~ Bill ~

Geräuschvoll schloss ich die Tür hinter mir und blieb erst mal mitten im Flur stehen. Jetzt war die Katze also aus dem Sack, und ich nickte nur auf seine sowieso überflüssige Frage, während ich gleichzeitig hoffte, dass er jetzt nicht irgendwie ein Problem damit haben würde... so richtig wusste ich nicht, wie ich sein verlegenes Grinsen auffassen sollte. Oh Mann, wie ich das hasste, dass die meisten Leute nicht einfach ganz normal mit mir umgehen konnten, und ich hatte jetzt auch keine Lust, hier so ein Verlegenheits-Ding entstehen zu lassen. "Wo ist deine Küche?", wollte ich voller Tatendrang wissen und registrierte vergnügt, dass er ein bisschen aus dem Konzept gebracht schien. Angriff war eben doch oft die beste Verteidigung, dachte ich still in mich hineinlächelnd, und wartete auf eine Reaktion, die nur in Form eines ausgestreckten Fingers folgte. "Okay, dann komm... gehen wir kochen", sagte ich und machte mich auf den Weg in die Richtung, die er mir gezeigt hatte. Irgendwie fühlte ich mich hier ganz entgegen meiner Natur sofort wohl. "Und zieh dich mal vernünftig an", fügte ich dann noch leise kichernd hinzu, ohne mich noch einmal umzudrehen.

~Jan~

"Äh, ja...mach ich", grinste ich direkt noch mal verlegen und fügte kichernd hinzu: "Ich brauch nur mal noch meinen Gürtel." Ich zeigte erneut mit dem Finger, allerdings diesmal auf mein Schlafzimmer, verschwand kurz, um diesen zu holen, fummelte ihn allerdings erst durch die Hose, als ich bereits wieder in der Küche stand. "Sorry, ich bin etwas spät dran...hab mich vorhin mit Till verquatscht, wenn du öfter zu ihm gehst und da geh ich jetzt mal von aus, da ich weiß wer du bist...man geht ja gern zu Till, wenn man nicht unbedingt erkannt werden will...das ich da nicht gleich drauf gekommen bin...ich wusste doch ich hab diese Augen schon mal gesehen...egal... Da vorne findest du Messer." redete ich ohne Punkt und Komma und konzetrierte mich sowenig auf meinen Gürtel, dass es eine Weile dauerte, bis ich ihn fertig durch die Jeansschlaufen gezogen hatte, zumal ich noch meine Hand benutzte um ihm diesmal damit den Weg zur Schublade zu weisen. "Und dort liegt das Gemüse", ging meine Hand nach rechts zum Tisch. "Ach ja und da sind Bretter drin...nicht, dass du mir direkt auf meinem guten Tisch rumschnippelst", grinste ich diesmal ganz ohne Scham und Verlegenheit mit einem Blick zu meinem uralten Holztisch. Hach ich liebte ihn.

~ Bill ~

"Gott, du redest ja noch mehr als ich", bemerkte ich mit hochgezogener Augenbraue, doch ich erhielt keine Antwort darauf. Nachdem Jan endlich seinen Gürtel an Ort und Stelle gebracht hatte, war er jetzt mit Feuereifer an seinem Hemd beschäftigt. Multi-Tasking-fähig schien er nicht gerade zu sein... ich zog erst mal in aller Ruhe meine Jacke aus und hängte sie über einen freien Stuhl. "Verrätst du mir, wer Till sein soll? Ich komm da grad nicht ganz mit", fragte ich, und versuchte gleichzeitig zu verarbeiten, welche Informationen er mir eben noch alle in viel zu kurzer Zeit um die Ohren geknallt hatte. "Wer hatte eigentlich die glorreiche Idee mit dem Gemüse?", mokierte ich mich nur eine Sekunde später über die Paprika in meiner Hand. Ich stand nur bedingt auf so gesundes Zeug, aber es konnte auch gut sein, dass ich am Telefon zu abgelenkt gewesen war, und seinen Vorschlag einfach so abgesegnet hatte - ich wusste es nicht mehr, doch ich würde es auch ganz sicher nicht so ohne weiteres zugeben.
"Bevor ich mir jetzt den Finger absäbel...", schnappte ich mir dennoch Messer und Brett, ich wollte es mir ja aber auch nicht gleich nach zwei Minuten wieder verderben... "...wow, der Tisch ist wirklich toll", hatte ich schon wieder vergessen, was ich sagen wollte, als ich mich an denselbigen stellte und ihn zum ersten Mal genauer unter die Lupe nahm. Fasziniert betrachtete ich die feine Maserung der Tischplatte - das Möbelstück hatte Stil und Charakter, und das gefiel mir.

~Jan~

"Dir gefällt mein Tisch?", sah ich ihn fragend an und war völlig überwältigt, als mir seine Augen sagten, dass dies tatsächlich der Fall war. "Gott, dafür bist du schon mein Freund...wenn du willst darfst du auch hier einziehen." Ich grinste im Kreis... also wenn mich nicht meine Ohren davon abhalten würden. "Alle und zwar wirklich alle sagen mir sonst immer, dass mein Liebling nur noch für den Müll gut ist", liebevoll strich ich über das alte Holz. "Und zur Gemüselasagne gehört nun mal Gemüse...würde ich zumindest mal so behaupten", wunderte ich mich schon ein wenig, wie man als Vegetarierer Gemüse als glorreiche Idee betiteln konnte. Mein Hemd war endlich zugeknöpft und ich bewaffnete mich auch mit Brett und Messer und setzte mich zu Bill an den Tisch. "Ach und lass bitte den Finger dran...ich steh nicht so auf Blut und son Zeugs."

~ Bill ~

"Ja, mir gefällt dein Tisch - sogar mehr als das, und die Leute, die behaupten, der gehört auf den Müll, die solltest du mal verprügeln... und ich glaub, das mit dem einziehen überlegst du dir bestimmt noch mal anders", grinste ich, während ich innerlich fieberhaft darüber nachdachte, wie viel Wahrheit er wohl vertragen konnte. Andererseits machte er nicht den Eindruck, meine Geständnisse morgen an den meistbietenden Journalisten verkaufen zu wollen. Und wieder andererseits hatte er mich nicht direkt drauf angesprochen, also konnte ich auch genau so gut das Thema unter den Tisch fallen lassen. So dramatisch war das ja dann auch wieder nicht. "Bekomm ich denn heut noch raus, was es mit diesem ominösen Till auf sich hat?", hakte ich lieber noch mal das unwichtigste überhaupt nach. Mein Blick fiel auf seine Hände, die wesentlich geschickter als ich mit dem Messer umgingen. Ob er in allem so geschickt war? Nur mit Mühe konnte ich mir ein Grinsen verkneifen.

~Jan~

"Till?", war ich im ersten Moment verwirrt und ich dachte daran, dass meine Verwirrtheit gerade mit meiner Nervosität zu tun haben musste, die mir zwar nicht mehr so sehr anzumerken war, im meinem Inneren aber durchaus noch Bestand hatte. "Achso Till, der aus dem Gemüseladen. Ich dachte du würdest ihn kennen, viele in der Öffentlichkeit stehende Hamburger gehen dort einkaufen. Till hat irgendwie Bezug zur Prominenz", grinste ich wieder offensichtlich, innerlich hatte ich eh das Gefühl aus dem grinseartigen Lächeln gar nicht mehr hinaus zu kommen. "Keine Ahnung woran das genau liegt, man kann den Laden nicht mal von außen überblicken und er ist eigentlich auch ganz gut besucht, aber bei Till fühlt man sich irgendwie sicher." Wunderte ich mich selbst, ich hatte mir noch nie wirklich Gedanken darüber gemacht.

~ Bill ~

Meine Augen wanderten von seinen Händen zu seinem Gesicht und für einen Moment musterte ich ihn verstohlen von der Seite. Irgendwie war diese Situation völlig verrückt, ich saß hier mit einem Fremden in seiner Wohnung und es fühlte sich total normal an. „Um ehrlich zu sein, war ich zum ersten Mal dort, deshalb kenn ich diesen Till auch nicht. So oft geh ich nicht allein vor die Tür“, sagte ich mit einer Spur von Bedauern in der Stimme, was mich schon wieder ärgerte. „Aber du scheinst dich ja öfter dort rumzutreiben“, setzte ich schnell hintendran und fragte mich gleichzeitig, warum er ausgerechnet dort seine Einkäufe machte. War er einfach nur ein Gesundheitsfanatiker oder hatte ich was verpasst?

~Jan~

"Also rumtreiben tu ich mich eher abends in den Clubs", musste ich schon wieder grinsen. "Aber, ja, du hast schon recht. Wenn ich dann mal einkaufen muss, weil mich irgendwer zum Kochen bekommt, dann tu ich das bei Till und das schon...ja seit Ewigkeiten. Um genauer zu sein, seit Till diesen Laden hat...ich weiß gar nicht...das muss vor meiner Hochzeit sogar noch..." überlegte ich laut und endschied dann:"...Aber ist ja auch völlig egal." Ich wollte stattdessen viel eher auf etwas anderes eingehen. "Ich kann sehr gut verstehen, dass du nicht oft vor die Tür gehst...für dich muss das richtig schlimm sein und ich kann es nur zu tiefst bewundern, denn du scheinst für meinen Sinn da ziemlich gut mit umzugehen", sagte ich mit von ganz innen kommender Bewunderung in der Stimme. Das Bedauern, das ich in seinem Tonfall gehört hatte, war mir unendlich nah gegangen und ich war mir sicher auch heute nicht mit seinem Bekanntheitsgrad leben zu können.

~ Bill ~

Ich starrte ihn sprachlos an. Die Paprika hatte ich vergessen, irgendwelche Läden interessierten mich auch nicht mehr, und alles was er eben noch gesagt hatte, war ungehört an mir vorbeigezogen. Nur, dass er jetzt schwieg und offenbar eine Reaktion von mir erwartete, registrierte ich am Rande. "Du bist verheiratet?", platzte es aus mir heraus, ohne dass ich es beeinflussen konnte.

~Jan~

'Hehe', flüsterte mir meine innere Stimme zu. Als ich es ausgesprochen hatte verheiratet zu sein, wollte ich mich selbst noch schlagen, doch jetzt nach seiner doch relativ eindeutigen Reaktion, war ich fast froh über meine Unbedachtheit. "Ja", legte ich mein Kinn auf meine Hand und stütze mich mit dem Ellenbogen auf dem Tisch ab, während ich ihn flirtend die Augenbrauen hochziehend ansah, meine Selbstsicherheit das erste mal an diesem Abend zurückbekommend. "Hast du ein Problem damit?", spürte ich absolut eindeutig die Herausforderung, die aus meinen Augen blitzte.

~ Bill ~

"Nein", reagierte ich genau eine Sekunde zu langsam. Tom hätte mich sofort durchschaut, aber mein momentanes Gegenüber war zum Glück nicht Tom und kannte mich dafür nicht gut genug. Wobei Tom auch nicht verheiratet war... Gott, ich musste dringend meine Gedanken unter Kontrolle bekommen. Jan schien jedenfalls Spaß an meinem entgleisten Gesichtsausdruck zu haben, und das passte mir gerade irgendwie gar nicht in den Kram. "Warum sollte ich ein Problem damit haben? Hast du deine Frau für heute Abend in den Keller gesperrt?", bekam ich mich langsam wieder in den Griff, wobei die erste Frage vielleicht noch ein etwas bissig geklungen hatte.

~Jan~

„Willst du mal nachschauen?“, guckte ich immer noch herausfordernd. „Aber keine Angst, ich sperre niemanden ein“, entschloss ich mich ihn dann doch mal aufzuklären. Ich wollte das Stückchen Vertrauen, das er mir bis jetzt leicht spürbar entgegen gebracht hatte, nicht zerstören…dazu war es mir viel zu wichtig. „Ich habe zwar eine Familie und ich liebe sie abgöttisch, aber wir führen kein Leben im klassischen Sinne. Das würde schon mein Beruf nicht zulassen. Also diese Wohnung hier bewohne ich ganz allein, Anna und die Mädchen sind ganz selten mal hier. Sie leben in einem Einfamilienhaus in einem Stadtteil etwas außerhalb von Hamburg und wenn es meine Zeit zulässt und mir danach ist, dann wohne ich dort auch.“ Ich überlegte während meiner Worte, ob ich noch weitergehen sollte und entschied mich spontan dafür…es erschien mir einfach als richtig meine Hosen vor ihm herunter zu lassen und direkt klare Verhältnisse zu schaffen. „Anna ist meine Frau und ich liebe sie und meine Töchter wirklich sehr…trotzdem bin und will ich ihr nicht treu sein, wie man es vielleicht von den meisten kennt. Ich bin ihr auf meine Weise treu, auch wenn es noch für mehr Menschen Platz in meinem Herzen gibt. Es ist durchaus in der Lage mehr als einen Menschen zu lieben und ich fühle deswegen nicht weniger für sie.“ Jetzt erst sah ich von meinen Fingern wieder auf und schaute, seine Reaktion erwartend, in sein Gesicht. Irgendwie hatte ich mein Blick nicht auf ihm lassen können und mich lieber nebenbei auf das Gemüse konzentriert.

~ Bill ~

Er war wirklich ein komischer Kautz. Meinem ersten Impuls, einfach aufzustehen und zu gehen, gab ich nicht nach, das wäre wahrscheinlich doch ein bisschen reichlich überzogen und kindisch gewesen. Im zweiten Moment war ich dann doch eher wieder beeindruckt darüber, dass er mir das überhaupt alles erzählt hatte und im nächsten Moment fragte ich mich, warum das so war. Schließlich kannten wir uns gar nicht weiter. Ich hätte jetzt eine Menge Fragen in petto gehabt, aber irgendwie wollte ich dieses Thema auch nicht weiter vertiefen. Zumindest nicht jetzt. "Du bist ziemlich... ehrlich", stellte ich erst mal nüchtern fest. Inzwischen sah er mich wieder an und ich erwiderte den Blick mit gleicher Intensität. "Und lädst du dir öfter kleine Jungs nach Hause ein?", musste ich doch noch einmal sticheln, und ich wusste, dass es verräterisch um meine Mundwinkel zuckte.

~Jan~

Im ersten klitzekleinen Augenblick nach seinen Worten war ich tatsächlich entsetzt, doch zum Einen lockerte das seine Mimik, als ich realisierte, dass er das nicht so meinte, wie ich es gehört hatte und zum Anderen hatte seine Frage kein Hand und Fuß. Ich lachte ihn an „Nein, keine Angst. Du bist der erste“, gab ich ihm postwendend seine Fopperei zurück, wurde dann aber direkt wieder ernst. “Ja, ich bin in der Tat so ehrlich wie es mir möglich ist…irgendwann einmal habe ich gelernt, dass man damit einfach viel weiter kommt und ich hoffe, dass meine Menschenkenntnis sich nicht täuscht. Ich kann mich nicht immer darauf verlassen, aber ich vertrau ihr trotzdem immer wieder, würde ich das nicht tun, dann wäre das auch nicht richtig.“ Ich hatte mittlerweile das Brett voll geschnippelt und stand jetzt auf, um mich um eine Auflaufform zu kümmern und die Zutaten darin zu verteilen. „Wie alt genau bist du eigentlich?“, wollte ich es jetzt irgendwie doch wissen. Er hatte einen Punkt in mir getroffen, der mich doch zum Nachdenken anregte. Obwohl ich ja hier lediglich mit ihm kochte...ich musste mir gegenüber einfach eingestehen, dass er mich nicht kalt ließ.

~ Bill ~

"Ich bin zwanzig", sagte ich, innerlich ein bisschen erleichtert, dass er mich eben nicht irgendwie falsch verstanden hatte. Ich ließ das Messer Messer sein und drehte mich auf meinem Stuhl, um ihn besser im Blick zu haben. "Und du?", interessierte es mich jetzt auch genauer.