. Und du wirst mir sogar dabei helfen,“ korrigierte er ihn ohne Zögern. Sein Gegenüber wirkte viel kleiner, als er ihn in Erinnerung hatte, älter, schwächer. Mit Micha und Marcello im Rücken fühlte er sich stark, doch noch stärker machte ihn seine Mission… die Befreiung seiner Brüder. Das war das Einzige, was gerade zählte, doch ihm war auch klar, dass er vorsichtig sein musste. „Dreh dich um… langsam… und leg deine Hände an die Wand,“ befahl er deshalb und ein leises Gefühl von Genugtuung schlich durch ihn hindurch, als dieser Tyrann ihm gehorchte und er überließ es Micha, dessen Taschen zu durchsuchen.

Bill nahm den Schlüsselbund an sich, der Zutage kam und reichte Marcello die Brieftasche weiter. „Sieh mal bitte nach, ob darin irgendetwas Auffälliges ist,“ bat er ihn.

Marcello stand unter Schock. Er war geschockt von der ganzen Situation und auch von Bill. Noch nie hatte er jemanden gesehen, der so eine Kälte ausstrahlte, so einen Hass, wie seine Diva es gerade gegenüber dem ihm Fremden tat. Seine Diva? Oh Gott… Marcello traute ihm gerade tatsächlich zu, dass Bill diesen Mann töten würde und er hatte eine tiefe Angst davor, dass es jeden Moment wirklich passieren würde. Unwillkürlich fragte er sich, was dieser Typ seinem Schützling angetan hatte. Die Brieftasche nahm er wie fremd gesteuert an sich und tat, worum der Schwarzhaarige ihn gebeten hatte. Er hatte das Gefühl, dass zwischen ihm und der Realität ein undurchdringlicher Nebel waberte. Wie automatisiert legte er sich den Gurt des Gewehres über die Schulter, um beide Hände benutzen zu können. Irgendwie fand er die Brieftasche toll in diesem Moment. Sie war friedlich und lenkte ihn von dem eigentlichen Geschehen ab. Umso gründlicher durchforstete er sie, doch etwas Besonderes fand er darin nicht. Erholsam gewöhnlich steckte das Geld in dem vorgesehenen Fach, davor säuberlich aufgereiht eine Reihe von Kreditkarten, Führerschein, Ausweis, der Mitgliedsausweis eines Golfclubs… war das auffällig? Nein. Marcello fehlten die Fotos. Er fand, dass in jede Brieftasche mindestens ein Foto eines nahe stehenden Menschen gehörte. Er selbst hatte sogar noch ein Bild seines letzten Freundes in seiner. Das hatte vielleicht etwas Masochistisches an sich, doch er war noch nicht bereit, es loszulassen.

Während Marcello unbewusst der Situation entfloh, indem er in seine Erinnerungen an seine zerflossene Liebe fiel, brachten Bill und Micha das Scheusal dazu, das Telefon auf dem Schreibtisch zu benutzen, um seine Leute aus ihren Positionen zurückzurufen. „Wenn wir gleich auf unserem Weg auch nur einer Menschenseele begegnen, stech ich dich ab,“ war eine von verschiedenen Drohungen, die Bill den Telefonaten vorausschickte. Es war ihm zuwider mit diesem Drecksack in einem Raum zu sein, doch er wusste, was er tun musste und setzte es, voll gepumpt mit Adrenalin, konzentriert um, achtete minuziös darauf, dass kein falsches Wort die Kehle dieses Unmenschen verließ. Danach fesselte Micha diesem Kerl sicherheitshalber die Hände auf dem Rücken zusammen. Er hatte für diesen Fall extra starkes Klebeband von zu Hause mitgenommen.

Ein paar Minuten später gab es Schritte auf dem Gang und versetzte alle in zusätzliche Anspannung. Micha schloss schnell die Tür und sie warteten still ab, bis sich die Menschen wieder entfernt hatten.

„Äh… Bill… ähm… ich glaube, du hast den Falschen… oder check ich gerade nichts?“ Marcello blickte verwirrt wieder auf den Ausweis und kontrollierte jetzt auch schnell noch den Führerschein. Irgendwie stimmte das doch nicht, aber irgendwie doch, sonst hätte der Typ Bill ja gar nicht erkennen können. „Sagtest du nicht, dass der da Roland Fischer heißt?“ Er hatte sich den Namen doch extra ganz genau eingeprägt. „Hier steht nämlich der Name nirgendwo… sondern nur Wolfgang Bobrich.“

Für den Schwarzhaarigen erklärte das sofort, warum Andi mit seinen Nachforschungen so gar nicht vorankam. „Wolfgang also,“ sagte er zu dem Mann, dessen Namen er bisher für echter gehalten hatte als seinen eigenen und sah dann kurz zu Marcello. „Steck das Portmonee bitte ein. Ich brauch später noch seine Adresse… und du,“ wandte er sich wieder an den Widerling, der nach wie vor das Messer an der Kehle sitzen hatte. „Du bringst mich jetzt zu Tom und Andi… und keine Umwege,“ schubste er ihn vor sich her Richtung Tür.


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Micha hatte seine Augen ununterbrochen auf die Bewegungen des Mannes gerichtet, der sie nun noch eine Treppe tiefer in den bereits dritten Gang führte, damit er bei der kleinsten falschen Regung unterstützend eingreifen konnte. Für ihn galt in erster Linie, die Sicherheit von Bill zu gewährleisten. Er vertraute seinem jungen Arbeitgeber so wie dieser ihm vertraute. Zwar begriff er nicht wirklich, was hier vor ging und hatte viele Fragen im Kopf, doch die konnten auch später beantwortet werden. Hauptsache, sie kamen hier erstmal unbeschadet und zusammen mit Tom und Andi hier wieder raus.

Marcello hingegen fühlte sich, seitdem sie aus dem geschlossenen Raum raus waren, ununterbrochen von allen Seiten beobachtet und blickte sich alle paar Schritte immer wieder ängstlich um. Er klammerte sich an das Gewehr in seinen Händen, von dem er sich nicht vorstellen konnte, es auch zu benutzen, zumal er keinen blassen Schimmer hatte, ob das Ding auch funktionieren würde, ohne es irgendwie zu entsichern oder so was. Je weiter sie gingen, desto übler wurde jedoch das mulmige Gefühl in seiner Bauchregion und desto wichtiger wurde ihm diese Waffe, die ihm doch etwas Schutz versprach und aus seinem Sicherheitsbedürfnis heraus, betätigte er schließlich doch diesen kleinen Stift daran, von dem er dachte, dass man sie so vielleicht entsichern konnte. Falls plötzlich jemand hinter der nächsten Ecke hervorspringen würde, dann war es sicherlich zu spät, um sich damit noch zu beschäftigen, waren seine Überlegungen dabei. Er hatte das Gefühl, die Luft wurde immer dünner, je weiter sie in die Tiefe kamen.

„Erklär mir eins. Wie habt ihr herausgefunden, dass es dein Bruder ist, den du fickst?“ fragte der Unsympath, nachdem er schon den ganzen Weg über immer wieder unpassende Bemerkungen von sich gegeben hatte, die der Schwarzhaarige wortlos versucht hatte zu ignorieren und sich davon nicht provozieren zu lassen... doch jetzt…

„Halts Maul, Wichser,“ fuhr er ihn schroff an und stieß ihm dabei so fest in den Rücken, dass er ein paar Schritte vorwärts stolperte und dabei fast hinfiel. Bill war angefüllt mit seinem Hass auf diesen Schänder, doch ihm war bereits in den ersten Sekunden, nachdem er ihn gesehen hatte, klar geworden, dass er ihn nicht töten können würde, egal, wie tief sein Zorn saß und egal, wie sehr er ihm den grausamsten Tod wünschte. Er war einfach kein Mörder, selbst wenn er dieses Arschloch vor ihm nicht als Menschen betrachten konnte und ihn in Gedanken schon oft auf jede erdenkliche Weise kalt gemacht hatte.

Die Tür, durch die sie mussten, war verschlossen und der Schwarzhaarige ließ sich erklären, welchen Schlüssel er benutzen musste. Sie kamen in einen kleinen Raum, der nur durch ein großes Fenster aus dem angrenzenden, hell beleuchteten Nebenraum sein Licht bekam. Durch die Scheibe hindurch konnte Bill Tom und Andi sofort sehen. Sie lagen gefesselt auf dem Boden und hatten die Augen geschlossen. Bill ließ alle Vorsicht fallen und hechtete auf die Tür zu, die zu seinen Liebsten führte, doch noch während er dabei war, den passenden Schlüssel in dem Schloss zu versenken, gab es einen lauten Knall und einen schrecklichen Aufschrei von Marcello.


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Andi und Tom schreckten zeitgleich hoch.

„Oh Gott… was war das?“ flüsterte Andi erschrocken und rückte, so gut es eben in diesem gefesselten Zustand ging, ganz nah an seinen Freund heran, mit dem Rücken zur Wand, doch Tom sagte gar nichts. Er sprach schon seit einer Ewigkeit nicht mehr. Nicht mehr, seitdem… ach Scheiße. Der Weißhaarige verdrängte den Gedanken schnell wieder und lauschte angespannt, doch er konnte nichts mehr hören… wie die ewigen Stunden zuvor auch nicht. Er hasste diesen Raum. Es war schon schlimm gewesen die kommenden Schritte zu hören, als sie noch in dem Zimmer mit den Akten gewesen waren, doch hier war es noch viel schlimmer. Hier hörten sie nichts und wenn das Grauen kam, dann stand es immer unangekündigt direkt in der Tür, umso beunruhigender war es jedoch gerade, doch etwas von Außen gehört zu haben. Es hatte wie ein Schuss geklungen. Irgendetwas Schreckliches passierte hier und er musste sofort an Bill denken. Oh Hilfe… hoffentlich hatte das nichts mit ihm zu tun. Stoßgebete schossen durch seinen Kopf. Andi hatte jegliches Zeitgefühl verloren und fast alle Hoffnung. Es kam ihm so vor, als wären sie schon seit Tagen hier gefangen. Sein Atem war flach, weil sein Brustkorb zu sehr schmerzte, wenn er tiefer einatmete… überhaupt tat ihm vieles weh und er hatte schon lange das Gefühl, nicht mehr zu können, doch der Albtraum hörte einfach nicht auf.


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Völlig geschockt sah Marcello auf den Mann, der verrenkt vor ihm auf dem Boden lag und ihn ungläubig ansah. Blut schoss aus seinem Hals hervor… viel Blut, das sich irrsinnig schnell als Lache auf dem Fußboden sammelte. „Oh Gott… oh mein Gott.“ Reflexartig warf er das Gewehr zur Seite. „Ich… oh Gott… ich weiß nicht, wie das passiert ist,“ stammelte er in fiepender Tonlage. „Ich hatte noch nicht mal den Finger am Abzug, als er in mich rein gerannt ist,“ sah er jetzt panisch und hilfesuchend zu Bill, doch der beachtete ihn gar nicht, sondern kniete sich gerade neben den Getroffenen. „Oh Gott… was machen wir denn jetzt?“ richtete er seinen Blick auf den Riesen, dessen Augen vor Überraschung geweitet waren und die Lage noch nicht ganz zu fassen bekommen schienen. „Erstmal ruhig bleiben,“ drang Michas tiefe Stimme in Marcellos Gehörgänge und irgendwie beruhigte ihn der Satz tatsächlich ein wenig und als der Hüne ihm beschützend seinen Arm um die Schultern legte und ein „Du kannst nichts dafür“ aussprach, nahm es ihm zwar nicht seine Panik, doch es half ihm, sich ein wenig sicherer in seinem Chaos, in dem er steckte, zu fühlen.

„Sag mir, wie wir heißen,“ forderte Bill mitleidlos von dem Verblutenden. Ursprünglich hatte er nicht vorgehabt, diesen Tyrannen irgendetwas zu fragen, weil er eh nur mit Lügen gerechnet hatte… doch jetzt… im Angesicht des nahenden Todes… vielleicht brachten seine letzten Sekunden doch noch ein Stück Wahrheit heraus. Sein Peiniger sah ihn an und röchelte. „Leck mich,“ kam es leise und kratzig aus ihm heraus und er verzog seine Mundwinkel zu einem gemeinen Grinsen. Der Schwarzhaarige war so angewidert. Er spuckte ihm verachtend ins Gesicht und dann wich das Leben aus dem Mann, der ihm so wahnsinnig viel angetan hatte und dessen Augen jetzt starr durch ihn hindurchzublicken schienen. Bill spürte schon so etwas wie eine Befreiung in diesem Augenblick, doch die erwartete Genugtuung blieb aus. Wie konnte dieses Arschloch es wagen, so schnell und offenbar schmerzlos zu sterben? Doch darüber konnte er sich später noch grämen. Er kam hoch und war mit zwei Sätzen wieder an der letzten, trennenden Tür, die er jetzt endlich öffnete.


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Andi zuckte angespannt zusammen, als sich die Tür bewegte und als er Bill entdeckte, war er sich nicht sicher, ob er weinen oder lachen sollte. Seine Augen suchten vergeblich nach der Person, die ihn hineinführte und er trug keine Fesseln. In ihm entfachte ein kleines Licht Hoffnung.

Die Gefühle, die Bill in sich trug, als er seine Brüder dort sitzen sah, beinhalteten alles. Es war ihnen anzusehen, was sie durchgemacht hatten und das Entsetzen darüber saß genau neben der Erleichterung, sie endlich aus der Situation holen zu können… und dann waren da noch all die Gefühle, die sich drängelnd aufstauten, weil er keine Zeit hatte sie zu fühlen. Er spürte, dass dies ein guter Moment zum Zusammenbrechen war, doch dafür war immer noch keine Zeit. Noch ging es um Wesentliches. „Wir kommen hier raus. Micha und Marcello sind auch hier,“ gab er den Beiden deshalb sofort erstmal die wesentlichsten Informationen, die sie jetzt brauchten, während er auf sie zu lief. „Oh Gott… ich liebe euch,“ fiel aber gleich sein Herz hinterher, als er sich zu ihnen kniete und zu allererst die Kabelbinder, die ihre Knöchel aneinanderdrückten, durchtrennte. Zum Glück war das Messer, das er benutzte, richtig scharf, so dass diese Prozedur ziemlich schnell vonstatten ging. „Könnt ihr laufen?“ Er hätte sie am Liebsten in den Arm genommen, hätte am Liebsten sofort gehört, was passiert war, doch er wusste auch, dass sie so schnell wie möglich hier weg mussten und er wusste nicht, wo er sie berühren konnte. Andi war deutlich anzusehen, dass er Schmerzen hatte und das erlebte Trauma sprang ihm aus beiden Gesichtern entgegen. In Toms Augen fand sich eine erschreckende Leere. Es zerriss ihm sein Herz.

„Ja, können wir,“ antwortete der Weißhaarige. Ein ächzender Schmerzenslaut entfuhr ihm, als er sich so drehte, dass Bill an seine Hände hinter seinem Rücken kommen konnte. „Oh Gott… ich bin so froh, dass du da bist,“ war jedoch die augenblickliche Erleichterung, aus dieser Hölle herauskommen zu können wesentlich stärker, als seine Schmerzen. Seine Handgelenke zeigten, wie sich das Plastik der Kabelbinder in seine Haut gefressen hatte, als er sie zu sich nach vorn nahm, und durch seine Schultern zog es, als würde darin jemand Nadeln hindurch schieben.

Als Bill die Fesseln an Toms Händen durchtrennte, sah er, dass dessen Pullover an einer Stelle am Rücken blutdurchtränkt war und als sein Zwilling als allererste Handlung noch im Sitzen seine Hosen ganz nach oben raffte und schnell seinen Gürtel schloss, presste Bill seine Lippen fest zusammen, um den verzweifelten Aufschrei zu unterdrücken, der unbedingt seinen Mund verlassen wollte.

„Braucht ihr Hilfe?“ kam Micha herein.

Marcello klebte an seinem Arm und rückte nicht einen Millimeter von ihm ab. Keine Sekunde würde er allein in dem Raum mit dem Toten bleiben.

„Ich brauch was zu trinken,“ reagierte Andi mit dem dringendsten Bedürfnis, das er gerade hatte. „Und Tom auch,“ sagte er, weil sein Freund immer noch nichts sagte.

Bill legte das Messer auf den Boden, um beide Hände frei zu haben und wühlte in seiner Tasche. „Hier,“ gab er Andi die Wasserflasche, die er an der Tankstelle gekauft hatte. Er hatte gewusst, dass der unbändige Durst, der ihn auf seiner Rückreise begleitet hatte, nicht sein eigener war und hatte deshalb vorgesorgt.

Andi trank nur so viel wie gerade nötig, bevor er die Flasche an Tom weitergab und dann, sich mit einer Hand an der Wand abstützend, mühsam aufstand. Sein Kreislauf fing durch die Aufwärtsbewegung an zu schwächeln und er musste einen Moment lang ruhig an die kalte Mauer gelehnt stehen bleiben, bevor die Schwärze vor seinen Augen wieder verschwand. Marcello kam auf ihn zu und hielt seine Jacke in der Hand. „Hier, die solltest du anziehen. Es ist kalt draußen,“ sagte er und half ihm vorsichtig, in sein Kleidungsstück zu kommen. Bei den Bewegungen stöhnte Andi auf, weil es dabei grässlich an seinem Brustkorb schmerzte und Marcello bat sofort schuldbewusst um Verzeihung.

In Michas Kopf arbeitete es auf Hochtouren. Noch war das alles hier nicht ausgestanden. Es war unklar, ob sie genau so leicht hier wieder herauskommen würden, wie sie rein gekommen waren, die Jungs brauchten einen Arzt und das Verzwickteste von Allem… im Nebenraum lag eine Leiche, die nachhaltig entsorgt werden musste. Wenn das nicht gelang, dann waren das hier noch die kleinsten Probleme, die sie hatten. „Wir müssen reden, bevor wir übereilt aufbrechen,“ war das Ergebnis seiner Gedanken, das er für alle in den Raum warf… und das passierte dann auch.

Als Tom erfuhr, dass Wolfgang Bobrich, alias Roland Fischer tot im angrenzenden Zimmer lag, setzte ihn das sofort in Bewegung. Es ging nicht anders. Das musste er mit eigenen Augen sehen. Er blieb in der Tür stehen, als der Leichnam in seinem Blickfeld erschien und fühlte, wie Bill sich an seine Seite stellte. Innerlich fühlte er sich taub und absolut sprachlos, doch dieser Anblick hatte trotz Allem etwas Feierliches, etwas Märchenhaftes… das Ungeheuer war nach Jahren der Schreckensherrschaft endlich besiegt. Unter anderen Umständen hätte er jetzt gelacht, doch die Umstände waren nicht anders und so war das Einzige, was er dazu ausdrücken konnte, eine Geste. Er griff nach Bills Hand und streichelte ein Mal kurz mit seinem Daumen über den Handrücken, bevor er sie wieder losließ und zurück zu den Anderen ging.

Diese kleine Geste war für Bill unheimlich viel. Es war ein Lebenszeichen… etwas, was er gerade dringend von Tom gebraucht hatte. Er folgte ihm die paar Schritte in den hellen Raum zurück.

Sie übereilten den Aufbruch nicht, aber sie entwickelten ihren Plan so schnell es nur ging. Das Problem, was mit der Leiche letztlich geschehen sollte, setzten sie dabei in den Hintergrund. Es ging vorrangig um die Beseitigung von Spuren, das Verlassen des Geländes mit dem Toten, wohin sie danach zuerst aufbrechen sollten und wer mit welchem Wagen fuhr.

„Nein. Ich geh zu keinem Arzt,“ waren die ersten Worte, die Tom mit einbrachte, und die Vehemenz, mit der er es sagte, erstickte alle möglichen Gegenworte bereits im Keim.

Einig waren sie sich darüber, dass sie alle zusammenbleiben wollten, bis sie in den Autos saßen, für die sie sich aufteilen wollten. So schlichen sie schließlich zu Fünft durch die Gänge der unterirdischen Anlage auf der Suche nach Utensilien, die sie zur Reinigung und zum Transport der Leiche brauchten. Keine Menschenseele begegnete ihnen. Offenbar hatte das Scheusal wirklich Angst um sein Leben gehabt, als er die geforderten Anrufe getätigt hatte und dabei diesen Ort von möglichen Widersachern befreit hatte, doch allen wohnte die Angst inne, es würde jetzt noch etwas schief gehen. Sie fanden, was sie brauchten, und am Ende ihrer Aktionen saßen sie tatsächlich alle in dem S-Klasse-Mercedes, der dem Toten im Kofferraum gehörte.

Es fing an zu regnen, als Micha den Wagen über den Waldweg steuerte und nach kurzer Zeit an der Stelle hielt, an deren Seite Toms Auto versteckt war, in das die Zwillinge umstiegen. Er wartete, bis sie auf der Landstraße waren, bevor er Marcello und Andi zu seinem eigenen Wagen brachte. Er selbst blieb in dem Mercedes mit dem verräterischen, leblosen Inhalt und folgte ihnen in einigem Abstand.


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Die Rückfahrt war still gewesen. Bill hatte nichts gefragt und Tom nichts gesagt. Nur ein Mal hatte der Blonde um Bills Handy gebeten, war am Straßenrand angehalten und hatte, pünktlich zum Beginn seiner eigentlichen Arbeitszeit, im Tonstudio angerufen und sich für heute und Morgen befreien lassen.

Die Welt sah für Tom heute anders aus als gestern, doch der stärker werdende Regen, der stürmisch gegen die Scheiben peitschte, passte immerhin dazu. Prüfend suchten seine Augen die gesamte Straße nach unwillkommenen Gestalten ab. Er parkte seinen Wagen erst, als er das Gefühl hatte, unbeobachtet in das angestrebte Gebäude zu gelangen. Sein Vertrauen in die Freiheit war gebrochen.

Sie betraten Andis Wohnung und Tom zog sofort seine Jacke aus und warf sie über einen Garderobenhaken im Flur. „Die linke Tür da vorn führt in unser Zimmer. Ich geh erstmal…“ Tom ließ den Satz unbeendet und zeigte auf die Tür zum Bad, durch die er mit seinem dringendsten Bedürfnis augenblicklich verschwand.

Plötzlich so allein, fühlte Bill sich wie einfach abgestellt. Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis er hörte, wie das Wasser in der Dusche aufgedreht wurde und er wusste genau, welches Gefühl seinen Bruder so dringend dort hingezogen hatte. Etwas verloren wanderten seine Augen durch den kleinen Flur, der ihm so unbekannt war. Seine erste Ankunft hier hatte er sich so sicherlich nicht vorgestellt. Er stellte seine Tasche neben sich ab, streifte seine Jacke von den Schultern und hängte sie neben die von Tom. In seinen Körper zog eine Schwere, die ihn spüren ließ, wie kaputt er war, und als er in das Zimmer kam, in dem sein altes Bett stand, wurde ihm bewusst, dass sie hier waren, dass die Rausholaktion funktioniert hatte. Ohne Micha und Marcello hätte er es sicherlich nicht geschafft. Hoffentlich würden die Beiden und Andi nicht so lange brauchen, bis auch sie hier auftauchten, damit er sehen konnte, dass auch sie es bis hierher geschafft hatten. Dass es noch eine Leiche zu entsorgen gab, verdrängte er gerade lieber. Erschöpft sackte er auf das Bett, während die konzentrierte Anspannung der letzten Stunden Stück für Stück weiter von ihm abfiel und Platz für die Gefühle machte, die schon die ganze Zeit darauf lauerten, wahrgenommen zu werden. Bill selbst war nicht bereit dazu, durch seine bedrückende Gefühlswelt zu fallen, doch er hatte keine Chance. Sie sog ihn wie ein Strudel in die Tiefe, und während er am Anfang noch versuchte, seine Tränen zurückzuhalten, hatten sie ihn doch nur kurze Zeit später fest in ihrem Griff und er konnte nur noch weinen.

Er hatte nicht das Gefühl, dass er ausreichend sauber geworden war, als das Wasser, das auf seinen schmutzigen Körper herunterprasselte, unaufhaltsam immer kälter wurde. Obwohl Tom wusste, dass es keinen Sinn hatte, hatte er wie ein Verrückter eine Unmenge an Duschgel auf seinem Körper verteilt und zwanghaft versucht, es bis unter seine Haut zu schrubben. Die Seife brannte in seinen Wunden nicht annähernd so stark, wie das Geschehene in seiner Seele. Resigniert drehte er das Wasser ab, stieg aus der Dusche und trocknete seinen Körper vorsichtig.

Bill hatte sich wieder etwas beruhigt und sah sofort die zahlreichen Hämatome unter Toms Haut, als dieser mit seinen getragenen Sachen in der Hand das Zimmer betrat.

Der Blonde zog sich erst eine frische Boxershort an, bevor er das Handtuch von seinen Hüften nahm und sich zu seinem Zwilling auf das Bett setzte. „Kannst du mir die Pflaster hinten auf meine Stellen kleben? Ich komm da nicht ran,“ bat er, während er eine Schere und die Packung, die er im Spiegelschränkchen im Bad gefunden hatte, rüberreichte und sich dann so drehte, dass er mit dem Rücken zu Bill saß.

Drei tiefe, klaffende Schnitte entdeckte der Schwarzhaarige unter dem rechten Schulterblatt. Jeder normale Mensch hätte gewusst, dass die genäht hätten werden müssen, doch genau an dem Punkt wurde es am Deutlichsten, dass die Zwillinge nicht das waren, was man weitläufig unter normal verstand. Immer noch nah am Wasser gebaut, schluckte Bill schwer, während er anfing, das erste Pflaster zuzuschneiden, doch als er es aufkleben wollte, wusste er nicht wie. Die Klebefläche würde bis in die nächste Wunde reichen. „Das geht so nicht. Ich glaube, ich geh mal deinen Verbandkasten holen. Da gibt es bestimmt geeigneteren Kram, um das hier zu versorgen,“ überlegte er.

„Nein, geh nicht raus,“ fand Tom den Gedanken schrecklich. Draußen war es nicht sicher. „Kannst du das nicht irgendwie so zurechtschneiden, dass es doch geht? Muss ja nicht perfekt sein… nur so, dass mein Shirt da nicht festklebt.“

„Okay. Ich versuch’s,“ machte Bill sich an die friemelige Arbeit.

„Danke, dass du uns da rausgeholt hast.“ Toms Stimme war leise, weil er sich schämte, aber aus genau dem Grund war es gerade auch gut, dass er mit dem Rücken zu ihm saß und ihn nicht ansehen musste. „Ich weiß nicht, wie ich mich entschuldigen soll… oh man… das ist alles meine Schuld. Ich hätte auf dich hören sollen, dann wäre das nicht passiert… dann hätte Andi jetzt keine gebrochenen Knochen und kein… oh Gott… ich hab ihm so viel angetan... und dir… und…“

„Hör auf, Engel,“ unterbrach Bill ihn, legte die Sachen aus seinen Händen beiseite und stand auf, damit er sich vor seinen Engel hocken konnte. „Du hörst mir jetzt gut zu. Sieh mich an,“ forderte er. „Du hast verdammt noch mal keine Schuld,“ sagte er eindrücklich, als die Augen seines Bruders gehorchend und voller Zweifel auf ihn gerichtet waren. „Schuldig sind die, die uns die Wahrheit vorenthalten. Schuldig sind alle, die mitmachen bei… wie auch immer man das nennen soll… und du weißt, wer vor Allem schuldig ist… dieses tote Arschloch. Du tust dir selbst am Meisten an, wenn du dir für etwas die Schuld gibst, was du nicht getan hast. Neugier ist kein Verbrechen, Tom. Es ist dein Recht, herausfinden zu wollen, wer du bist. Wahrscheinlich hätte ich an deiner Stelle genau so gehandelt. Hättest du mich dafür verurteilt? Hättest du mir dafür die Schuld gegeben?“

Tom schüttelte leicht seinen Kopf, der ein wenig begriff, was sein Gefühl noch nicht wahrhaben wollte. „Ich will nichts mehr herausfinden,“ flüsterte er und senkte seinen Blick wieder. „Das macht alles nur schlimmer.“


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#145

RE: ~ Zurück zum Nullpunkt ~

in Fanfictions 23.12.2008 21:38
von Lowy • Besucher | 28.932 Beiträge

~ 20. Kapitel ... Teil 2 ~


Bill hatte es irgendwie hinbekommen, die Wunden einigermaßen zu verpflastern, und Tom war gerade fertig damit, sich anzuziehen, als sich ein Schlüssel im Schloss der Wohnungstür drehte. Noch bevor die Tür aufging, hatte der Blonde seine Augen gespannt darauf gerichtet. Es hoffte, dass es wie besprochen Andi, Micha und Marcello waren, doch sicher war er sich nicht, bis er sie sah und da lief Bill schon an ihm vorbei den Dreien entgegen.

„Wie ist es gelaufen? Was hat der Arzt gesagt?“ fragte der Schwarzhaarige sofort besorgt. Es war Zeit für zumindest einige Antworten.

„Na ja… für meine Handgelenke hab ich gleich etwas mitbekommen, es gibt ein paar Prellungen und mein Brustkorb ist einigermaßen im Eimer… aber nichts, was nicht wieder heilen würde. Ich hab Glück gehabt,“ fand Andi, der sich jetzt, wo er diesen festen Klebeverband unterstützend um seinen Oberkörper gewickelt bekommen hatte, körperlich gleich viel besser fühlte. Die Schmerzmittel, die er erhalten hatte, taten sicherlich auch ihren Beitrag dazu.

„Wenn man bei acht Brüchen an sechs Rippen von Glück sprechen kann,“ fügte Marcello zweifelnd hinzu. „Eigentlich wollten sie ihn da behalten.“ Er hatte das Röntgenbild gesehen und war dem Weißhaarigen, außer beim Röntgen selbst, nicht einen Moment von der Seite gewichen. Das reichte, damit er Andi ab dem Moment für den tapfersten Menschen hielt, dem er je begegnet war. Okay… der Arzt hatte auch von Glück gesprochen… Glück, dass keine angrenzenden Organe verletzt worden waren.

„Und deshalb gehörst du jetzt auch ins Bett,“ mischte Micha sich ein. „Außerdem werden die Pizzas kalt. Beim Essen können wir ebenso gut reden,“ drängte er, einen Stapel der flachen Kartons in den Händen haltend, den kleinen Flur zu verlassen. Er hatte, nachdem sie den Mercedes erstmal bei einem Freund von Andi in der Garage untergestellt hatten, seine Frau angerufen und sich dann um das Essen gekümmert, während Marcello Andi zur Untersuchung ins Krankenhaus begleitet hatte, und er sehnte sich danach, sich einfach erstmal irgendwo hinzusetzen und neue Kräfte zu sammeln.

Jeder suchte sich in Andis Zimmer einen Platz und während sie aßen, tauschten sie sich aus, besprachen, was sie sagen würden, falls die Polizei bei einem oder mehreren von ihnen auftauchen würde und wie sie weiter vorgehen würden. Sie waren alle wahnsinnig müde, doch sie hatten noch zu viel ihrer Haut zu retten, bevor sie in ein dringend benötigtes Koma fallen konnten. Der Wagen mit der Leiche und der Tatwaffe mussten so schnell wie möglich wieder aus Fabis Garage heraus und sie beratschlagten eine ziemlich lange Zeit, wie sie alles zusammen unauffindbar verschwinden lassen konnten. Das, was ihnen einfiel, hatten sie mal in irgendwelchen Filmen gesehen und meist stand dann am Ende eines Vorschlages die Erkenntnis, dass die Umsetzung unrealistisch war oder keine dauerhafte Lösung darstellte, doch irgendwann hatte Tom einen konkreten Vorschlag, mit dem sie alle leben konnten. Ihnen war klar, dass es bei keiner Idee eine hundertprozentige Sicherheit gab, doch der Plan, den Wagen in der Elbe zu versenken, klang zumindest besser, als alles, was sie vorher durchdacht hatten, zumal Andi die von Tom beschriebene Stelle auch kannte und der Möglichkeit, dass es funktionieren könnte, zustimmte. Der Fluss führte viel Wasser nach dem Regen der letzten zwei Wochen und er war auch in nicht so regnerischen Zeiten tief genug, außerdem gab es dort eine Brücke, die eigentlich nur für Fußgänger war, doch breit genug, dass sogar zwei Autos nebeneinander hätten drüber fahren können. Das Geländer musste am höchsten Punkt ab- und wieder aufgebaut werden, doch da es komplett aus Holz war, war das in ihren Köpfen irgendwie machbar… außerdem hatten sie keinen besseren Plan. Einig darüber, dass diese Aktion dann wohl doch lieber im Schutz der Nacht durchgezogen werden sollte, wenn möglichst wenige Menschen unterwegs waren und möglichst wenige Schiffe auf dem Wasser fuhren, legten sie sich doch schlafen, als sie das Gefühl hatten, dass ihr Vorhaben soweit durchdacht war und alle Werkzeuge zusammengesucht waren, dass sie erstmal nicht mehr tun konnten.

Bill und Tom blieben bei Andi, während Micha und Marcello sich ins andere Zimmer legten. Komplett erschöpft fielen sie alle schnell in tiefen Schlaf.


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Es war kurz nach Mitternacht, als die Zwillinge und ihr Wahlbruder Bills Wohnung betraten, und dieses Mal war es der Schwarzhaarige, der es ziemlich eilig hatte ins Bad zu kommen. Andi hatte es in seiner Wohnung für eine ganze Weile blockiert und jetzt zog Bill schleunigst die Klamotten aus, die seit einer gefühlten Ewigkeit an ihm klebten und nahm eine heiße Dusche. Danach fühlte er sich wieder wie ein Mensch.

„Wenn du dich noch ein Mal bei mir entschuldigst, dann näh ich dir deinen Mund zu,“ hörte er Andi empört sagen, als er, fertig angezogen, wieder zurück ins Wohnzimmer kam. „Aber deine Rippen wären noch ganz, wenn ich…“ Tom brach mitten im Satz ab, als er Bill entdeckte und kümmerte sich plötzlich geschäftig weiter um den Joint, den er gerade vorbereitete. Es war offensichtlich, dass das Gespräch endete, weil der Schwarzhaarige dazugekommen war. „Wenn du was, Tom?“ bohrte der auch gleich nach und setzte sich mit auf das Sofa. „Erzählt ihr mir nichts, weil ihr nicht könnt oder weil ihr mich schonen wollt?“ fügte Bill noch hinzu. Er hatte die ganze Zeit aus Rücksicht vor Toms und Andis Gefühlen still gehalten, obwohl es an ihm nagte, nicht zu wissen, was die Beiden erlebt hatten, doch jetzt gerade hatte er den starken Eindruck, dass deren Zurückhaltung etwas mit ihm zu tun hatte, und ein Blick in Toms Augen und das betretene Schweigen Beider bestätigte das auch noch. Was sollte das denn nun? Seine Nerven waren gerade nicht die stärksten und er spürte, wie ihn das kränkte und wütend machte, dass die Zwei ihn so ausschließen wollten. „Ihr seid doch bescheuert,“ motzte er los. „Glaubt ihr etwa, dass in meinem Kopf nicht die scheußlichsten Bilder sind, wenn ihr mir verschweigt, was passiert ist?“ Entgeistert sah er sie an, doch eine Antwort wartete er nicht ab. Er stand auf und stapfte in die Küche. Ihm fehlte im Augenblick das Verständnis für ihr Schweigen und er murmelte ärgerlich sein Unverständnis heraus, während er etwas zu Trinken griff und drei Gläser zwischen die Finger seiner rechten Hand klemmte, um sie mitzunehmen. Was dachten sich die Beiden nur dabei? Teilten sie nicht eigentlich alles miteinander? Er wollte für sie da sein, ihren Schmerz gemeinsam mit ihnen tragen, bei ihnen sein, doch warum ließen sie das nicht zu? Er fühlte sich schlecht deswegen. Es wäre etwas Anderes gewesen, wenn sie nichts sagten, weil es zu schwer für sie war, aber so fühlte er sich irgendwie hintergangen. Missmutig trug er die Sachen ins Wohnzimmer. Andi lag so auf dem Sofa, wie er eben auch gelegen hatte, aber Tom war aufgestanden und wühlte nun in seinem Rucksack.

Als der Blonde das, was er suchte, herausgefischt hatte, setzte er sich neben Bill. „Du hast Recht, Schatz. Das wir nichts sagen, ist nicht fair. Tut mir leid.“ Er konnte schon gar nicht mehr zählen, wie oft er die letzten drei Worte in den letzten Stunden gesagt und auch immer wirklich gemeint hatte. Am Liebsten hätte er sich für seine Existenz entschuldigt und er fühlte, wie er Bill jetzt unbeabsichtigt verletzt hatte, was ihm selbst wehtat. „Natürlich hast du ein Anrecht darauf zu wissen, was passiert ist. Es ist nur so schwer, dir etwas zu sagen, weil es alle Illusionen über unsere angebliche Freiheit raubt,“ rückte er langsam mit der Sprache heraus, sah seinen Zwilling dabei aber jetzt gerade heraus an. Noch schlimmer als die Demütigungen und all die körperlichen Martyrien, die sie durchmachen mussten, war für ihn der Verlust ihrer geglaubten Freiheit. Das machte ihn komplett fertig und raubte ihm jegliche Hoffnung auf eine bessere Zukunft und er wusste, dass wenn er jetzt weiterredete, dass es Bill auch so gehen würde und dieser Schritt war so wahnsinnig schwer, dass er ihn so lange herausgezögert hatte, bis er seinem Liebsten damit weh getan hatte. Auch jetzt zögerte er noch, und da ihm nach wie vor eigentlich die Worte fehlten, legte er seinem Bruder das Foto, das er in dem Raum mit den Akten eingesteckt hatte und das bei der Durchsuchung seiner Person unentdeckt geblieben war, auf den Schoß. „Sieh dir das an,“ sagte er erstmal nur.

Bill folgte Toms Aufforderung, und sein Blick erfasste die Szene auf dem Foto, die ihm einen sofortigen Gefühlsumschwung brachte. „Oh mein Gott,“ reagierte er einerseits voll von schönen Gefühlen, andererseits verwirrt. Der Moment, der dort festgehalten war, war ein ganz besonderer für ihn… für sie Beide. Die Kamera, mit der das Bild aufgenommen worden war, musste eine sehr teure sein, denn sie waren trotz des dämmrigen Lichts absolut gut zu erkennen. Es sah so aus, als hätte der Fotograph direkt neben ihnen gestanden und aus ihren Gesichtern sprang die Faszination füreinander. „Das ist unser erster Abend,“ beschrieb er mit wachsender Verunsicherung das, was zu sehen war… sie Beide vor dem Icon… sein Bein zeigte noch, wie er sich gerade von der Mauer abgestoßen hatte. „Da hab ich gerade deinen Namen erfahren,“ sah er jetzt zu Tom, hingerissen von dem Augenblick des Bildes, doch gleichzeitig mit der Ahnung von dem Damoklesschwert, das über diesem Foto lag. „Was bedeutet das? Warum gibt es das? Woher…?“ stotterte er. Sein Inneres wollte noch nicht begreifen, wollte lieber noch etwas verwirrt bleiben, wollte keine Antwort und dennoch brauchte er sie.

Liebevoll griff Tom nach Bills Hand und hielt sie. „Es gibt unzählige Fotos… nicht nur von uns Beiden zusammen… auch aus der Zeit davor… egal, mit wem wir unterwegs waren oder wo wir waren. Sie haben uns nicht entlassen, Engel… nie. Sie wissen alles von uns und beobachten uns permanent. Wir sind nirgendwo vor ihnen sicher. Es ist nicht vorbei,“ ließ er die schärfste und für ihn bedrohlichste Bombe nun ganz platzen und merkte, wie seine Stimme anfing zu zittern. In Bills Augen, die sich fassungslos weiteten, konnte er sehen, wie der Inhalt der Worte ihn erreichte. Er schluckte schwer.

„Nein,“ wehrte Bill sich wider besseren Wissens und schüttelte widerstrebend seinen Kopf, so dass ihm seine noch feuchten Haare ins Gesicht schlugen. Das wollte er nicht hören, nicht fühlen, nicht wahrhaben. „Nein, Tom. Das geht nicht, das darf nicht sein… er ist tot und wir leben und es gibt keine anderen… es gibt nur uns und wir sind frei… sag mir, dass wir frei sind,“ flehte er, sich selbst etwas vormachen wollend.

Tom Herz krampfte sich zusammen, als er das Leid seines Engels sah und fühlte. Genau das hätte er ihm ersparen wollen. Sanft zog er ihn in seine Arme, legte seine Wange an die seines Zwillings. „Wir sind frei, mein Herz,“ log Tom verzweifelt und wusste, dass Bill wusste, dass er log.

Der Schwarzhaarige war ihm unendlich dankbar für seine Lüge, für seine Nähe, seinen Halt. Diesen Brocken musste er erstmal schlucken. „Danke,“ flüsterte er, während im selben Moment sein Handy einen Laut von sich gab und seine Gedanken damit abrupt in eine andere Richtung schubste. „Oh Gott… hoffentlich hat es funktioniert,“ löste er sich sofort wieder von seinem Bruder und sprang auf, um seine Tasche, die noch gemeinsam mit Toms Rucksack und Andis Tasche neben der Tür zum Flur stand, zu holen und sein Handy herauszufischen. Ungeduldig drückte er die Taste, die die Nachricht öffnete. Die sms von Micha enthielt nur ein kleines Symbol… ein Sternchen. Erleichterung fuhr erholsam in ihn und löste alle Gefühle von davor ab. „Sie sind zu Hause und es ist alles glatt gelaufen,“ gab er die Nachricht, die sich hinter diesem Symbol verbarg, sofort an Tom und Andi weiter.

„Gott sei Dank,“ atmete der Weißhaarige auf und auch aus Tom kam ein erleichtertes Seufzen. „Bleibt also nur noch zu hoffen, dass die Karre nie gefunden wird.“

Micha und Marcello hatten darauf bestanden, den Plan, die Leiche loszuwerden, ohne die Drei durchzuziehen und waren bereits über zwei Stunden vor ihnen aus Magdeburg aufgebrochen. Auf der Rückfahrt hierher, hatte Bill schon ständig ungeduldig auf sein Handy geschaut und es hatte kein anderes Gesprächsthema gegeben als ihre Gedanken, die, bis sie in diese Wohnung getreten waren, nur um die Beiden kreisten, ohne die sie selbst es nicht bis hierher geschafft hätten. Die Dankbarkeit, die sie für Marcello und Micha empfanden, war in Worten gar nicht auszudrücken.


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Ganz langsam ließ Bill den Rauch des letzten Zuges von dem Joint aus seinem Mund aufsteigen, bevor er ihn ausdrückte und sich wieder gemütlich zurücklehnte, seinen Kopf an das Polster legte. Die Wirkung der Droge lag auf ihm wie eine schützende Decke. Er fühlte sich etwas schläfrig und ein Stück weit aus der schrecklichen Welt genommen. „Wie bist du an das Foto gekommen?“ wollte er jetzt wissen, bereit dazu, mehr zu erfahren… und er erfuhr mehr.

Auch bei Tom und Andi war die in Watte packende Wirkung angekommen und sich unregelmäßig abwechselnd, bekam Bill nun eine einigermaßen chronologische Abfolge der Geschehnisse erzählt. Davon, wie sie in den Raum mit den Akten gelangt waren, wie sich der Schlüssel hinter ihnen im Schloss gedreht hatte, auf was sie dort alles gestoßen waren.

Bill war entsetzt darüber, dass es diese Akten mit den Untersuchungen an ihnen gab und dass Andi sie gesehen hatte, doch er sagte kein Wort, hörte einfach nur zu. Er konnte sich gut vorstellen, was in Tom los gewesen sein musste, als der Tyrann aufgetaucht war und was für eine Angst sie gehabt haben mussten, nachdem sie in das Verhörzimmer gebracht worden waren und dort gefesselt wurden. Er erfuhr noch, dass sie dort lange im Ungewissen waren, bevor dieser Unmensch hereingekommen war, doch dann verstummten seine Brüder. Bill sah ihnen an, wie sie mit sich kämpften und er wusste, dass es kaum möglich war, Worte für das zu finden, was passierte, wenn der Tyrann loslegte. Er kannte es nur zu gut, wie dieses Arschloch mit der Angst seiner Opfer spielte, wie er es wie kein Anderer drauf hatte, bereits mit dem, wie und was er sagte, die Angst noch weiter zu schüren. Er wusste, dass es kein Richtig gab, wenn man in seinen Klauen war… egal, wie man sich verhielt, es führte immer dazu, dass es nicht das war, was er wollte und er schaffte es immer wieder, einem das Gefühl zu geben, selbst verantwortlich für das zu sein, was dann passierte. Es war gut, dass er tot war. Gerade wollte Bill sagen, dass sie nichts sagen mussten, wenn es zu schwer fiel, doch in dem Moment redete Andi weiter.

„Er hat die ganze Zeit ausschließlich mit Tom gesprochen,“ sah er Bill an, doch er unterbrach sich sofort selbst wieder und wandte sich an den Dreadlockigen. „Tom… bitte begreif doch, dass du nichts falsch gemacht hast. Es war von vornherein sein Plan, dich auf die Art fertig zu machen, wie er es getan hat. Du hattest doch gar keine Chance, daran irgendetwas zu ändern,“ versuchte er noch mal, seinen Freund davon zu überzeugen, dass ihn keine Schuld traf.

„Doch,“ widersprach der Blonde augenblicklich. „Er wäre bestimmt nicht so ausgerastet, wenn ich mich nicht gewehrt hätte. Ich wünschte, ich hätte es ni…“

„Wag es ja nicht, das auszusprechen,“ fuhr Andi scharf dazwischen und sein Gesicht verzog sich durch den Schmerz, der durch seinen Brustkorb jagte, weil er sich so schnell aufgerichtet hatte. „Das darfst du noch nicht mal denken… verdammt, Tom. Er wollte, dass du genau so denkst… lass diesen Scheißkerl doch nicht gewinnen. Oh, Mann… ich bin genau aus dem Grund, für den du dich verurteilst, so wahnsinnig stolz auf dich und das solltest du auch sein. Es wäre für mich so viel schlimmer geworden, wenn du es nicht getan hättest… und für dich noch mehr. Begreifst du das denn nicht?“ Sein Tonfall wechselte, während er sprach, von aufgeregt zu sorgenschwerer Verzweiflung.

Tom begriff es wirklich nicht. Er kam einfach nicht damit klar, wie schwer Andi verletzt wurde. Die furchtbaren Bilder davon gingen nicht aus seinem Kopf und rührten ununterbrochen an seinem Schuldgefühl, das sich wie eine unwiderrufbare Wahrheit in ihn eingenistet hatte. Er sagte nichts mehr und sah seinen Freund schon nicht mehr an, seitdem er ihm über den Mund gefahren war. Er konnte seinen Worten nicht trauen. Worauf sollte er stolz sein? Darauf, dass Andi schreckliche Qualen erleiden musste, bloß weil er nicht fähig dazu gewesen war, ruhig zu bleiben? Seine Finger drehten ununterbrochen das Feuerzeug, das er die ganze Zeit schon in der Hand hielt.

„Ach, Scheiße,“ gab der Weißhaarige resigniert auf.

Auch Bill begriff nur die Hälfte… wenn überhaupt. „Ich… äh… ich komm nicht mehr mit,“ gab er seine Verwirrung preis. „Wofür verurteilt Tom sich?“ fragte er Andi, weil er von Tom keine Antwort erwartete.

„Dafür, dass er sich gegen das Arschloch gewehrt hat. Dieses Schwein wollte mit Tom eine Wiedersehensparty feiern, wie er es genannt hat.“ Innerlich schüttelte sich alles in dem Weißhaarigen, wenn er nur daran dachte und er konnte sich jetzt wieder nicht zurückhalten, doch lieber Tom direkt anzusprechen. Er konnte es einfach nicht zulassen, dass dieses Sackgesicht mit seinem bösen Spiel durchkam. „Verdammt, Tom… überleg doch mal. Er hat mich doch auch vorher schon geschlagen, wenn er dich dazu gebracht hat, eine Antwort zu geben oder wenn er dich dazu gebracht hat, zu schweigen. Du hattest verdammt noch mal keine Chance, irgendetwas in seinem Sinne richtig zu machen. Das gehört doch zu seiner Masche. Das weißt du doch eigentlich. Du hast es mir selbst mal erzählt. Natürlich hat er dir gesagt, dass er mich schlägt, weil du Fehler gemacht hast. Damit wollte er dich doch klein kriegen.“ Er griff über Bill rüber und nahm Tom blitzschnell das Feuerzeug aus den Fingern. Es machte ihn gerade wahnsinnig, zu sehen, wie hektisch sich das Ding drehte, das von Tom mehr Aufmerksamkeit bekam, als er selber. Dass seine Bewegung einen erneuten, beißenden Schmerz in ihm auslöste, merkte er erst, als es zu spät war. Scharf zog er die Luft ein und musste einen Moment inne halten, um wieder klar zu kommen. Tom sah ihn endlich an… besorgt, aber immerhin hatte er jetzt sein Interesse. „Du hast schon so viel überstanden. Jetzt lass dich nicht von seinen Lügen zerstören. Hätte er es geschafft, dich zu vergewaltigen, dann hätte er trotzdem einen Grund gefunden, mich zusammenzutreten. Wahrscheinlich hätte er gesagt, du wärst nicht unterwürfig genug gewesen oder irgend so einen Scheiß. Meine Rippen sind nicht gebrochen, weil du dich zur Wehr gesetzt hast… sondern weil er ein Sadist der übelsten Sorte war, der Spaß am Leid anderer hatte. Deine Seele vertauscht da was,“ versuchte er ihm eindringlich zu erklären. „Ich liebe dich, Tom. Warum nur glaubst du seinen Worten mehr als meinen?“ Dass er das nicht begriff, ließ ihn verzweifeln.

„Moment mal,“ mischte Bill sich ein. „Hab ich das richtig verstanden, Tom? Hat er dich nicht…?“ stockte er, das letzte Wort gerade nicht aussprechen könnend.

Tom schüttelte leise seinen Kopf.

„Nein… hat er nicht, obwohl er es nicht nur ein Mal versucht hat,“ bestätigte Andi es ärgerlich mit Worten, weil sein Freund ja offenbar das Schweigen vorzog, was ihm gerade gehörig auf die Nerven ging. „Tom hat gekämpft wie… wie ein Held… selbst, als dieses Schwein mit diesem scheiß Messer ankam und ihn aufgeschlitzt hat.“ Herrgott, dass Tom das nicht einsah, wühlte ihn immer mehr auf. „Du bist mein Held, Tom… auch wenn du das nicht hören willst,“ schnauzte er ihn an, während er aufstand und das Feuerzeug auf den Tisch pfefferte, so dass es am anderen Ende wieder runter sprang. „Ach Scheiße… ich muss hier weg,“ flüchtete er aus der Situation und verdrückte sich schleunigst ins Schlafzimmer, wo nicht aufhören konnte wütend auszuschnauben, und am Liebsten hätte er gerade irgendwo gegengetreten. Er konnte es gerade nicht mehr ertragen, Tom dabei zuzusehen, wie der sich an seiner angeblichen Schuld festhielt und dieses Monster damit gewinnen ließ, als ob der nicht so schon genug Schaden angerichtet hatte. Das kotzte ihn einfach total an. Eigentlich kotzte ihn alles total an. Wie bescheuert lief er kreuz und quer durch das Zimmer und wusste nicht, wohin mit dieser Wut, die sich in ihm ausweitete wie ein Ballon, der immer weiter gefüllt wurde, bis er zum Zerplatzen gespannt war, doch als er platzte, was es keine Wut, die entwich. Die letzten beiden Tage gab es immer noch etwas zu tun. Entweder war er mit Überleben beschäftigt gewesen oder mit Tom, dann kam das Ding mit der Leiche und die Sorge, dass immer noch etwas schief gehen konnte, und eben noch, dass Bill alles erfahren musste, doch jetzt… jetzt war er allein. Mit dem Zerplatzen seines Wutballons wurde ihm zum ersten Mal wirklich klar, was passiert war, und er spürte zum ersten Mal, welche Wunden das, außer seinen körperlichen, bei ihm verursacht hatte. Der Schmerz, der durch seine Seele zog, war mächtig… mächtiger als das, was er je erlebt hatte, und mächtiger, als er bewältigen konnte. Seinen Körper zog es an dem Punkt, an dem er stand, auf die Knie. Er brach unter der Last seiner Verzweiflung zusammen und konnte nur noch weinen.

Im Gegensatz zu dem Weißhaarigen, steckte Tom nach wie vor in diesem Schockzustand, den seine Seele aufrechterhielt, um ihn vor der tiefen Traurigkeit zu schützen, die ihm noch bevorstand. „Oh Gott… ich mach alles falsch,“ flüsterte er, über sich selbst entsetzt, als die Tür hinter Andi zugeknallt war. Wieder hatte er das starke Gefühl, sich unbedingt entschuldigen zu müssen. Er schämte sich. Andi war der beste Freund, den man sich nur vorstellen konnte… und was war er selbst? Er wusste, dass er ihn gar nicht verdient hatte. Nie würde er auch nur ansatzweise so ein Freund für ihn sein können. Dazu machte er einfach zu viele Fehler, obwohl er das doch gar nicht wollte… und auch jetzt wusste er nicht, wie er sich verhalten sollte. Sollte er ihm hinterher gehen? Eine Entschuldigung wollte er sicherlich nicht noch mal hören. Sollte er ihn lieber in Ruhe lassen? Er wollte sich wie ein guter Freund verhalten, doch er hatte gerade keine Ahnung, was gut oder schlecht war. Unentschlossen sah er durch den Dschungel hindurch auf die geschlossene Tür, hinter der Andi sich verbarg, und fühlte sich einfach mies.

In Bill türmten sich schon wieder die verschiedensten Gefühle wild aufeinander. Da war diese irre Erleichterung darüber, dass Tom es geschafft hatte, sich so zu wehren, dass dieses Ungeheuer nicht das geschafft hatte, was er selbst als das Allerschlimmste empfand. Ganz bestimmt war es ganz arg schrecklich, was sein Zwilling trotzdem durchmachen musste, doch dass er nicht noch mal vergewaltigt wurde, wie er erst angenommen hatte, war wie ein kleines Wunder in dieser ganzen Flut aus furchtbaren Dingen, die er erfahren und mitgemacht hatte und am Liebsten wäre er Tom dafür um den Hals gefallen, doch der war mit etwas ganz Anderem beschäftigt, und das verstand er auch. Er konnte sowohl Andi als auch Tom mit ihren Gefühlen verstehen und war sich jetzt ähnlich unsicher wie sein Bruder, was er zuerst tun sollte, weil er sich nicht sicher war, wer von Beiden ihn nun dringender brauchte. „Du machst nichts falsch, Engel,“ reagierte er erstmal zärtlich, doch da stand Tom schon auf und lief zum Schlafzimmer. Bill beeilte sich, hinterherzukommen.

„Oh mein Gott.“ Tom kam aus dem entsetzten Flüstern nicht raus, als er das verzweifelte Bündel entdeckte, das im Schlafzimmer auf dem Boden kauerte, und fürchterlich weinte. So hatte er ihn noch nie gesehen. Er überlegte nicht mehr, was richtig oder falsch war. Sein Gefühl ließ ihn nur noch so schnell wie möglich handeln. Er kniete sich neben ihn und hob ihn ganz vorsichtig etwas hoch, damit er ihn in ebenso vorsichtig in seine Arme nehmen konnte. Immer wieder streichelte seine Hand über Andis Kopf, den er auf seine Schulter gelegt hatte. Auch wenn seine Gefühlswelt völlig durcheinander war, wusste er in diesem Moment, dass nicht er es war, der Andis Zusammenbruch hier verursacht hatte… sondern dass es der Zusammenbruch war, der nach so einem Erlebnis unweigerlich kam. „Ich liebe dich, Bruder,“ wurde er von den Gefühlen mitgerissen und fing jetzt auch an zu weinen. Fast wäre ihm über die Lippen gekommen, dass alles wieder gut werden würde, doch davon war er gerade selbst zu wenig überzeugt, als dass er es hätte sagen können.

Für Andi war die Welt zusammengebrochen, in der er bisher gelebt hatte, und er wusste, dass er sie nie wieder betreten können würde. Es war eine Sache, gewusst und mitgefühlt zu haben, was Bill und Tom in ihrem Leben passiert war… aber es war eine ganz andere Sache, selbst mit dabei gewesen zu sein, dabei wusste er, dass er sogar noch Glück gehabt hatte, dass ihm nicht Schlimmeres passiert war. Er war Tom so dankbar, dass gerade er ihn jetzt hielt und ihn seine Liebe fühlen ließ, und auch wenn es ganz ungewohnt war, ließ er sich in dessen Armen fallen und weinte den unsäglichen Schmerz gemeinsam mit ihm heraus. „Oh Gott, es war so schrecklich… so schrecklich,“ schluchzte er verzweifelt und wurde sofort von einem weiteren Weinkrampf geschüttelt.

Als Bill seine Brüder so sah, kam sein irrationales Schuldgefühl, das er schon die ganze Zeit unterschwellig mit sich rum trug, für einen Augenblick hämisch hervor gekrochen. Er war zu spät gekommen… zu spät, um sie zu befreien, bevor sie all die furchtbaren Qualen hatten durchmachen müssen. Warum nur hatte er nicht auf sich selbst gehört, als er das Gefühl gehabt hatte, sofort wieder zurückfliegen zu müssen? Doch seine Schuld ging so schnell wieder, wie sie gekommen war. Es ging hier nicht um ihn. Da vorn hockte seine Familie und war verwundet und verzweifelt, und so saß er schon bald bei ihnen und ließ sie spüren, dass er sie mit hielt. Auch bei ihm flossen die Tränen, doch in diesem Dreieck war er es dieses Mal, der die meiste Stärke und Ruhe mit einbrachte und seine Liebsten damit versorgte… und er war der Einzige, der in diesem Moment Hoffnung hatte. „Wir sind zusammen,“ machte er sanft sprechend bewusst. „Nichts kann unsere Liebe füreinander zerstören, und damit sind wir stärker als alles Böse auf dieser Welt.“


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#146

RE: ~ Zurück zum Nullpunkt ~

in Fanfictions 23.12.2008 22:52
von schäfchen • Besucher | 3.541 Beiträge

puh. Ich bin grad echt sprachlos
eigentlich müsste ich schon im Bett liegen, aber ich konnte nicht aufhören zu lesen, ist dir auch nur annährend bewusst, wie geil du schreibst?
Meine Güte, ich muss erst mal wieder runterkommen

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#147

RE: ~ Zurück zum Nullpunkt ~

in Fanfictions 23.12.2008 23:10
von Lowy • Besucher | 28.932 Beiträge

Zitat von schäfchen
ist dir auch nur annährend bewusst, wie geil du schreibst?



öhm... wenn du so fragst... wohl nicht
... aber es scheint sich für dich ja gut zu lesen^^ *mich freut*

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#148

RE: ~ Zurück zum Nullpunkt ~

in Fanfictions 24.12.2008 00:10
von elodia • Besucher | 4.103 Beiträge
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#149

RE: ~ Zurück zum Nullpunkt ~

in Fanfictions 24.12.2008 01:11
von Lowy • Besucher | 28.932 Beiträge

elodiaschatz

nicht weinen
*dich ganz lieb drück*

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#150

RE: ~ Zurück zum Nullpunkt ~

in Fanfictions 24.12.2008 06:28
von schäfchen • Besucher | 3.541 Beiträge

Es liest sich anscheinend so gut, dass ich bis eben kurz vorm Aufwachen davon geträumt hab. Ich hatte vielleicht Herzrasen, das kann ich dir sagen.

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