~Theon~

Unser erlösendes Stöhnen verschmolz wie unsere Körper miteinander. Es war so wundervoll, zeitgleich mit meinem Engel zu kommen und zuckend ergoß ich mich in seiner Enge. "Oh Gott... ich liebe dich, ich liebe dich," konnte ich immer nur keuchend wiederholen, während ich dankbar seine Schultern, seine Brust, seinen Hals, seine Wangen mit unzähligen Küssen bedeckte. Meine Hand ließ seine Arme frei und ich hielt seinen Körper mit meinen Händen an seinem heißen Hintern.

~Theon~

Noch bevor ich Bill antworten konnte, holte mich der Tag in die realere Welt und sofort spürte ich eine freudige Aufregung, die mich blitzschnell und schlagartig ganz wach sein ließ, doch mit all meinen Sinnen noch komplett bei meinem Engel. Ich fühlte mein Herz freudig klopfen und es war mir unmöglich auch nur eine Sekunde noch liegenzubleiben, doch als mein Körper neben meinem Bett stand, war ich planlos. Womit sollte ich anfangen? Ich zog die Türen meines Kleiderschranks auf, aber unfähig, mich für irgendetwas darin zu entscheiden, lief ich im nächsten Moment ins Wohnzimmer, nicht wissend, was ich hier nun sollte. Musik an... ein guter Gedanke. Ich startete die CD, die bereits seit Tagen ungewechselt meine Anlage bewohnte und war doch viel zu aufgedreht, um einen klaren Gedanken zu fassen. Erstmal hinsetzen und eine rauchen... immerhin ein Plan, den ich umsetzen konnte... na ja... zumindest ein paar Sekunden lang, dann zog es mich wieder auf die Beine und wie ein Vollidiot rannte ich von einem Zimmer ins andere, um doch wieder umzukehren und im nächsten Moment wieder verpeilt irgendwo stehenzubleiben, wo es mich eh nicht lange hielt. Ich weiß nicht, wie lange ich dieses Spielchen trieb, aber irgendwann hatte ich mein Handy in der Hand und am anderen Ende meldete sich ein verschlafener Vivian. "Es ist... ich bin... oh man," stammelte ich unkontrolliert und musste plötzlich über mich selbst lachen. "Verpeilung auf höchstem Niveau," bekam ich lachend ein paar sinnbringende Worte heraus. "Brauchst du jemanden, der dich entpeilt?" hörte ich Vivians Stimme, aus der das Grinsen nur so heraussprang. "Ja... bitte," flehte ich und Vivian versprach, baldmöglichst vorbeizukommen.

~Theon~

Bis Vivian ankam hatte ich mich einigermassen wieder einbekommen... obwohl... ich sah mich um... was hatte ich eigentlich die letzte halbe Stunde gemacht? Irgendwie war nichts verändert, kein Kaffee auf dem Tisch oder eine Badewanne, die im Begriff war, vollzulaufen. Ich lief hier noch mit meiner Shorts bekleidet rum. Die CD neigte sich dem Ende zu... ich hielt einen Moment inne und überlegte, am Hinterkopf kratzend, angestrengt, was genau ich die letzten dreißig Minuten gemacht hatte. Dass Vivian neben mir stand, hatte ich schon wieder komplett vergessen. "Haha... bei dir läuft ja gar nichts mehr gerade," holte dessen belustigte Stimme mich aus meinen Überlegungen hinaus und Vivians Hand rüttelte mich leicht an meiner Schulter. "Hä?" reagierte meine überrascht verpeilte Seite und mein Gesichtsausdruck war wohl entprechend dümmlich, zumindest brach Vivian jetzt in schallendes Gelächter aus. "Okay... du brauchst einen Kaffee," hatte ich plötzlich beide seiner Hände auf meinen Schultern, die mich bestimmt nach hinten drückten und mich rückwärts auf mein Sofa zusteuerten. "Hier bleibst du jetzt erstmal sitzen," wusste er direkt, was zu tun ist und irgendwie gab mir das gerade ein Gefühl von Bodenständigkeit und ich sah ihm nach, als er in die Küche verschwand.

~Theon~

Ein paar Minuten später kam Vivian mit zwei dampfenden Tassen Kaffee wieder zurück und stellte sie auf dem Tisch vor mir ab. Er ging zum Fenster und öffnete es. "So... und jetzt mal alles in Ruhe," sagte er, während er sich zu mir setzte und mir beruhigend seinen Arm um meinen Rücken legte. "Wir haben noch sechs Stunden Zeit, bevor wir los müssen. Du kannst also ganz relaxed sein," gab er mir erstmal zu verstehen. "Atme mal ganz tief ein und aus." Ich folgte seiner Anweisung und sog die frische Luft in meine Lungen. "Okay... das hilft," fand ich und griff nach meiner Tasse, pustete ein wenig und nahm vorsichtig einen Schluck des heißen Getränks. "Heute ist es soweit," sagte ich und konnte es selbst irgendwie noch gar nicht begreifen. Ich hatte das Gefühl, eine Ewigkeit auf diesen Tag gewartet zu haben und dass es jetzt soweit sein sollte, erschien mir irgendwie unwirklich. "Ja... ich freu mich auch schon," lächelte Vivian. Nach der wohltuenden Tasse Kaffee, hatte ich meine Gedanken einigermassen beieinander. "Ich brauch deine Hilfe," stand ich auf und zog Vivian mit in mein Schlafzimmer, öffnete erneut die Schranktüren. "Bitte stell dir mal vor, du wärst Bill," erklärte ich. "... und jetzt such mir mal die Klamotten raus, die du gern an mir sehen würdest," ließ ich Vivian vorm Schrank stehen und zog mich selbst auf mein Bett zurück. "Ich will umwerfend aussehen, wenn wir uns heute begegnen," gab ich Vivian noch einen unnötigen Tip und versuchte mich selbst ruhig zu halten, während Vivian jetzt anfing durch meine Sachen zu wühlen.

~Theon~

Vivian war mir in den nächsten Stunden eine große Hilfe, indem er mich regelmässig beruhigte, mir meine nächsten zu erledigenden Schritte klar machte, einfach für mich da war. Irgendwann war ich ausgiebig gebadet, hatte die heißesten Klamotten an, die ich besaß, hatte alles in meiner kleinen Tasche verstaut, was ich brauchen konnte und fühlte die Nervosität immer wieder ansteigen. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zu Vivian, damit der sich auch noch fertig machen konnte. Als ich auf ihn wartete, während er unter der Dusche stand, klingelte mein Handy... unser Manager war dran. "Ich wollte nur Bescheid sagen, dass wir später losfahren. Christians Mutter ist ins Krankenhaus eingeliefert worden und er will erstmal nach ihr sehen, deshalb lassen wir den Soundcheck sausen und machen uns erst so gegen sechs auf den Weg," informierte er mich. Mir rutschte das Herz in die Hose. "Das geht nicht," war meine erste erschütterte Reaktion. "Ich muss früher da hin. Dann fahr ich allein vor," beschloss ich kurzerhand, doch unser Manager machte mir klar, dass wir als geschlossene Gruppe dort auftauchen müssten und ich mich danach zu richten hatte. Ich war fertig, als ich auflegte und glücklicherweise war Vivian dann gerade mit der Dusche fertig und konnte meine inzwischen aufkeimenden Ängste einigermassen mit sachlichen Argumenten beruhigen. Oh man... was für eine Hölle.

~Theon~

Irgendwann fing ich wieder an, wie blöde durch die Gegend zu laufen, nur jetzt eben in Vivians Wohnung. Diese Warterei machte mich wahnsinnig. Eigentlich wären wir jetzt schon losgefahren und ich rechnete mir aus, dass die anderen Bands jetzt wohl auf dem Weg zum Soundcheck waren... verdammt. Ich wollte auch schon in Helsinki sein. "Oh bitte... lass ihn auf mich warten," betete ich irgendwann und wußte gar nicht genau, wem das nun galt. Dem gesamten Universum wahrscheinlich und dem Schicksal gleich dazu. Es durfte einfach nicht sein, dass noch irgendetwas schief ging. Ich versuchte mich so weit zu beruhigen, dass ich innerlich zu Bill durchdringen konnte und sendete ihm mit all meiner zur Verfügung stehenden Gedankenkraft die Bitte, nicht zu gehen, bevor wir uns nicht gesehen hatten. Ich hatte keine Ahnung, ob diese Botschaft bei ihm ankommen würde und er irgendeinen Einfluss darauf haben könnte, aber ich hoffte, dass er zumindest mein Gefühl, ihm innerlich bereits längst entgegenzulaufen, aufnahm und wissen würde, dass ich mir mehr als alles wünschte, als ihn heute zu sehen.
Irgendwann war die quälende Wartezeit in Vivians Wohnung endlich vorbei und mit einem Nervenkostüm eines Halbwahnsinnigen stieg ich zu den Anderen in den Van und endlich fuhren wir Richtung Helsinki.

~Theon~

Während der Fahrt bekam ich nur in etwa jeden dritten Satz in einer sinnvollen Wortreihenfolge heraus, aber meine Jungs verstanden mich glücklicherweise trotzdem, oder taten zumindest so, denn eigentlich war es nur ich, der in ununterbrochener Weise nicht aufhören konnte sinnlose Sätze rauszusprudeln. Ich plapperte in einer Tour und an Stelle meiner Bandkollegen wäre ich garantiert schon eingeschlafen, doch sie hielten Tapfer durch und als wir durch die Stadtgrenze von Helsinki kamen, wurde ich plötzlich ganz ruhig. Wir kamen näher, waren bereits nah... Bill. Ganz deutlich konnte ich ihn fühlen... und in mir war nur noch Liebe und Ruhe... und die Sicherheit, dass er schon da war und dass ich ihn wirklich bald sehen würde.

~Theon~

Als wir an der Halle ankamen, herrschte ein tierisches Gewusel. Die Show hatte bereits gerade angefangen und hinter den Kulissen herrschte ein geschäftiges Treiben. Wir wurden zu unserer Kabine geführt und auf dem Weg dahin durchsuchten meine Augen schon die Menschen nach meinem Engel... aber weder er, noch jemand anders, den ich der Band hätte zuordnen können, war zu sehen. Sobald ich meine Sachen abgelegt hatte, bekamen wir einen kurzen Bericht zur Situation und wann wir dran waren. Oh Mist... so schnell... da blieb ja kaum noch Zeit zum Einsingen, geschweige denn nach Bill zu suchen, aber immerhin bekam ich raus, dass Tokio Hotel gleich dran waren und egal, wie wenig Zeit noch blieb... den Auftritt würde ich mir garantiert nicht entgehen lassen. Ich ließ mich vom Hallenpersonal an einen Punkt bringen, wo ich zusehen konnte, aber wo Bill mich nicht entdecken konnte. Ich wollte ihn bei seinem Auftritt nicht stören. Kaum war ich da angekommen, hörte ich auch schon, wie nochmal die Spendenhotline durchgegeben wurde und der Moderator dann die junge Band aus Deutschland ankündigte und in der Halle erhob sich ein Kreischen.