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~Jan~
Keine Ahnung wie lange ich so in mich versunken dort verweilte. Was ich nur mit Gewissheit sagen kann ist, dass ich so arg zusammenfuhr, dass ich einen Moment lang dachte mein Herz würde auf der Stelle aufhören zu schlagen. Bis es danach so heftig und schnell pochte, dass es mich keinesfalls gewundert hätte, wenn nicht nur meine direkte Nachbarin vor mir gestanden hätte, sondern das gesamte Haus von diesem lauten Geräusch aufgewacht wäre. „Himmel, Frau Kramer…wieso erschrecken sie mich so?“ „Ich kann doch nicht ahnen, dass sie neuerdings im Treppenhaus schlafen, Herr Plewka“, grinst sie mich schamlos lächelnd an, „oder wie darf ich diesen verträumten Ausdruck ihrer Augen deuten?“ Ich verdrehte die Augen und streckte ihr die Zunge heraus, „Schlaf schön Ilse“
Während ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen ließ, hätte ich mich fragen wollen wieso zum Teufel ich in diesem Haus wohnte und nicht irgendwo für mich allein ein Haus oder eine abgelegenere Wohnung hatte, wo so etwas nicht vorkam, doch ich ließ es gleich bleiben, ich wusste schließlich was mich hier hielt. Statt mich zu ärgern schmunzelte ich über „Frau Krämer“, die ich längst duzte, mit der ich eigentlich wunderbar klar kam. Eine Seele von Mensch, der eben nur stark zur Neugierde neigte…allerdings eine Neugier, die dieses Haus niemals verlassen würde. So sehr sie auch gern alles wissen wollte, so verschwiegen war sie auf der anderen Seite und man konnte sich zu hundert Prozent auf sie verlassen.

~ Bill ~
Seufzend pfefferte ich meine Schuhe in die Ecke, befreite mich von Jacke und Mütze, und gestand mir gleichzeitig innerlich ein, dass ich viel zu aufgewühlt war, um jetzt schlafen zu können. Ich brauchte dringend jemanden zum Reden. Und ich dachte nicht eine Sekunde daran, Tom in seinem Zimmer zu suchen, ich wusste sowieso, dass ich ihn in meinem eigenen Reich finden würde. Und tatsächlich, als ich vorsichtig die Tür aufschob, sah ich ihn friedlich schlafend in meinem Bett liegen. Unwillkürlich musste ich grinsen, das war so typisch...
Nicht besonders leise kletterte ich zu meinem Zwilling, der wie immer meine Nähe zu spüren schien und mich nur kurz darauf aus müden Augen anblinzelte. "Du kommst spät", begrüßte er mich mit heiserer Stimme, und ich grinste noch breiter. Plötzlich war alles so leicht, als hätte ich auf einmal mein inneres Gleichgewicht wiedergefunden, nur weil ich mit meinem Bruder zusammen war. Und meistens war das auch so. "Als ob du wüsstest, wie spät es ist", gab ich betont locker zurück, aber sein folgender Blick ließ das Grinsen auf meinem Gesicht ersterben. Es war eben doch nicht alles so leicht, das hätte mir eigentlich klar sein müssen. Aber wenigstens hatte ich jetzt jemanden bei mir, mit dem ich darüber reden konnte.

~Jan~
Nicht wirklich wissend was ich jetzt anfangen sollte schlich ich langsam durch meine Wohnung. Einerseits erschien sie mir plötzlich kalt und leer, einsam und ohne Leben und andererseits hing noch eindeutig Bills Geruch in diesen Wänden. So als würde ich seine Spur verfolgen, zog es mich an die Orte an denen wir noch vor kurzer Zeit gemeinsam in der Zweisamkeit berauscht waren. Ja, wie eine Droge kam er mir vor in diesem Augenblick, etwas das mich würde zerstören können und ohne dem ich trotz allem nicht mehr würde sein können. War es nicht das, was ich niemals wieder gewollt hatte? Und trotzdem würde ich glücklich sein, wenn ich jetzt ins Bett ging und an ihn denken würde.
Genau das tat ich auch, zog mich aus, legte mich ins Bett und dachte voller Seligkeit an die vergangenen Stunden. Nichts war mehr von dem da, über das ich noch unbedingt nachdenken wollte, als er noch hier war. Dazu war in der Zukunft noch ausreichend Zeit. Jetzt wollte ich einfach nur glücklich sein und alles erlebte bis in meine Träume hinein genießen solange es noch so gegenwärtig war.

~ Bill ~
"Bill..." Ich grummelte nur und drehte mich auf die andere Seite. Ich war gerade erst eingeschlafen, zumindest fühlte es sich so an, und ich wusste jetzt schon, dass es besser gewesen wäre, gleich durchzumachen. Aber das hatte ich nicht geschafft. Tom hatte mich verstanden, natürlich hatte er das. Er hatte sofort gemerkt, dass etwas anders war als sonst, aber er hatte mich nicht mit Vorwürfen überhäuft, sondern mit Verständnis auf das reagiert, was ich selber noch nicht richtig begriff. "Bill, komm jetzt, du musst aufstehen", wurde ich unerbittlich erneut aus meinem Halbschlaf gerissen, und ich musste mich zusammenreißen, um nicht wütend um mich zu schlagen. Ich würde in diesem blöden Interview nachher gar nicht wirklich anwesend sein, und ich wusste noch nicht, an wem ich meine schlechte Laune am besten auslassen sollte.

~Jan~
Unruhig begann ich mich hin und her zu wälzen und hätte mich jemand in dem Moment gefragt, ich hätte geantwortet noch kein Auge in dieser Nacht zugetan zu haben. Ein Blick auf meine Uhr allerdings bestätigte mir das Gegenteil, drei Stunden hatte ich hier auf keinen Fall schlaflos gelegen und mit immer klarer werden meines Gehirns, wurde mir auch bewusst, dass ich voller Glück in den Schlaf gerutscht sein musste. Glücklich fühlte ich mich in dieser Stunde aber nicht mehr. Klar, der Abend mit Bill war wunderschön gewesen, aber es war die Zukunft, die mich lenkte aus dem Bett zu steigen und in die Dunkelheit hinauszusehen. Es war früh am Morgen, aber es machte noch nicht den Anschein hell werden zu wollen, nur der Mond strahlte Licht in die Strassen. Wie angezogen von dem Schein, öffnete ich das Fenster weit und setzte mich auf die Fensterbank. Mit angezogenen Knien und die Arme locker darum verschlungen verweilte ich bewegungslos und starrte in die Nacht hinein. Er war nicht besonders, besonders an diesem frühen Morgen der Mond. Weder von Vollmond konnte man sprechen, noch von einer besonders schmalen Sichel und doch zog er mich an, wie einen Werwolf in der vollsten Vollmondnacht. Ich lächelte bei dem Gedanken, der mir einen Wimpernschlag lang meine Wehmut nahm, um dann sofort wieder in die Ernsthaftigkeit und Schwere zu fallen, die mein Herz mit einer Art Schmerz umhüllte, die mir fast die Luft zum Atmen nahm. Die Zukunft…was zum Teufel würde sie mir bringen, was hielt sie für mich bereit und war ich stark genug es auszuhalten? Ich hatte gelernt, ja verdammt…ich wusste rein theoretisch wie es besser zu machen war, aber diese erneuten und Ewigkeiten schon nicht mehr erlebten Verliebtheitsgefühle…sie machten mir ganz einfach Angst. Was war schon das Wissen und die Theorie…meine Gefühle waren nicht berechenbar, schon gar nicht, wenn sie erstmal da waren und einen Menschen umhüllten, den ich am Liebsten nie wieder aus meinem Leben lassen wollen würde…ihn nie in die Vergangenheit aufnehmen, sondern von ihm gegenwärtig begleitet werden durch alle Himmel und Wolken, die meine Zeit bereit hielt. Nicht in der Vergangenheit und nicht in der Zukunft leben…das war die Theorie…ich konnte es mal wieder nicht beherzigen. Ein Seufzer brach durchdringend und schmerzhaft die Stille. Mir war klar, dass ich schon wieder weiter dachte, als jegliche Zeit. Sollte ich nicht alles einfach auf mich zukommen lassen? Was sollte ich ändern? Selbst wenn ich es wollte…war es nicht längst zu spät gewesen, als meine Augen dieses Wesen erblickt hatten? Hatte ich ihn nicht bereits in diesem Augenblick ohne Scheu und Hindernisse hinein gelassen in die Kammern meines Herzens? Ich schloss die Augen und lehnte meinen Kopf an den Rahmen des Fensters. Ich wusste, dass es keinen Sinn machte nachzudenken, egal in welche Richtung…ich würde sowieso gegen meine Gedanken handeln und meinem Herzen die Leitung überlassen und trotzdem saß ich noch mindestens eine kleine Unendlichkeit so da und grübelte über geschehenes und nicht oder noch nicht geschehenes nach, bevor ich bei Anbruch des Tages und mit einem stillen Gruß an die Sonne, die sich einen Weg an den Himmel bahnte und den Mond vertrieb, zurück in mein Bett ging und nochmals hineinfand in die umhüllende und wärmende Gedankenraubende Watte des Schlafes. Ob Bill wohl schon auf den Beinen war? War der letzte Gedanke, der meine Müdigkeit zuließ.

~ Bill ~
Die Professionalität fiel wie eine Maske von mir ab, sobald die Tür hinter uns ins Schloss klackte. "Scheiße", stöhnte ich genervt, und ließ mich wie eine Marionette von Tom in die Küche ziehen, wo er mich auf den nächstbesten Stuhl verfrachtete und mit dem Kopf im Kühlschrank verschwand. "Du musst was essen", informierte er mich, was ich nicht weiter kommentierte. Ich hatte schon wieder mein Handy in der Hand, dessen Display mir hämisch keine entgangenen Anrufe oder SMS präsentierte. Kein wirkliches Wunder, ich hatte ja auch nur in jeder freien Sekunde des vergangenen Tages draufgeschaut, um nur immer wieder das Gleiche zu sehen. "Warum rufst du ihn nicht einfach an?", hörte ich Tom fragen, und begegente seinem forschenden Blick, den er mir über die Schulter zuwarf. "Weil es nicht einfach ist", erwiderte ich, und konnte selbst nicht sagen, warum es nicht einfach war. Und ich wusste auch nicht wirklich, worauf ich eigentlich wartete. "Ich geh ins Bett", wollte ich schon aufstehen, aber zwei unerbittliche Hände hinderten mich daran. "Tom, ich bin müde, und sauer, und fertig, und..." "Und... irgendwie komisch", vollendete Tom meine sinnlose Rede, was mir nur ein resigniertes Seufzen entlockte. Warum meldete er sich denn nicht? Ich wollte ihm gerade einfach nur den Kopf waschen für diese Unverschämtheit... und ich wollte seine Stimme hören.

~Jan~
Jetzt war schon fast eine Woche vergangen und ich hatte noch immer nichts von ihm gehört. Man, Jan! Wies ich mich selbst in meinen Gedanken zurecht. Hatte ich nicht selbst anstrengende Tage hinter mir? Wann bitte hätte ich Zeit finden sollen für auch nur eine überlegte SMS? Mein Kopf war voll und es waren mir lediglich die Nächte geblieben, in denen ich zugegebener Maßen viel zu viel gedacht, gesehnt, gegrübelt und Bill vermisst hatte. Nur der Tag nach unserem Abend, an dem ich bis über den Mittag hinaus geschlafen hatte, hatte mir noch Zeit geboten, danach ging es drunter und drüber, wie so oft schon ,nachdem es unsere Band wieder gab. Ein Blick auf meine Uhr verriet mir, dass es schon wieder erschreckend spät war und eigentlich keine christliche Zeit um auch nur irgendwo anzurufen. Ob er sein Handy mit ans Bett nahm? Würde ihn eine kleine, kurze SMS aus dem Schlaf reißen? Herr Gott was dachte ich hier nur schon wieder zu recht, SMS Piepton blieb SMS Piepton, egal wie lang die Zeilen waren! Egal, ich musste jetzt irgendetwas tun! Hatte ich irgendwas zu verlieren? Ich war mir nicht sicher und nachdem ich mit zitternden Händen, mehreren Fluchen und Ärger über mich selbst, ein kurzes und knappes „Schläfst du schon?“ getippt und so schnell es ging abgeschickt hatte um es mir ja nicht in der nächsten Sekunde anders überlegt zu haben, war ich mir schon wieder sicher einen großen Fehler begangen zu haben. Ich behielt das Handy in der Hand und starrte gebannt auf das Display….Himmel ich musste krank sein!!! Ich war krank…krank vor Verliebtheitsgefühlen, die mich gar nicht mehr zur Ruhe kommen ließen.

~ Bill ~
"Gehts dir jetzt besser?", raunte Tom mir zu, als ich mich wieder neben ihn auf die ekelhaft rote Couch fallen ließ. Ich hasste diesen Club, ich hasste VIP-Bereiche, und ich wollte nicht mehr länger hier sein, obwohl es mir anfangs wie eine gute Idee vorgekommen war. "Glaubst du, nur weil ich irgendeine Tussi in irgendeinem versifften Klo flachlege, gehts mir besser?", fauchte ich meinen Bruder an, der ja nun wirklich nichts dafür konnte. Im Gegenteil, er hatte die ganze Zeit versucht, mir zu helfen und mich irgendwie abzulenken. "Sorry", entschuldigte ich mich knapp und leerte den mitgebrachten Cocktail in einem einzigen Zug. Ich hatte ja selbst gedacht, diese Art von Ablenkung wäre genau das, was ich gebraucht hatte, aber das war nur Einbildung geblieben. Ich hatte das Gesicht dieses Mädchens schon wieder vergessen, und meine Gedanken ließen sich sowieso nicht kontrollieren, je mehr Zeit verging, desto schlimmer wurde das Ganze. "Bill, ich versteh nicht, warum du nicht einfach über deinen Schatten springst, wenn es dir so wichtig ist", begann Tom wieder mit der Diskussion, die wir schon seit Tagen führten, aber ich winkte nur ab. Ich hatte jetzt keine Lust auf dieses Gespräch. "Ich hol mir noch was zu trinken", sagte ich statt dessen und stand mit schon etwas wackligen Beinen wieder auf. Er würde sich garantiert nicht mehr melden, wahrscheinlich hatte er mich schon längst vergessen. Und ich würde jetzt einfach so viel trinken, dass ich seine Existenz auch ganz schnell vergaß. Als ich von der Bar zurückkam, hatte Tom einen ganz komischen Blick drauf. "Ich hab dein Handy gefunden", sagte er triumphierend. "Und?", knurrte ich gereizt und stemmte die Hände in die Hüften. Wo er mein Handy "gefunden" hatte, interessierte mich überhaupt nicht. "Na hier", hielt Tom mir die eingegangene Nachricht entgegen. Unwirsch riss ich ihm das Telefon aus der Hand. "Was hast du denn jetzt vor?", hörte ich Tom alarmiert fragen, aber ich hatte schon Jans Nummer gewählt, ohne weiter darüber nachzudenken.

~Jan~
Irgendwann stand ich auf und lief wie angestochen unruhig durch die Wohnung, ich hielt mich selbst für blöd, dass ich darauf hoffte, dass Bill in irgendeiner Form umgehend auf meine SMS reagieren würde und fluchte erneut über mich selbst und vor mir her. Ein kleiner Aufschrei entwich erschreckt meiner Kehle, als das Handy tatsächlich das tat, was ich erhofft hatte. Es klingelte…Himmel, es klingelte tatsächlich und als ich auf das Display sah…ich konnte es kaum glauben…er rief mich tatsächlich an…es war Bill. Ich schluckte und zögerte…plötzlich wusste ich gar nichts mehr…was sollte ich sagen…aber ich musste jetzt schleunigst dran gehen, bevor er noch wieder auflegte und ich diese Chance vertan hatte. „Ja…äh…Hallo…Bill“ klang meine Stimme in meinen eigenen Ohren fremd.

~ Bill ~
Tze... ich konnte es selbst kaum glauben, aber plötzlich war ich nur noch halb so wütend wie eben gerade noch. Und genau so plötzlich fehlten mir die Worte. Vor allem die richtigen. Außerdem war es hier viel zu laut. Mit dem Handy am Ohr und unter den ungläubigen Blicken meines Bruders kämpfte ich mich quer durch den ganzen Club Richtung Ausgang. Irgendeiner von unseren Gorillas folgte mir auf den Fersen, etwas, an das ich mich niemals gewöhnen würde. Die kalte Luft machte gleichzeitig meinen Verstand ein bisschen klarer und mir trotzdem erst bewusst, wie viel ich schon getrunken hatte. Aber wenn ich Jan jetzt nicht bald antwortete, würde er auflegen. Dabei hatte ich mich so nach seiner Stimme gesehnt... die letzten Tage hatte ich ihm nur über meinen Laptop zugehört, hatte mir alle möglichen Lieder von ihm reingezogen wie ein kleines verliebtes Schulmädchen, und auf einmal kam ich mir furchtbar albern vor. Und das machte mich umgehend wieder wütend. "Hallo", brachte ich endlich schnaubend heraus.

~Jan~
Das Hallo klang irgendwie aufgebracht und mit der Verbindung, dass er eine ganze Weile nichts gesagt hatte, hatte mich das eigentlich noch ein Stück weit verunsichern wollen. Doch für mich schien dies fast zuviel Unsicherheit und das gab mir auf wundersame Weise all meine Selbstsicherheit wieder zurück und meine Stimme klang fest und sicher, als ich zu sprechen begann. „Hey, das klingt ja so, als wärst du irgendwo unterwegs. Erscheint mir ziemlich lebhaft um dich herum zu sein. Ich wollte dich nicht stören, wollt nur wissen, ob wir unseren netten Abend nicht bald mal wiederholen wollen. Wie sieht ´s so mit deiner Zeit aus
In den nächsten Tagen?“

~ Bill ~
Er störte mich doch gar nicht, verdammt. Ich wollte so viel sagen, aber irgendwie hatte er mir schon wieder den Wind aus den Segeln genommen. Nur ein merkwürdiges Räuspern brachte ich über die Lippen, während ich mit der freien rechten Hand hektisch meine Hosentaschen nach Zigaretten absuchte und nichts fand außer ein wenig Kleingeld. Scheiße, ich hatte sie drinnen liegen gelassen. "Ich...", versuchte ich meine Gedanken trotzdem irgendwie zu ordnen und wollte mir am liebsten die Haare raufen, weil ich mich so bescheuert verhielt. Als sich völlig unerwartet eine Hand auf meine Schulter legte, quietschte ich erschrocken, erkannte aber noch im Umdrehen, dass Tom vor mir stand. "Arsch", betitelte ich meinen Zwilling, dann erst realisierte ich, dass ich noch einen Zuhörer hatte. "Warte mal kurz", nuschelte ich in den Hörer, und hielt das Handy an mein aufgeregt stolperndes Herz. Gott, was musste Jan nur von mir denken... "Hast du sie noch alle?", fauchte ich Tom an, der mir nur grinsend eine Zigarette vor den Mund hielt. Woher wusste er nur immer, was ich gerade brauchte? Musste an den Genen liegen. Ich ließ mir Feuer geben, und spürte sofort nach dem ersten Zug, wie das Nikotin meine angespannten Nerven ein bisschen beruhigte. "Nun frag ihn schon!" Tom hörte sich nur mittelmäßig genervt an, und ich musste die Frage nicht mal laut formulieren, die mir schon auf den Lippen lag, denn Tom redete einfach weiter. "Ich fahr dich hin. Und ich hol dich auch wieder ab. Alles was du willst, Hauptsache, du hörst endlich auf, durchzudrehen", half er mir auf die Sprünge, es klang irgendwie wie ein Zwischending aus belustigt und ernst. Eine Sekunde noch musterte ich meinen Zwilling skeptisch, dann klebte das Handy wieder an meinem Ohr. "Bist du zu Hause?", fragte ich, und war froh, dass wenigstens meine Stimme wieder einigermaßen fest klang.

~Jan~
Es war mehr als offensichtlich, dass er nicht wirklich so etwas wie Ruhe für ein Telefonat hatte, aber es fühlte sich trotzdem nicht so an, als würde ich ihn bei irgendetwas stören. Die Brocken, die an mein Ohr drangen klangen einfach nur süß…anders hätte ich ihn und diese Situation einfach nicht beschreiben können. Das Lächeln was er damit auf meine Lippen zauberte wurde zu einem breiten Grinsen, als ich seine Frage vernahm. „Äh, ja…bin ich.“ Mein Herz machte immer größere Sprünge, als sich der Gedanke in meinem Kopf formte, dass er mich tatsächlich hier und jetzt besuchen wollte. Ich hielt den Atem an und wartete gespannt auf das was jetzt folgte.

~ Bill ~
Gut. Jetzt konnte ich nicht mehr zurück... nein, das stimmte so nicht. Ich wollte nicht mehr zurück. "Okay", sagte ich mehr zu mir selbst, und nahm einen weiteren tiefen Zug von meiner Zigarette. "Dann mach ich mich auf den Weg", beschloss ich dann einfach. Er würde mir schon sagen, wenn ihm das nicht passte, oder er mich nicht sehen wollte, oder was auch immer... Ich fixierte starr Toms Augen, während ich wartete, ob ich jetzt eine Abfuhr bekam.

~Jan~
„Ich freu mich auf dich“, hauchte ich überwältigt von meiner Aufgeregtheit in mein Handy. Oh Gott, mit allem hatte ich gerechnet, aber niemals damit ihn heute noch zu sehen. Wie ein aufgescheuchtes Huhn lief ich durch die Wohnung und rückte hier und dort ein paar Sachen zurecht, so als wäre es nötig irgendwelche Ordnung zu schaffen. Doch schon bald realisierte ich, was ich hier tat und wie ich mich aufführte und zwang mich regelrecht dazu mich entspannt auf mein Sofa zu schmeißen. „Scheiße“, fluchte ich auf und rieb mir umständlich meine Seite. Ich hatte mich so blöd und unelegant in die Kissen fallen lassen, dass ich mir arg meine Knochen an der Sofakante gestoßen hatte. „Verdammt“, wusste ich gerade nicht, ob ich lachen oder weinen sollte und hinaus kam dabei ein Gemisch aus kichern und Gejaule. Während mein Körper noch mit sich zu tun hatte, fragte sich mein Geist wie lange es wohl dauern würde bis Bill hier auflief. Ich hatte keinen Plan wo er sich befunden hatte, als wir telefonierten. Die Möglichkeit, dass er in ein paar Sekunden hier vor der Tür stand war genauso wahrscheinlich, wie dass es noch vielleicht eine ganze Stunde dauern würde bis er hier eintraf.

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